Eine Frau sitzt auf einer Bank, neben ihr lehnt ein Maschinengewehr. Sie ist barfuß. Sie schaut auf ihre Hände, die zwischen ihren Beinen ein Dreieck formen: Das Symbol für den Ursprung der Welt – die Vulva. Das ist das Titelbild des Comics von Liv Strömquist, das 2014 auf Schwedisch und in diesem Jahr auch auf Deutsch erschien. Darin arbeitet sie Mythen, Fehlinformationen, Tabus und die wichtigsten Themen auf, die das primäre weibliche Geschlechtsorgan mit all seinen zugehörigen Teilen umgeben und rückt damit etwas in den Fokus, das dort jahrhundertelang von der Gesellschaft nicht sein durfte.

Das Comic ist unterteilt in fünf Kapitel. Im ersten, Männer, die sich zu sehr dafür interessierten, was als ‚das weibliche Geschlechtsorgan‘ bezeichnet wird, beschreibt sie Männer, die zur Tabuisierung der Weiblichkeit beitrugen, indem sie die Geschlechtsteile, Menstruation oder die Selbstbefriedigung von Frauen als unrein, sündig oder unreif einstuften. Der Vaginalöffnung widmet sich Strömquist im Kapitel umgekehrter Hahnenkamm – beziehungsweise der systematischen Negierung der Existenz äußerer Geschlechtsteile in der Vergangenheit.

Ursprung-der-WeltDas Kapitel zum Orgasmus mit dem passenden Titel AAHHAA unterbricht das lang andauernde Schweigen oder Unterdrücken, das zum Thema gleichberechtigte Orgasmen oder der wissenschaftlichen und sexuellen Erforschung der Klitoris herrscht. Und wo über die weiblichen Geschlechtsorgane gesprochen wird, darf das Thema Menstruation nicht fehlen. In Blood Mountain analysiert, karikiert und kritisiert Strömquist Mythen und Tabus rund um die monatliche Blutung und das Prämenstruelle Syndrom.

Optisch dominieren im Comic die Nicht-Farben Schwarz und Weiß, nur ein Teil ist koloriert. Zum Beispiel ist in dem Kapitel über Menstruation passenderweise die Farbe Rot integriert. Das Layout ist darüber hinaus durch die Verwendung vieler Satzzeichen und diverser Schriftgrößen geprägt, um Ironien oder Misstände im Umgang mit dem weiblichen Geschlechtsorgan unterschiedlich betonen zu können. Die einzelnen Zeichnungen sind, obwohl teilweise selbsterklärend, durchgehend kommentiert und mit Erklärungen und Quellenangaben versehen. Der Gedankengang der Autorin wird außerdem strukturiert und unterstützt durch teils erdachte, teils echte O-Töne historisch Beteiligter oder symbolhaft Betroffener. Deren Auftreten bringt durch Absurdität, Überzeichnung und vor allem verblüffende Tatsachen den Leser dazu, zu lachen, sich zu ärgern, zu reflektieren und sich über die unsinnige, aber effektive Unterdrückung der Vagina zu wundern.

Was diese Ignoranz und Unterdrückung bei dem weiblichen Teil der Menschheit anrichten können, verdeutlicht das Kapitel Feeling Eve oder: Auf der Suche nach Mamas Garten. Es enthält eine Auflistung von Tabus und führt sie gleichzeitig ad absurdum. Denn hier erzählt die Eva aus der Schöpfungsgeschichte als Symbol für jede Frau, die jemals gelebt hat, Dinge, über die sonst wenig geredet wird und die deshalb mit Scham besetzt sind. Durch die unterschiedlichen Geschichten über Menstruation, Lust, die eigenen Geschlechtslippen und sexuelle Belästigung wird dem Leser sowohl die Scham, die bei den Evas jedes Thema der weiblichen Sexualität umgibt als auch die von Strömquist angeprangerte Fatalität und Absurdität dieses über Jahrhunderte künstlich geschaffenen Gefühls bewusst.

Autorin Liv Stömquist
Autorin Liv Stömquist

Das Buch mag für viele Leser provokant wirken – und deshalb ist es so wichtig! Denn Liv Strömquist macht in ihren Zeichnungen auf geniale Art deutlich: Eine Thematisierung der weiblichen Geschlechtsteile, von Menstruation, Orgasmus und ‚Frauenthemen‘ ist nötig, und sollte nicht provozieren, sondern muss normal stattfinden können. Noch dominieren Tabus, und die damit verbundene Ablehnung dieser Themen als ‚provokant‘ oder ‚anstößig‘ im Gespräch um weibliche Belange – ein Status, der für Mädchen und Frauen nicht tragbar ist.

Das Kapitel Feeling Eve schließt mit dem Frage der hilflosen, beschämten Eva: „Gibt es etwas, dass man dagegen tun kann?“ Ja, man kann etwas tun, liebe Eva, und zwar gegen die Scham. Denn die Belastung, die Mädchen und Frauen permanent fühlen ist bedingt durch die Tabus und die Tradition des Versteckens weiblicher Belange. Doch die Zeiten des Versteckens müssen nun beendet werden und Liv Strömquist leistet mit Der Ursprung der Welt einen starken und witzigen Beitrag dazu, der die Leser*innen nicht unberührt lassen kann.


Bildquellen: avant-verlag

Autor*in

Studiert seit 2013 Psychologie in Kiel, und frönt dem ALBRECHT seit dem Wintersemester 2014/15, von 2015 bis 2017 als Bildredakteurin und von Januar 2017 bis Januar 2018 als stellvertretende Chefredakteurin.

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