Von meiner eigenen Haustür ist der Weg meist nicht weit, bis ich die erste, unscheinbare Kiste entdecke. In langweiligem Braun steht sie da, meist ist die Pappe schon etwas wellig von der Feuchtigkeit. Mit mal mehr, mal weniger schöner Schrift hat jemand mit Edding „ZU VERSCHENKEN“ draufgeschrieben. Das Äußere solcher Kisten macht nicht viel her, aber ihr Inhalt – der spricht eine andere Sprache. 

Ich bleibe ausnahmslos an jeder Kiste stehen und bestaune ihren Inhalt. Sie sind voll mit Schätzen verschiedenster Art: Tassen aus fernen Ländern, alten Büchern mit Widmungen oder Schallplatten, die meine Oma schon gehört hat. Ich liebe es, diesen Schätzen ein neues Zuhause zu schenken. Es fühlt sich an, als würde ich einen Teil eines anderen Lebens würdigen. 

Natürlich sind in solchen Kisten auch langweilige Kugelschreiber, benutzte Duftkerzen und ein Haufen Werbegeschenke. Aber auch diese Dinge können Menschen eine Freude bereiten, die vielleicht gerade ihren Lieblings-Kugelschreiber verloren haben oder die vom Geruch genau dieser Duftkerze an eine geliebte Person erinnert werden. 

Ja, ich weiß, ich beschreibe gerade durch eine rosarote Brille etwas, das gar nicht so romantisch klingt: Illegale Müllentsorgung. Aber wir können alle etwas tun, damit wir Kiels Schatzkisten ohne schlechtes Gewissen erkunden können. Schmeißt die Kiste weg, wenn ihr das letzte Teil genommen habt. Stellt die Kiste unter, wenn es anfängt zu regnen. Oder entsorgt den Rest, wenn sich seit ein paar Tagen niemand mehr etwas genommen hat. Dann ist es zwar immer noch illegale Müllentsorgung, aber in ihrer allerschönsten Form. 

Autor*in
stellvertretende Chefredakteurin

Mira ist 22 Jahre alt und studiert seit dem WiSe 2020/21 Soziologie und Deutsch an der CAU. Sie ist seit November 2020 Teil der ALBRECHT-Redaktion und leitete ab Februar 2021 für ein Jahr das Ressort Hochschule. Ab Februar 2022 war sie für ein Jahr die stellvertretende Chefredakteurin.

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