Essen ist so viel mehr als ein Grundbedürfnis, findet Redakteurin Johanna. In ihrem neuen Beitrag zur Kolumne Kiel Kulinarisch geht sie auf Genuss-Recherche, um neue Trends rund ums Essen zu entdecken.

Ich muss gestehen, der Sommer war ein emotionales Hoch und Tief für Essbegeisterte wie mich. Die Traumtemperaturen hielten viele Versuchungen bereit (mein Highlight: Limetten-Basilikumeis), lockten mit reifen, süßen Früchten, leichten Lugana Weinen und spätabendlichen Tapasextasen. Doch das schöne Wetter wurde getrübt: Schleswig-Holstein ist von der schlechtesten Ernte seit 40 Jahren betroffen. Nach Angaben der Landwirtschaftskammer liegt der durchschnittliche Ertragsverlust bei Winterweizen bei rund 18 Prozent, bei den anderen Wintergetreidearten bei 25 bis 40 Prozent. Auch kommende Ernten bekamen eine düstere Prophezeiung. Kartoffelbauern rechnen mit der schlechtesten Ernte, die es je in Deutschland gab, Äpfel werden bis zu 20 Prozent teurer. Der Klimawandel schlägt zu.

Doch ich schweife ab. Statt weiter in landwirtschaftlich-düsteren Gedanken zu schwelgen, widme ich mich einem freudigeren Thema: Essenstrends. Was gibt es Neues in der Welt der Hochgenüsse?


De-Processing: Ein Leben in Einfachheit

Dass viele Food Trends amerikanischen Ursprungs sind, ist bekannt. Granola, Cupcakes, Oatmeal – bei diesen Trends scheint es, als müsse die deutsche Lebensmittelindustrie nur Altbekanntes neu betiteln um mehr daran zu verdienen. Knuspermüsli und Haferbrei sind eben nicht sexy. Auch hinter dem hippen Begriff De-Processing versteckt sich ein simpler, aber nobler Grundgedanke: Auf großartigen Schnick-Schnack, Zusatzstoffe, Verdickungsmittel und Geschmacksverstärker soll verzichtet werden. Es gilt das sogenannte „Küchenregal-Prinzip“, wonach nur natürliche und möglichst hochwertige Produkte verwendet werden, die jede*r auch zu Hause haben kann. Ein Trend, der immer stärker von Konsumenten verlangt wird, kommt nun auch bei Produzenten an. Es ist, für mich als Laie zumindest, auch ein sinniges Konzept: Weniger und dafür bessere Zutaten, das muss doch aufgehen? Mit dem De-Processing-Konzept wirbt beispielsweise das Berliner Start-Up-Unternehmen Brox, das Knochenbrühe als „The Real Superfood“ und „slow food“ anpreist. Mit zusatzstofffreier Bio-Brühe zurück zu traditionellen Werten. Bei einem Literpreis von 15 Euro frage ich mich jedoch, ob der Trend auch irgendwann für Studierende und andere Bevölkerungsschichten ausgerichtet wird, die kein Vermögen im Monat für Essen mit reinem Gewissen ausgeben können. Da hilft fürs erste nur: Knochen kaufen und ran an den Herd.


Healthy Hedonism: Gesunde Sinnlichkeit

Laut Food Report 2019 is(s)t Healthy Hedonism der Food Trend schlechthin und ein Lichtblick für alle, die gerne genussvoll essen wollen, ohne sich schlecht zu fühlen. Wie Ernährungswissenschaftlerin Hanni Rützler sagt: Healthy Hedonism ist „das Ende der Askese“. Dieser Trend schlägt eine Brücke zwischen zwei Bereichen, die in vielen Köpfen nicht unbedingt zusammenpassen: gesunde Ernährung auf der einen, Spontanität, Spaß und Genuss auf der anderen Seite. Der Trend bringt positive Impulse, Qualität und Vielfalt. Er wirft Slow Food, Flexitarier und Ernährungswissenschaften in einen Pott, heraus kommt keine behördliche Ernährungsauflage, wie zum Beispiel die bedrohliche Ernährungspyramide, sondern individuelle Genuss-Erfahrungen, die uns gut tun. Wichtige Komponenten sind stressfreie Essenszeiten, essfreie Zeiten, frische und neu interpretierte Gerichte von Orten, an denen kulinarischer Genuss einen höheren Stellenwert einnimmt als bei uns in Deutschland. Healthy Hedonism ist eine Verzichtserklärung an den Verzicht. Danke dafür!

