Warum #metoo schon lange überfällig war

Ein Kommentar von Monique Schmidtke

Harvey Weinstein. Ein Name, der in der letzten Zeit für ziemliche Furore sorgte. Der US-Filmproduzent soll über Jahre Frauen sexuell belästigt haben. Als wäre das nicht schon schlimm genug, wurde er von vielen Kollegen und Freunden noch gedeckt. Zwar wurden bereits Andeutungen gemacht, wie zum Beispiel bei der Oscar-Verleihung 2013, als Seth MacFarlane sagte, dass die nominierten Schauspielerinnen nicht mehr vorgeben müssten, Harvey Weinstein attraktiv zu finden. Die betroffenen Frauen schwiegen – bis vor Kurzem. Mit dem #metoo der amerikanischen Schauspielerin Alessia Milano wurde nicht nur dieser Skandal publik gemacht, sondern auch eine Plattform des Austausches für Opfer sexueller Übergriffe geschaffen.

#metoo ist eine großartige Sache mit traurigem Hintergrund. Frauen, die belästigt wurden, können endlich öffentlich über das reden, was ihnen angetan wurde. Sie haben endlich die Möglichkeit, von anderen Frauen zu erfahren, die dasselbe oder Ähnliches erleben mussten. Sie gaben sich dadurch gegenseitig Kraft. Zu sehen, dass sie damit nicht alleine sind, war zumindest ein kleiner Trost. Doch warum muss es erst zu einem solchen Skandal in Hollywood kommen, damit darüber gesprochen wird? Sexuelle Übergriffe gegenüber Frauen passieren täglich. Hier spielt vor allem die aktuelle Sexismus-Debatte eine wichtige Rolle. Weltweit werden Frauen immer noch in die Schublade ‚Hausfrau und Mutter‘ gesteckt, weil es doch schon immer so war. Ein Grund, weshalb sie weniger Geld im Beruf verdienen als Männer. Auch die Werbung leistet ihren Beitrag. In einigen Werbespots werden halbnackte Frauen gezeigt und dadurch zu sexuellen Objekten degradiert. Solange sich nichts an dem öffentlichen Bild und der daraus folgenden Einstellung gegenüber Frauen ändert, wird es weiterhin als Selbstverständlichkeit angesehen, mit Frauen zu machen, was einem beliebt. Diese Selbstverständlichkeit führt dazu, dass sexuelle Übergriffe einfach hingenommen und nicht angesprochen werden. Doch genau das muss sich ändern. Sexuelle Übergriffe sollten kein Tabuthema mehr sein.

Wie sollen Frauen sich wehren, wenn sie am Arbeitsplatz, in der Uni oder im Bekanntenkreis belästigt werden? Auf der einen Seite sind die Opfer gehemmt, da sie nicht wissen, was die Konsequenzen für sie selbst sein könnten. Auf der anderen Seite sollten sie sich nicht den Mund verbieten lassen und eine solche Verletzung der Menschenrechte nicht hinnehmen müssen. Es ist nachvollziehbar, wenn in der Situation nicht direkt gehandelt wird. Wer einen sexuellen Übergriff erlebt hat, weiß, dass der Schock in solch einer Situation überwiegt. Dennoch sollten im Nachhinein Konsequenzen gezogen werden.

Ich auch.
Ich auch.

Ich selbst wurde auf einer Party von einem ehemals guten Freund belästigt. Er trat von hinten an mich heran und hat seine Hand unter meinen Pulli geschoben und mir in den BH gefasst. Erst konnte ich nicht reagieren, schaffte es aber doch, ihn wegzustoßen. Erst Tage danach ging ich, mit Unterstützung eines anderen guten Freundes, zur Polizei, um ihn anzuzeigen. Vorher war ich dazu  nicht in der Lage. In dieser Situation herrschte bei mir ein absolutes Gefühlschaos. Schließlich war er einer meiner besten Freunde. Wir kannten uns zu dem Zeitpunkt seit einem Jahr und haben bis dahin viel zusammen unternommen. Erst nachdem ich mich etwas gefasst hatte, wurde mir der Grundtenor meiner Gefühle bewusst: Wut. Fragen über Fragen stellten sich mir: Warum hast du dem Typen nicht einfach eine saftige Backpfeife gegeben oder ihn mit einem Tritt in seine Weichteile bestraft? Warum hast du nicht gehandelt, egal wie? Warum hast du nicht…? Plötzlich nimmt die Enttäuschung zu. Ich hätte anders handeln müssen. Die Frage ist nur: Wie? Man fühlt sich schuldig. Habe ich etwas falsch gemacht? Habe ich diese Situation in irgendeiner Form provoziert? Meist sind die Frauen einfach zur falschen Zeit am falschen Ort. Natürlich können sexuelle Übergriffe durch wildes Rumgemache auf Partys provoziert werden. Doch passiert das zumindest noch mit gegensätzlichem Einvernehmen. Aber genau hier müssen die Grenzen deutlich gemacht werden. Unangebrachtes Verhalten fängt nicht erst bei Gewalt oder sexuellen Übergriffen an. Die Grenzen können häufig schon durch Hinterherpfeifen überschritten werden. In meinem Fall war es leider mehr als das. Mein Kumpel hat mich angefasst, weil ihm gerade danach war. Um ihm das klar zu machen, habe ich ihn angezeigt, in der Hoffnung, dass die Konsequenzen für sein Handeln strenger ausfallen würden. Da er jedoch nicht vorbestraft war, wurde der Fall nicht weiter verfolgt. Ich bin auch ein Jahr danach noch enttäuscht, dass er nicht bestraft wurde. Neben dem Gefühl, gedemütigt worden zu sein, bleibt zudem die Angst, dass mir dasselbe wieder passieren kann. Jedoch weiß ich auch, wie ich dann zu handeln habe.

Und jetzt noch einmal Klartext: Wieso nehmen sich viele das Recht, Frauen so entwürdigend zu behandeln? Was erlauben sich einige, Frauen hinterherzupfeifen, als Schlampen zu bezeichnen oder sie anzufassen wie und wo es ihnen gefällt? Frauen sollten nicht als sexuelle Objekte gesehen werden. Natürlich kommt es auch zu sexuellen Übergriffen gegenüber Männern, die von Frauen ausgehen, dennoch werden Frauen häufiger belästigt. Alle sollten mit Würde und Respekt behandelt werden. Heißt es nicht im ersten Artikel des Grundgesetzes, dass die Würde des Menschen unantastbar ist? Und weiter: „Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Wer sich nicht daran hält, muss mit den Konsequenzen leben. So etwas sollte nicht ungestraft bleiben. Also: Seid stark und wehrt euch, setzt Grenzen. Redet mit anderen darüber, sucht euch Hilfe und wenn es euch möglich ist, dann erstattet Anzeige. Auch wenn es sich dabei um eure*n Chef*in, Dozenten*in oder gute*n Freund*in handelt. Ihr habt ein Recht darauf. Zeigt ihnen, dass ihr stark seid und euch so etwas nicht gefallen lasst!


Titelbild: Marc Asmuß

Autor*in

Monique ist seit April 2017 Teil der Redaktion und studiert Kunstgeschichte sowie ur- und frühgeschichtliche Archäologie an der CAU.

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