Nietenarmbänder durchbrechen die Sylter Spießbürgerlichkeit 

„Punks stürmen die Insel Sylt“ – so heißt es dank des 9€-Euro-Tickets seit Juni. Eine Gruppe unzivilisierter „Ausgestoßener“ tummelt sich um das letzte Fleckchen Spießertum, das die deutsche Inselkultur noch zu bieten hat. Heute, wie vor fünfzig Jahren, fangen die Aperol-Trinkenden an, sich über die „Asozialen“ aufzuregen. 

Teure Autos, wertvoller Schmuck, gestriegelte Kleidung – Sylt ist vor allem als eins bekannt: Die Insel der Reichen und Schönen. Die Menschen wollen sehen und gesehen werden. In Sonntagskleidung an der Cocktailbar am Strand schlürfen sie ihre eisgekühlten Getränke oder machen mit ihren E-Bikes kleine Touren. Auf Sylt residiert die deutsche Oberschicht. 

Jetzt kommen ein paar Punks auf die Insel. Die Empörung ist groß, aber die Notwendigkeit noch viel größer. Neonfarbene Irokesen durchbrechen die Exklusivität der Insel. Das zeigt eins: Sylt ist und bleibt nur eine Insel. Statt mit funkelndem Schmuck und Champagner strahlt sie jetzt mit bunter Vielfalt. Die vermeidlich vom Spießertum annektierte Insel ist nun frei und zugänglich.   

Doch wieso hat es so lange gedauert, bis sich das nördlichste Stückchen Deutschland gegen den Snobismus auflehnen konnte? Wieso schafft eine Benzinknappheit das, was der Regierung lange nicht gelungen ist – die Vereinigung gesellschaftlicher Schichten?  

Was brauchte es, um endlich verschiedene Milieus auf die Insel zu bringen? Günstige Transportmöglichkeiten für die Allgemeinheit. Jetzt sind die Punks da und die Snobs regen sich auf. Doch sollten wir uns nicht viel mehr darüber aufregen, dass es so lange gedauert hat, bis sie ihren Weg nach Sylt gefunden haben? 

Autor*in

Nele studiert seit Wintersemester 2019/20 Politikwissenschaften und Deutsch an der CAU. Im Mai 2020 hat sie als Redakteurin und im Lektorat-Team beim ALBRECHT angefangen. Sie war bis zum SoSe 23 zwei Jahre lang Gesellschaft-Ressort-Leitung.

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