Wenn wir per Flugzeug ins außereuropäische Ausland reisen oder aus diesem zurückkehren, müssen wir durch die Passkontrolle. Die Grenzbeamt*innen schauen in unser kleines bordeauxrotes Dokument, das uns zeigt, wer wir sind, wo wir schon waren, wo wir gerade herkommen und vor allem, welche Staatsangehörigkeit wir besitzen. Bei wem unter Staatsangehörigkeit ‚Deutsch‘ steht, von dem ist auszugehen, dass er in Deutschland lebt und dort auch seine Heimat hat. Aber ist das wirklich so simpel? Definiert unser Pass oder unser Ausweis unsere Heimat?

Vorher muss aber geklärt werden, was Heimat und was eine Staatsbürgerschaft ist und wie diese erworben werden kann. Als Heimat wird meistens ein Land oder Ort bezeichnet, in dem man geboren und aufgewachsen ist oder sich durch ständigen Aufenthalt zuhause fühlt. Die Staatsbürgerschaft ergibt sich aus der Staatsangehörigkeit, also Nationalität, und sich ergebenden Rechten und Pflichten in dem Staat, dem eine Person angehört. Dazu gehört zum Beispiel auch Steuern zu zahlen. Heutzutage gibt es drei hauptsächliche Möglichkeiten, eine Staatsbürgerschaft zu erwerben: Das Geburtsortsprinzip (‚Ius soli‘), welches eine Staatsbürgerschaft an die verteilt, die auf dem Staatsterritorium geboren wurden und das Abstammungsprinzip (‚Ius sanguinis‘), welches die Staatsbürgerschaft an Kinder verteilt, deren Eltern selbst Staatsbürger des Staates sind. Außerdem ist es auch möglich, eine Staatsbürgerschaft durch Einbürgerung zu erwerben.

Wie hilft uns das jetzt bei der Beantwortung unserer Frage weiter? Schauen wir zuerst auf das Geburtsortsprinzip. Wenn jemand beispielsweise in den USA geboren wurde, aber seit 30 Jahren in Deutschland lebt, ist dann Deutschland die Heimat oder sind es die USA? Es muss natürlich darauf geschaut werden, wie lange jemand in seinem Geburtsland gelebt hat. Aber im Prinzip ist erkennbar, dass das Geburtsland nicht als Heimat gesehen werden muss, andersherum aber kann jemand sein Geburtsland als seine Heimat ansehen. Das Geburtsland ist nicht zwangsläufig auch die Heimat, es kann uns aber als eine Orientierung für unsere Wurzeln dienen.

Auch das Abstammungsprinzip hilft bei der Beantwortung der Frage, ob eine Staatsbürgerschaft Heimat definieren kann, nicht viel weiter. In den Zeiten der Aus- und Einwanderung kann uns das Abstammungsprinzip ebenfalls unsere Wurzeln aufzeigen. Gleichzeitig ist es nach diesem Prinzip möglich, dass eine Person nicht die Staatsbürgerschaft eines Staates erhält, obwohl sie in diesem Land geboren wurde. Dies ist der Fall, wenn beispielsweise ein Ehepaar aus Brasilien nach Frankreich zieht und dort ein Kind bekommt. Auch wenn das Kind die französische Kultur pflegt und sie besser kennt als die brasilianische, nur Französisch spricht und die Rechte und Pflichten Frankreichs anerkennt, kann das Kind nur durch Einbürgerung die französische Staatsbürgerschafte erlangen. Doch viele wollen in diesem Fall dennoch nicht die Staatsbürgerschaft des Landes annehmen, in dem sie geboren sind oder sehr lange leben. Sie möchten die Staatsbürgerschaft, die sie bisher besitzen, behalten, da sie diese sonst verlieren würden. Für viele ist die Annahme einer neuen Staatsbürgerschaft ein Hemmschuh, da so auch einen Teil der Kultur abgegeben wird. Bei dem Abstammungsprinzip kann erneut nicht genau die Heimat definiert werden, wieder nur lediglich die Wurzeln.

Die dritte Möglichkeit, eine Staatsbürgerschaft zu erlangen, ist die Einbürgerung. Hier müssen die Menschen, die in ein anderes Land gezogen sind und die Staatsbürgerschaft dort erhalten möchten, einen Einbürgerungstest absolvieren. Manche Staaten haben darüber hinaus noch weitere Anforderungen, beispielsweise einen Mindestaufenthalt im jeweiligen Land. Diese Möglichkeit ist die beste, um seine Heimat durch Staatsbürgerschaft zu definieren. Wer eine neue Heimat in einem anderen Land gefunden hat, kann dort die Staatsbürgerschaft annehmen und seine alte Staatsbürgerschaft abgeben und damit seine alte Heimat hinter sich lassen. Doch auch hier haben viele Hemmungen, ihre alte Staatszugehörigkeit abzugeben. Pia Kjærsgaard, die jetzige Vorsitzende des dänischen Parlamentes und Mitglied der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei, schrieb in einem Blog, sie fände, Staatsbürgerschaften seien wie eine Familienangehörigkeit. Wenn in eine Familie eingeheiratet werde, dann sollte die eigene Familie zurückgelassen werden. So sieht es Kjærsgaard auch in Bezug auf Staatsbürgerschaften: Wer nach Dänemark kommt und die dortige Staatsbürgerschaft annimmt, soll die alte nicht zusätzlich behalten und damit eine doppelte Staatsbürgerschaft besitzen dürfen. Doch Kjærsgaard hat Unrecht. Wenn geheiratet wird, kappt jemand den Kontakt zu seiner Familie nicht ab. Er wird sich wohl verringern, aber er wird nicht enden. So ähnlich verhält es sich doch auch mit Staatsbürgerschaften beziehungsweise doppelten Staatsbürgerschaften. Eine neue kann angenommen werden, aber die Wurzeln und Herkunft werden bewahrt oder zumindest in Erinnerung behalten.

Wie beantworten wir nun unsere Frage? Wenn wir auf das Geburts- und das Abstammungsrecht schauen, erkennen wir, dass diese es erschweren, Heimat per Staatsbürgerschaft zu definieren. Diese ist lediglich fähig, uns unsere Wurzeln aufzuzeigen. Nur bei der freiwilligen Einbürgerung ist es möglich, seiner Heimat durch Erwerb einer Staatsbürgerschaft Ausdruck zu verleihen. Doch auch ohne eine neu erworbene Staatsbürgerschaft können wir eine Wahlheimat haben, ohne dort Staatsbürger*in zu sein. Jede*r hat eine andere Heimat, ja vielleicht sogar zwei davon, welche ganz individuell sind. Eine Staatsbürgerschaft kann Heimat nicht explizit und nur sehr schwer erklären. Dies ist in Zeiten der Globalisierung auch immer schwerer geworden. Vielleicht sollten wir uns nicht mehr als Staatsbürger*innen sehen, sondern als Weltbürger*innen. Wir können uns überall da heimisch fühlen, wo wir es wollen. Eine Staatsbürgerschaft hält uns aber zumindest unsere Herkunft und Wurzeln in Erinnerung. Wer weiß? Vielleicht steht in 50 Jahren in unseren Pässen unter Nationalität: Welt.

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