Von vergessenen Lebenszielen und dem Sinn des Lebens

Der erste Roman der amerikanischen Autorin Lori Nelson Spielman mit dem Titel Morgen kommt ein neuer Himmel, im englischen Original The Life List, brachte ihr den internationalen Durchbruch. In Deutschland wurde das Buch zum Jahresbestseller 2014 in der Kategorie Belletristik.

Die Handlung spielt in Michigan, USA, und erzählt von einer jungen Frau, die vom Tod ihrer Mutter aus der Bahn geworfen wird. Die Mutter hinterlässt ihrer Tochter und zwei Söhnen nicht nur ein millionenschweres Unternehmen und viel Geld, sondern speziell der Tochter eine Liste mit Lebenszielen. Diese Liste schrieb die Protagonistin Brett 20 Jahre zuvor im Alter von 14 Jahren. Die damals im Papierkorb gelandete Liste hob die Mutter all die Jahre auf, strich die Ziele durch, die ihre Tochter im Laufe der Zeit bereits geschafft hatte und verlangt in ihrem Testament, dass ihre Tochter die restlichen Lebensziele erfüllt, bevor sie ihr Erbe erhält.

Die Geschichte beginnt am Tag der Beerdigung der Mutter in deren Haus, als Brett sich von den Gästen allein in das Schlafzimmer der Mutter zurückzieht und die teure Flasche Champagner leert, die ihre Mutter zu Beginn der Krankheit gekauft hatte, um damit anzustoßen, wenn sie wieder gesund werde. Am darauffolgenden Tag bei der Testamentseröffnung erbt die Protagonistin zunächst augenscheinlich nichts und ist davon verwirrt und verunsichert, dass nicht sie selbst, sondern ihre Schwägerin, die ebenso wie sie selbst schon im Familienunternehmen arbeitete, die erwartete Geschäftsführung des Unternehmens erbt.

In einem Vier-Augen-Gespräch nach der Testamentsverlesung erzählt der Anwalt von der Liste und von Briefen, die die Mutter für ihre Tochter zu jedem Lebensziel geschrieben hat, die sie bekommen soll, wenn die jeweiligen Etappen erreicht sind. Auf der Liste mit den Lebenszielen stehen unter anderen Punkte wie ,ein Kind bekommen‘, ,einen Hund anschaffen‘, ,armen Menschen helfen‘, oder auch ,in den Richtigen verlieben‘, wobei sie eigentlich schon einen Freund hat. Für diese Liste bekommt die Tochter von der Mutter bloß ein Jahr Zeit. Zunächst möchte sie dem Wunsch der Mutter nicht nachkommen, hinterfragt deren stets gute Beziehung zueinander und kann die Beweggründe der Mutter nicht nachvollziehen.

Mit der Unterstützung ihrer Freundinnen und besonders des Anwalts der Mutter, der ihr nach jedem erreichten Ziel den dazugehörigen Brief vorlesen soll – so war es der Wunsch der Mutter – arbeitet sich die junge Frau den Zielen entgegen. Sie überdenkt ihre Lebensweise und fragt sich bei vielen Dingen, die sie neu angeht, ob es das ist, was ihre Mutter für sie gewollt hätte, vergisst dabei zu Beginn oft, darauf zu hören, was ihr eigener Wunsch ist. Nach einiger Zeit erreicht sie die ersten Ziele und wird auch für sich selbst – nicht nur für die Mutter – immer ehrgeiziger beim Erreichen der einzelnen Punkte.

Der Roman fesselt von Beginn an und nimmt einen mit auf eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Die Autorin schafft es, den Leser in die Geschichte hineinzuziehen, sodass er mitfiebert bei den einzelnen Etappen, bangt, ob die Protagonistin scheitert und sich in sie hineinversetzen kann. Einzelne Charakterzüge und Entscheidungen werden so geschildert, dass der Leser sich selbst darin wiederfinden kann. Die Geschichte regt den Leser zum Nachdenken über die eigenen Ziele und Wünsche an, erinnert jedoch in der Thematik an viele schon bekannte Bücher über die altbekannten Selbstfindungsprobleme unzähliger anderer Charaktere. Dieser Aspekt überschattet jedoch nicht die gesamte Handlung, sodass sie nicht wie alte Kamelle wirkt. Das Ende der Geschichte erschien jedoch etwas abrupt, wie ein alter Liebesfilm, der direkt nach dem Happy End zuende ist.  Gerne hätte das auf ungefähr 20 weiteren Seiten noch ein wenig ausführlicher erzählt werden können. Über dieses kleine Manko lässt sich jedoch hinwegsehen, sodass Morgen kommt ein neuer Himmel ein ergreifender und sehr zu empfehlender Roman ist.


Quelle Titelbild: mit freundlicher Genehmigung des S. Fischer Verlag

Autor*in

Judith ist seit April 2015 beim ALBRECHT. Sie studiert Deutsch und Geschichte auf Fachergänzung seit dem Wintersemester 2013/14.
Sie leitet das Lektorat des ALBRECHTS.

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