Ein Kommentar von Paul Niklaus Stahnke

Wer im November dieses Jahres bei der US-Präsidentschaftswahl seine Stimme abgeben darf, ist wahrlich nicht zu beneiden: Im Feld der verbleibenden fünf Kandidaten sind außer John Kasich alle noch in der Lage, die Nominierung ihrer Partei zu gewinnen.

Erster im Bunde ist Ted Cruz, Senator aus Texas und Prototyp des neuen Republikaners, mit stets gequältem Gesichtsausdruck. Ted Cruz hat im Geschichtsunterricht nicht aufgepasst und ist so der Meinung, die Vereinigten Staaten seien ein christlicher Staat. Er ist gegen Obamacare und Abtreibungen, steht an der Seite Israels, seine Einheitssteuer soll fast fünf Millionen neue Arbeitsplätze schaffen. Cruz‘ Programm sieht außerdem die Wiederauferstehung der amerikanischen Großmacht vor, mit ihr die Zerschlagung der ISIS und die Aufkündigung der Atomvereinbarungen mit dem Iran. Zu guter Letzt steht er für mehr Grenzsicherheit, die Werte der Verfassung und vor allem das Recht, Waffen zu tragen – was auch sonst, immerhin liebt er „Machine Gun Bacon“ (der übrigens mit einem Sturmgewehr hergestellt wird). Alles in Allem ist Cruz also der Archetyp des ‚Teabaggers‘, der ehemaligen Randgruppe der republikanischen Partei, die immer mehr den Mainstream der amerikanischen Konservativen zu bestimmen droht.

Momentan läuft Cruz im republikanischen Lager ein Politikneuling den Rang ab: Donald J. Trump. Als Milliardenerbe und „großartiger“ Geschäftsmann, der dennoch gut drei Viertel seines Erbteils verdaddelt hat, ist er laut Expertenmeinung (also seiner eigenen) der ideale Präsident. Nie kommt Donald etwas anderes als Selbstbeweihräucherung in den Sinn, er ist toll, groß, fantastisch, alles ist riesig und überhaupt, Scheiß-die-Wand-an-was-ist-das-schön-hier; genauer gesagt wird es eben so, wenn er erst einmal Präsident ist. Positionen sind bei ihm schwerer zu finden als Bescheidenheit: Er will eine Mauer an der Grenze zu Mexiko auf Kosten der Vereinigten Mexikanischen Staaten bauen lassen – zum Vergleichspreis von einem Waffeleisen je USBürger. Er will ISIS den Hintern versohlen, Folter wiedereinführen und zu guter Letzt Amerika wieder groß machen. Die meisten anderen seiner Positionen sind nicht klassisch konservativ und er widerspricht sich gerne, was seine wirklichen Überzeugungen zu Mutmaßung verdammt. Es sei aber noch angemerkt, dass er keine kleinen Hände habe. Vor allem aber gäbe es überhaupt größentechnisch – Sie wissen, was gemeint ist – keinerlei Probleme.

Ähnlich polarisierend wie Ivanka Trumps Vater ist der ehemalige Bürgermeister von Burlington, Vermont: Bernie Sanders. Er ist ein selbsterklärter Sozialist und zieht junge Menschen in Scharen an. Einen größeren Altersunterschied zwischen Hauptakteur und Zielgruppe gibt es höchstens in der Playboy Mansion. Bernie Sanders mobilisiert Wähler, die ansonsten nur kiffenderweise über Marx und Hegel diskutieren, politische Partizipation ist auf einmal wieder cool, die Menschen spüren, dass dort eine Bewegung existiert, die Veränderung bewirken kann, sie ‚feelen den Bern‘ und eilen zu den Wahllokalen statt zum Urologen.

In der eigenen Partei ist seine einzige Widersacherin die ehemalige First Lady und Außenministerin Hillary Clinton. Als Ex-Senatorin und langjährige Politikerin hat sie viele Kontakte, auch in die Geschäftswelt, die ihr Sanders immer wieder vorwirft. Ungeachtet dessen führt sie die Vorwahlen der Demokraten momentan an, scheint auf dem besten Weg dahin, Präsidentschaftskandidatin zu werden.

Das Traurige an der kommenden Wahl ist, dass sie aller Wahrscheinlichkeit nach keine wirkliche Wahl sein wird. Werden die beiden führenden Kandidaten gegeneinander antreten, so hat Amerika die Wahl zwischen der Fortführung der Politik Obamas und einem Schritt in Richtung Abgrund. Einzig Bernie Sanders kann eine Bewegung initiieren, die Amerika voranbringt. Die konservativen Kräfte sehen die Vereinigten Staaten kurz vor dem Untergang, wollen das Christentum wieder stark machen, verkaufen Pietät als ureigenen amerikanischen Wert ungeachtet der Tatsache, dass christlich sein als Ideal erst nach dem zweiten Weltkrieg aus Angst vor dem Kommunismus wirklich groß wurde. Ob Sanders‘ Sozialreformen auf der anderen Seite bezahlbar sind, ist angesichts der drohenden Veränderung der USA zu einer theokratischen Weltpolizei nebensächlich, Trump ist aus europäischer Sicht keine Alternative. Es bleibt zu hoffen, dass auch das amerikanische Heartland zu dieser Einsicht gelangt.

Titelbild: Wikimedia Commons

Autor*in

Paul war seit Ende 2012 Teil der Redaktion. Neben der Gestaltung des Layouts schrieb Paul gerne Kommentare und ließ die Weltöffentlichkeit an seiner Meinung teilhaben. In seiner Freizeit studierte Paul Deutsch und Anglistik an der CAU.

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