Ein Bericht von den November-Festivals Rolling Stone Weekender und Metal Hammer Paradise am Weissenhäuser Strand

Novemberzeit ist Festivalzeit im Ferienpark Weissenhäuser Strand an der Ostsee. Hier steigt seit 2009 der Rolling Stone Weekender und seit letztem Jahr auch dessen kleiner Bruder das Metal Hammer Paradise. Die musikalische Ausrichtung mag dabei konträr sein (Indie, Folk und Americana auf der einen, Heavy Metal in all seiner Bandbreite auf der anderen Seite) – das Konzept ist in beiden Fällen das gleiche: Alle Bühnen sind „Indoor“, wie es der Fachmann anglizistisch ausdrückt, gebucht wird nicht nur das Ticket, sondern auch die Unterkunft in Hotelzimmer oder Ferienwohnung. Die übergeordnete Running Order drehte sich dabei in diesem Jahr um, anders als 2013 darf erst der Rolling Stone ausrichten, eine Woche später ist dann das Schwestermagazin an der Reihe. Das lädt natürlich zu Spekulationen ein: Hatte man sich 2013 dabei verausgabt, die Biersuppe binnen einer Woche wieder vom Boden zu entfernen? Hatten die Gäste des Weekenders sich im Nachhinein beschwert, dass es vor der Bühne „irgendwie nach Metaler“ müffle? Oder hatte man es schlicht nicht geschafft, in sechs Tagen alle Schnapsleichen wieder aus den Vorgärten der Bungalows zu wuchten?

Dem Erfolg ist der Tausch jedenfalls nicht abträglich, alle 4.500 Betten sind 2014 restlos ausgebucht. Das mag an einem gelungenen Vorjahr – bekanntlich die beste Werbung für ein Festival – liegen oder daran, dass das traditionell eklektische Line-Up diesmal verstärkt auf die sonst eher etwas stiefmütterlich behandelte Karte Rock ‘n Roll setzt: Triggerfinger, St. Vincent, Blood Red Shoes und Bob Mould ballern jedenfalls, dass es eine reine Freude ist. Der negative Nebeneffekt: Die ruhigeren Vertreter, die die Veranstaltung in den Vorjahren dominierten, fallen dagegen zumeist ab. Am deutlichsten wird das beim Solo-Auftritt des Americana-Helden Sam Beam alias Iron & Wine, zu dessen Akustik-Gitarre das Publikum ungeduldig mit den Füßen schart. Iron & Maiden wäre ihm sichtbar lieber gewesen.

Auffällig ist auch, dass die Veranstaltung, die traditionell mit einem Altersschnitt jenseits der 50 zu Buche schlägt, besonders in Hinblick auf die männlichen Besucher 2014 deutlich verjüngt wurde. Ohne es im Detail durchrechnen zu können, scheinen einzelne Konzerte in diesem Jahr erstmals als Ü40-Veranstaltungen klassifizierbar zu sein, was die These bestätigt, dass 40 für Frauen ja das neue 30 sein mag, bei Männern aber offensichtlich 25 das neue 50 ist. Deshalb nimmt hier im Gegensatz zu den Sommerfestivals auch niemand seine Begleiterin auf die Schultern – in dem Alter hat man es ja schließlich im Kreuz.

Foto: jd
Foto: jd

Dieser Trend scheint sich in der Folgewoche fortzusetzen: Das Paradise präsentiert sich mit 3.500 Besuchern deutlich besser ausgelastet als noch im Vorjahr, ein Zulauf den man eindeutig den zahlreichen Mittzwanzigern zu verdanken hat, deren Altersgruppe beim Debüt noch eher unterrepräsentiert war. Da liegt der Verdacht nahe, dass viele die keine Wacken-Tickets für 2015 mehr bekommen haben das gesparte Geld für ein Zimmer am Strand genutzt haben. Richtig agil ist man aber auch hier nicht: Auch auf Aufforderung möchte man an diesem Wochenende keine gepflegte Wall of Death anzetteln und auch die Circle Pits eiern eher träge als gepflegt zu rotieren.

Dabei ist das Line-Up weitgehend formidabel, sieht man vom gelegentlichen Hang zum Unvermeidlichen einmal ab. Auch hier tummeln sich leider gelegentlich jene Bands, die Sommer für Sommer an jeder Steckdose spielen und vom Publikum eher aus einer seltsamen Art des Pflichtgefühls als aus Begeisterung angeschaut werden. Bestes Beispiel: Doro Pesch, die in den 1980er mangels Konkurrenz und weil niemand schnell genug widersprechen wollte, einfach mal zur „Queen of Metal“ ernannt wurde und dieses Amt bis heute innehat. Tatsächlich ist sie aber weniger die Queen Mum, als vielmehr die Maggie Thatcher der Szene, unter deren in Schulenglisch abgefassten, stets viel zu euphorisch dargebotenem 08/15-Hardrock mittlerweile ganze Generationen zu leiden hatten.

Fun-Fact am Rande: Von englischsprachigen Bands artikuliert, klingt der Veranstaltungsort übrigens frappierend nach „Waisenhaus“. Wo in diesem Fall die Eltern der Festivalbesucher geblieben sind? Wahrscheinlich liegen sie noch als Schnapsleichen in den Vorgärten.

Ausblick

Beide Festivals gehen 2015 in eine neue Runde, der Rolling Stone Weekender am 6. und 7., das Metal Hammer Paradise am 13. und 14. November. Der Vorverkauf hat bereits begonnen.

Autor*in

Janwillem promoviert am Institut für Neuere deutsche Literatur- und Medienwissenschaft. Er schreibt seit 2010 regelmäßig für den Albrecht über Comics und Musik, letzteres mit dem Schwerpunkt Festivalkultur.

Share.
Leave A Reply