 

 

Apropos Wohlfühlen: flauschiger Genuss

Ach ja, Katzen sind herrlich. Und Himmel nein, ich meine nicht in der Zubereitung. Das Internet bevölkern die Wonneproppen schon längst, unter Deutschen ist es eines der beliebtesten Haustiere. Was das mit essen zu tun hat? Gar nichts, außer man befindet sich in Asien. Aber natürlich werden die Schmusetiger auch nicht überall in Asien gegessen. In Japan hat sich ein Trend entwickelt, der mittlerweile globale Ausmaße annimmt: Die Eröffnung von Katzen-Cafés. Viele Japanerinnen  und Japaner sind zwar sehr tierlieb, haben aber zu wenig Freizeit für Haustiere. Katzen-Cafés sind da natürlich super, um seine wöchentliche Kuscheleinheit abzuholen. Katzen (und Kater natürlich!) sollen bekanntermaßen Stress lindern und entspannen. Nebenher gibt es dann natürlich auch all das, was ein katzenfreies Café zu bieten hat. Kiel hat (noch?) kein eigenes Katzenlokal, aber in Hamburg Eimsbüttel hat das Café Katzentempel eröffnet, in dem sechs Stubentiger aus dem Tierschutz die Gäste verwöhnen.

Herbstzeit ist Kürbiszeit

Ich gebe zu, der Kürbis ist jetzt kein bahnbrechend-neues Produkt. Und trotzdem stellt er für mich jedes Jahr aufs Neue das Herbst-Highlight dar und ist so gesehen ja auch irgendwie ein Trend. In diesem Jahr hat natürlich, wie sollte es anders sein, auch der Kürbis eine schwierige Ernte zu verzeichnen. Durch die andauernde Trockenheit begann die Ernte einen knappen Monat früher als sonst. Besonders gemein: Der heiße August hinterließ tatsächlich Sonnenbrand auf den Kürbissen, was wesentlich schneller zu faulen Stellen führt.

Und auch im Kürbis-Universum gibt es wieder eine angelsächsische Neuerung, denn es geht um das herrliche Pumpkin Spice. Als ich am Just Spices-Regal im Supermarkt vorbei ging, fiel es mir direkt ins Auge: Nun gibt es diese zauberhafte Gewürzmischung in Deutschland auch außerhalb der Onlineshops zu kaufen (da haben wir‘s, neu und trendy). Ich erinnerte mich an meine guilty pleasure moments, als ich Starbucks noch nicht boykottierte und mir für viel zu viel Geld einen Pumpkin Spice Latte kaufte. It‘s that time of the year. Jetzt ist das Heißgetränk flott selbstgemacht.

Kürbis eignet sich für weitaus mehr als Ofengemüse und Suppe. Versucht es doch mal mit einem Pumpkin Pie, einer leckeren Kürbisbuttercreme oder sogar Kürbiseis. Das Gewürz passt überall sehr gut zu und ist auch einfach selbst gemacht:

Pumpkin Spice

Zutaten für Pumpkin Spice Gewürz:
3 EL Zimt (gemahlen)
2 TL Ingwer (gemahlen)
2 TL Muskat (gemahlen)
1 ½ TL Piment (gemahlen)
1 TL Nelken (gemahlen)

Die Zubereitung ist hochkompliziert. Alle Zutaten werden in ein Marmeladenglas gegeben, dieses wird zugeschraubt und dann ordentlich geschüttelt. Wer mit seiner süßen Kürbiskomposition richtig auftrumpfen will, nimmt nicht den Dauerbrenner Hokkaido, sondern den feineren Butternut-Kürbis für ein perfektes Resultat.

 

Autor*in

Johanna schreibt seit Anfang 2015 vornehmlich für das Ressort Gesellschaft. Seit Februar 2017 ist sie Chefredakteurin des ALBRECHT. Sie studiert seit dem Wintersemester 2014 Deutsch und Soziologie an der CAU.

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