Leicht zu finden sind sie nicht, die Teilnehmer einer der ausgefallensten Sportkurse der CAU. Ein wenig muss man in den Katakomben des Sportforums suchen, bevor man am Ziel ist. „Ziel“ – das bedeutet hier ein Sport, dessen Absurdität sich zunächst bereits in seinem Namen zu offenbaren scheint: „Sporthockern“. Ein Hocker und Sport scheinen intuitiv erst einmal ungefähr eine so stimmige Symbiose zu bilden, wie Kevin Großkreutz und Tolstoi oder eine Tafel Schokolade und ein Klumpen grobe Leberwurst. Aber gerade die Widersprüchlichkeit dieser Sportart hat das Interesse des Albrechts geweckt.

Wir treffen die Gruppe in der Entspannungshalle des Sportforums. Geleitet wird der Kurs von Joshua Vogel, kurz „Josh“. Josh ist so ziemlich der Prototyp dessen, was man sich unter einem Funsportler vorstellt. Die Rastas sind zu einem Zopf zusammengebunden, die Seiten kurz rasiert. Er ist einer dieser Menschen, die eine beneidenswert natürliche Lässigkeit umgibt. Er erläutert uns, wie die Idee des Sporthockerns entstanden ist.

Sporthockern. Ein Funsport mit Kieler Wurzeln. (Foto: www.sporthocker.com)

Der Legende nach begann es am Anfang des Jahrtausends in einer Kieler WG. Drei Freunde hätten abends zusammengesessen, als einer von ihnen über einen 70er-Jahre Pop-Art-Hocker zuerst gestolpert, dann aber doch irgendwie zum Sitzen gekommen sei. Um der Häme seiner Freunde aus dem Weg zu gehen, sei dieser Lapsus kurzerhand einfach als ein neuer Funsport bezeichnet worden. Das Sporthockern war geboren. Die drei Freunde fanden schnell Gefallen an diesem neuen Phänomen. Zunächst wurde noch mit ganz gewöhnlichen Hockern performt. Diese haben den Belastungen durch die Sportler jedoch nur schwerlich standgehalten. Im Rahmen einer Diplomarbeit wurde sich schließlich mit der Konzeption des Sportgeräts beschäftigt. Heute werden die Hocker von Berlin aus für 90 bis 160 Euro professionell in die ganze Welt vertrieben. Im Rahmen des Kurses werden die Sporthocker natürlich gratis zur Verfügung gestellt. Anhänger des Sports finden sich in ganz Europa. Sogar vereinzelte Videos von Hockerern aus Japan, Australien oder Thailand lassen sich im Internet finden.

Am Prinzip hat sich nichts geändert. Alles ist erlaubt. Einzige Voraussetzung ist, sich am Ende jeder Aktion mit möglichst viel Stil auf sein Sportgerät zu setzen und seine Performance – wenn möglich – mit Musik zu untermalen. Ein einheitlicher Stil zu hockern hat sich noch nicht etabliert – das ist auch gar nicht nötig. Je nach sportlichem Background kann mit dem Gerät ganz unterschiedlich umgegangen werden. In einem Moment meint man, es mit einer Form des Jonglierens zu tun zu haben, zwischendurch sieht es nach Breakdance aus, im nächsten Moment erinnert es schließlich an Skateboarding. Das mach laut Josh auch den besonderen Reiz des Sports aus: „Es ist noch ein junger Sport. Das Sportgerät ist noch nicht ausdefiniert“. Zudem sei es schnell möglich, die Grundlagen des Hockerns zu lernen.

Die Entwicklungen des Sports lassen sich vor allem dann feststellen, wenn die Szene sich zu ihren Meisterschaften wie dem „Hocktoberfest“ oder dem „King of Hock“ trifft. Die Anhänger schätzen an diesen Veranstaltungen besonders die Atmosphäre. Es habe sich noch keine verbissene Wettbewerbsmentalität eingestellt. Das Hauptaugenmerk liege vor allem darauf, den Sport voranzubringen. Bewertet werden Kreativität, Wagemut, Sicherheit, Flow und Athletik der „Moves“.

Die Reaktionen der Leute seien im Übrigen hauptsächlich positiv. Nicht wenige versuchen selbst rasch ein paar Tricks einzustudieren. Auch wir testen den Sporthocker. Fazit: Es macht tatsächlich Spaß und weckt den Ehrgeiz, die Kunst des stilvollen Hinsetzens zu perfektionieren. Ein Hocker und Sport? Für uns absolut kein Widerspruch mehr. Falls man jedoch irgendwann die Lust am Hockern verlieren sollte, lässt sich das Sportgerät auch auf anderem Wege verwenden. Ganz klassisch, zum Sitzen. Hockern findet jeden Mittwoch von 16-18 Uhr in der Entspannungshalle im Sportforum statt, Neuzugänge sind gern gesehen.

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