Die Kieler Ratsversammlung hat am 16. Mai 2019 den Klimanotstand ausgerufen. Damit ist Kiel nicht nur die dritte deutsche Stadt nach Konstanz und Ludwigslust, sondern auch die erste Landeshauptstadt, die diese Maßnahme ergriffen hat. Doch was genau bedeutet das eigentlich? Woran müsste Kiel noch arbeiten, um – wie angekündigt – noch vor 2050 klimaneutral zu werden?

Klimanotstand – was ist das?

In erster Linie bedeutet Klimanotstand, dass akute Gefahr für Klima und Mensch durch den Klimawandel droht. Daher ist es eine Aufforderung zu schnellem Handeln und zwar nicht mit bisherigen Mitteln, sondern mit außergewöhnlichen Maßnahmen. Nichtsdestotrotz bleibt es bloß ein politischer Appell, der das Thema zwar stärker in den Fokus rückt, doch ohne konkretes Handeln ein bedeutungsloser Begriff ist.

Der Ausruf des Notstandes wurde unter anderem durch die Proteste der Fridays For Future-Bewegung und durch den Druck der Grünen beeinflusst. Durch diesen Schritt erklärt die Ratsversammlung, dass sie den Klimawandel ernst nimmt. Der Klimanotstand soll hier nicht nur ein symbolischer Begriff sein

In Zukunft werden alle Entscheidungen der Verwaltung auf ihre Auswirkungen auf das Klima geprüft. Auch Gesetze sollen umweltfreundlicher gestaltet werden, das könnte durch strengere Energiegesetze, CO2-Steuern oder das Verbot von Plastiktüten erreicht werden. Generell wird angestrebt, dass die Stadt als Ganzes weniger zur Umweltbelastung beiträgt.

Welche Maßnahmen will Kiel ergreifen?

Die Ratsversammlung hat für die Erreichung der Kieler Klimaziele einen 14-Punkte-Plan vorgeschlagen. Einer der Punkte ist die Einberufung eines Gremiums namens Masterplan 100 Prozent Klimaschutz mit dem Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD) als Vorsitzenden. Dieses Gremium tagte zum ersten Mal am 28. Mai diesen Jahres. Zu den anderen Punkten gehören die Einrichtung einer Stabstelle „Mobilität“, die für die Einführung eines höherwertigen Öffentlichen Personennahverkehrs verantwortlich sein wird. Außerdem sollen die Investitionen für Radwege verdoppelt werden, zusammen mit einem stärkeren Ausbau der Velorouten. Anfang 2020 soll hierzu schon mit Radwegsanierugen begonnen werden. Bei Bauvorhaben wird zukünftig die regenerative Energieversorgung geprüft und verbessert. Des Weiteren wird angestrebt, das neue Küstenkraftwerk früher als geplant mit Bio-Erdgas zu betreiben und die Installation von Solaranlagen auf allen geeigneten Dächern der Stadt soll beschleunigt werden. Weitere Ideen werden noch erarbeitet und es soll auch eine Stelle eingerichtet werden, bei der Bürger*innen eigene Vorschläge einreichen können.

Der Bürgerinitiative Klimanotstand Kiel ist das aber noch nicht genug. Sie haben eigene Maßnahmen erarbeitet, von denen sie erhoffen, dass diese ebenfalls umgesetzt werden. Zum Beispiel verlangen sie eine autofreie Innenstadt ab 2020 und an einem Sonntag im Monat soll ein komplettes Fahrverbot in der ganzen Stadt herrschen. Außerdem fordern sie ein eigenes Dezernat für Klima, Umwelt und Natur, das bisher noch nicht besteht. Bis 2025 soll eine Stadtbahn und eine Stadtseilbahn in Betrieb genommen sein und ab 2030 soll Kiel für Verbrennungsmotoren gesperrt werden. Langfristig wollen sie ebenfalls einen kostenlosen öffentlichen Personennahverkehr, bis dahin soll ab 2020 das „Ein-Euro-Ticket“ eingeführt werden. Inwiefern diesen Forderungen nachgegangen wird, bleibt abzuwarten. Nach der Sommerpause, die Mitte August endet, wird der Ratsversammlung eine aktualisierte Beschlussvorlage vorgelegt. Dann entscheidet der Rat unter anderem auch über den 14-Punkte Plan.

Was muss noch verändert werden?

Ein weiterer wichtiger Punkt ist natürlich die Einsparung an Treibhausgasemissionen. Deswegen steht der Kieler Hafen unter Kritik: Dort boomt zur Zeit der Kreuzfahrttourismus, die Anzahl der Schiffe in Kiel hat sich in den letzten Jahren vervielfacht. So legten laut Angaben des Seehafen Kiels im Jahr 1990 nur 32 Kreuzfahrtschiffe in Kiel an, letztes Jahr hingegen waren es schon 166 mit insgesamt 600 000 Passagieren. Die Reederei MSC plant, noch größere Schiffe nach Kiel zu schicken (bereits diese Saison liegt am Ostuferhafen regelmäßig eines ihrer Schiffe, das rund 5 700 Passagiere aufnehmen kann). Des Weiteren wird der Terminal am Ostseekai weiter ausgebaut. Von Saison zu Saison kündigen sich mehr Schiffe an als im Jahr zuvor. Diese Entwicklung wird unter Anbetracht des Klimanotstands von vielen mit Sorge beobachtet. Hier könnte eine Maßnahme sein, Landstromversorgung im ganzen Hafen einzurichten, so wie am Norwegenkai.

Kiel hat also noch eine Menge Arbeit vor sich, um bis 2050 klimaneutral zu werden. Doch auch Kiels Bürger*innen müssen einen Teil dieser Arbeit auf sich nehmen. Jeder einzelne Mensch kann – und vor allem müsste – zum Umweltschutz beitragen. Nicht nur, um Klimaziele zu erreichen, sondern viel eher, um der Abwärtsspirale des Klimawandels zu entgehen.

Autor*in

Eileen studiert Soziologie/Philosophie und war von Januar 2022 bis Anfang 2024 Chefredakteurin. Sie leitete von Februar 2019 bis Anfang 2020 das Ressort für Gesellschaft. Danach war sie stellvertretende Chefredakteurin. Außerdem werden viele der Illustrationen im Albrecht von ihr gezeichnet.

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