Wenn die Forschung keine Antwort gibt, kommt oft die Fantasie des Menschen ins Spiel. Das Kuscheltier als Glücksbringer auf dem Schultisch während der Klassenarbeit, das vierblättrige Kleeblatt im Seitenfach des Portemonnaies oder der Schutzengel, der vom Rückspiegel des Autos baumelt – Aberglaube ist allgegenwärtig und fest in unserer Gesellschaft verankert. Losgelöst von traditioneller Religion, ist Aberglaube der als irrsinnig bezeichnete Glaube an übernatürliche Kräfte und entstand immer dann, wenn Menschen sich bestimmte Geschehnisse nicht erklären konnten.

Eine Studie des Meinungsforschungsinstituts Allensbach ergab, dass 42 Prozent der deutschen Bevölkerung an Glücksbringer wie zum Beispiel vierblättrige Kleeblätter glauben. 40 Prozent sind davon überzeugt, dass Sternschnuppen Glück verheißen. Fast jeder Dritte fürchtet die Zahl 13 und 25 Prozent haben Angst vor einer schwarzen Katze, die den Weg kreuzt.

Du bist dir sicher, dass du nicht abergläubisch bist? Folgende Beispiele aus unserem Alltag könnten dich eines Besseren belehren:

1. Schau‘ mir in die Augen, Kleines!

Sich beim Anstoßen nicht in die Augen zu gucken oder sich gar überkreuzt zuzuprosten, gibt bekanntlich sieben Jahre schlechten Sex. Und wer will das schon? Das wird jedoch nicht in allen Ländern gleich gehandhabt.

In Italien beispielsweise wird das Glas nach dem Anstoßen noch einmal abgesetzt. Wird mit Plastik- oder Pappbechern angestoßen, dürfen sich lediglich die Handrücken berühren. In Spanien wird aus abergläubischer Angst vor Unglück niemals mit nicht-alkoholischen Getränken angestoßen. Schwedische Landsleute blicken sich während des Anstoßens und kurz vor dem Absetzen des Glases in die Augen.

Das Anstoßen an sich stammt aus dem Mittelalter und sollte möglichst viel Lärm erzeugen und damit Dämonen verscheuchen. Gleiches gilt übrigens für das Feuerwerk an Silvester. Ein weiterer Grund für das Anstoßen war die Angst davor, vergiftet zu werden. Das durchs Anstoßen von einem Glas ins andere überschwappende Getränk sollte Gewissheit geben, kein Gift ins Glas gemischt bekommen zu haben.

2. Hand vor den Mund!

Auch sich beim Gähnen die Hand vor den Mund zu halten, hat seine Wurzeln im Mittelalter. Es hieß, durch einen weit geöffneten Mund bestünde die Gefahr, Geister könnten ins Körperinnere eines Menschen gelangen und dieser daraufhin dem Teufel verfallen. Gähnen ohne Hand vor dem Mund war vielerorts ein Todesurteil, da vermutet wurde, häufiges Gähnen weise auf Besessenheit oder eine Pesterkrankung hin. Das Gähnen wurde in der Öffentlichkeit, soweit es ging, vermieden. Nur bei Paaren mit Kinderwunsch galt ein anderes Gesetz, denn würde die Frau nach dem Sex gähnen, sei eine Schwangerschaft so gut wie sicher.

3. Ich drücke die Daumen!

Dieses abergläubische Ritual stammt aus dem Römischen Reich. Hatte das Publikum Mitleid mit dem gescheiterten Kämpfer, symbolisierte es dies, indem die Zuschauer*innen den Daumen einschlugen und drumherum eine Faust formten. Dadurch baten sie den Rivalen, das Schwert einzustecken und Gnade über den Verlierer walten zu lassen.

Germanische Völker versprachen sich vom Daumen übernatürliche Kräfte, um beispielsweise Krankheiten heilen zu können. Gehängten Dieben wurden die Daumen abgehackt, da diese als ,Glücksdaumen‘ galten und bei Glücksspielen für Erfolg sorgen sollten.

4. Klopf‘ dreimal auf Holz!

Wer es noch nicht wusste: Die Drei ist eine Glückszahl! Drei steht im Christentum für die Dreifaltigkeit, also den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist. Im frühen Mittelalter wurde auf Holz geklopft, um den Beistand Gottes zu erbitten.

Auch für Schiffsleute hatte die Dreimal-Klopfen-Regel eine große Bedeutung. Die Töne, die beim Klopfen auf das Schiffsholz entstanden, gaben dem Seemann die Gewissheit über den Zustand des Schiffs. Helle Töne bedeuteten gesundes, dunkle Töne wiederum morsches Holz.

5. Schornsteinfeger bringen Glück!

Bereits damals galt, dass an Tagen, an denen ein Schornsteinfeger gesehen wird, eigentlich gar nichts mehr schiefgehen kann. Den Grund dafür kennt jedoch kaum jemand: Im Mittelalter waren viele Häuser brandgefährdet und fingen schnell Feuer. Der Schornsteinfeger reinigte also nicht nur den Kamin von Ruß und Dreck, sondern verscheuchte nebenbei auch noch ein paar böse Geister, die mutmaßlich für Brände und anderes Unheil im Haus verantwortlich waren.

6. Dreizehn – Glück oder Unglück?

Triskaidekaphobie – die Angst vor der Zahl 13. Doch warum fürchten sich so viele vor einer eigentlich harmlosen Zahl? Der Ursprung stammt aus dem Christentum, da Judas die 13. Person beim letzten Abendmahl war und Jesus verriet, der daraufhin an Karfreitag gekreuzigt wurde. Freitag, der 13. gilt seitdem als Unglückstag.

Und nicht nur das: In Flugzeugen fehlt oftmals die Sitzreihe mit der Nummer 13 und Hotels verzichten auf diese Zahl als Zimmernummer, oder sogar auf das gesamte 13. Stockwerk. An jedem Freitag, den 13. setzt die US-Wirtschaft eine halbe Milliarde Dollar weniger um, da die Menschen an diesem Tag weniger fliegen oder Verträge abschließen. Laut einer Flugsuchmaschine kostet ein Flugticket an einem Freitag, den 13. im Schnitt ein Viertel weniger als der Durchschnittspreis. Und laut der Kaufmännischen Krankenkasse melden sich an einem Freitag, den 13. drei- bis fünfmal so viele Leute bei der Arbeit krank als im Vergleich zum Monatsdurchschnitt.

Die Wissenschaft hinter dem Glauben

Die operante Konditionierung ist das psychologische Phänomen, das hinter dem Aberglauben steckt, und wurde durch ein Experiment an Tauben bewiesen. Den Tauben wurde in regelmäßigen Abständen Futter in ihren Käfigen gegeben. Beobachten ließ sich daraufhin, dass die Tauben einen Aberglauben entwickelten, da sie zu glauben schienen, durch ein bestimmtes Verhalten Einfluss auf die Futterausgabe nehmen zu können. Bei 75 Prozent der Tauben konnte dieses Verhalten beobachtet werden, beispielsweise eine verstärke Kopfbewegung kurz vor und während der Fütterung. Menschen verhalten sich ähnlich, zum Beispiel wird ein Pullover, der einem in einer anderen Situation Glück gebracht hat, eher wieder angezogen, wenn man erneut Glück gebrauchen kann.

Eine weitere Erklärung für die Existenz von Aberglauben ist der sogenannte Bestätigungsfehler. Aufgrund einer Wahrnehmungsverzerrung schenken wir eher den Dingen Beachtung, die die Theorie unseres Aberglaubens unterstützen. Hatten wir an einem Freitag, den 13. jedoch einmal Glück, vergessen wir die Tatsache und erinnern uns erst wieder, wenn an diesem Tag etwas Schlechtes passiert ist. Dieser Trugschluss bestätigt unsere Befürchtungen und somit unseren Aberglauben umso mehr.

Autor*in

Anika studiert BWL an der Fachhochschule Kiel. Seit September 2019 ist sie beim ALBRECHT als Redakteurin tätig, seit Januar 2020 zusätzlich als Ressortleiterin der Gesellschaft.

Share.
Leave A Reply