Ein Interview mit Bernd Lensch über Ehrenamt, Drachenboote und Kiel als Wassersportstadt 

Am 9. und 10. September hat sich den Kieler:innen an der Hörn ein besonderes Spektakel geboten: Zwanzig Menschen sitzen zusammen in einem 13 Meter langen Boot und paddeln mit anderen um die Wette. Vorne befinden sich bunte Drachenköpfe an den überdimensionalen Kanus, am Bug sitzt eine Person und trommelt, einige tragen Kostüme. Klingt skurril? Ist aber inzwischen zum 15. Mal Tradition in der Landeshauptstadt. Gemeint sind die Rennen der Kieler Drachenboottage. Nächstes Jahr finden sie wieder im September statt und alle dürfen mitmachen, auch Teams von Studierenden.

Die Freude ist groß: Bernd Lensch (links) überreicht den Pokal des Schul-Cups 2022.

Wir haben mit dem Organisator dieser Rennen gesprochen. Bernd Lensch ist erster Vorsitzender des Kieler Sportverbands, der für rund 200 Sportvereine und 63 000 Mitglieder verantwortlich ist. Weiter ist Lensch der Hauptorganisator der Kieler Drachenboottage, die jährlich in Kiel ausgerichtet werden. Kürzlich wurde er für sein sportliches Engagement im Ehrenamt auf Bundesebene ausgezeichnet. Doch schon als Jugendlicher war er begeisterter Kanufahrer und begann seine Karriere im Ehrenamt bereits mit 15 Jahren, als er aus einer Laune heraus Jugendsprecher wurde. Seitdem hat er den ‘Absprung’ nicht mehr geschafft, wie er schmunzelnd zugibt. Er hat uns von seiner Leidenschaft für diese Arbeit, der Entstehung der Drachenbootrennen und den Hürden im Ehrenamt erzählt.  

Was motiviert dich im Ehrenamt? 

Bernd Lensch bei der Siegerehrung des Drachenbootrennens 2022 mit Ministerpräsident Daniel Günther

Es reizt mich, zu sehen, wie toll Bewegung ist. Wie sehr Jugendliche auf Bewegung zusteuern. Ich glaube, dass einige zuhause eher gebremst werden, aber sie wollen sich bewegen, etwas tun. Dies zu ermöglichen, auch für Erwachsene, das macht Spaß. Das konnten wir auch wieder beim Drachenbootrennen sehen. Es ist schön, etwas zu organisieren und danach die Dankbarkeit und das Leuchten in den Augen der Menschen zu sehen.

Inwiefern hat sich das Ehrenamt seit deinem Einstieg verändert?  

Als Jugendsprecher wusste ich nicht, was auf mich zukam. Es wurde weder viel verlangt noch viel erwartet. Als ich das Amt des Sportwarts der Rennkanuten übernahm, erwarteten mich auf einmal Aufgaben, mit denen ich anfangs nicht umzugehen wusste. Wir mussten zum Beispiel Geld sammeln, um zwei Kanuten nach Australien zu den Weltmeisterschaften zu schicken. Das war damals noch einfacher, inzwischen ist immer mehr dazugekommen. Heute muss man im Ehrenamt vermehrt administrative Tätigkeiten übernehmen

. Man befindet sich immer stärker in der Verantwortung und sitzt häufiger am Schreibtisch. Das ist schade und bremst viele auch aus. Ich mache vielleicht schon etwas zu viel, meine Tage sind meistens gut gefüllt. Letzten Endes haben wir alle eine Arbeit, ein Privatleben und Familie, das sollte auch immer vorgehen, genau wie die Gesundheit. Deswegen wird niemand dazu gedrängt, mehr Aufgaben zu übernehmen, als geleistet werden können. Je mehr Menschen mitmachen, desto weniger muss die einzelne Person tragen. Das Ehrenamt ist ein hohes Gut in Deutschland, das gibt es nicht in so vielen Ländern.

Dass man wie bei uns mit 15 ein Ehrenamt bei Sportvereinen, das Rote Kreuz oder Feuerwehren übernimmt und dort hineinwächst, ist ein Bindeglied der Gesellschaft, das wir nicht verlieren dürfen. Bei der Debatte um G8 habe ich auch dagegen gekämpft, weil die Kinder so keine Zeit mehr haben, in die Sportvereine zu gehen. Und das muss man den Politiker:innen auch immer wieder aufzeigen.  

Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit den Kommunen? Zieht ihr an einem Strang oder stoßt ihr eher auf Gegenwind? 

Ich habe bisher gesehen, dass die Kommunen meistens bereit sind, dem Sport zu helfen. Tatsächlich ist es so, dass sie froh sind, dass es das Ehrenamt gibt, und wir laufen meistens bereits offene Türen ein. Wir können innerhalb von der Politik und den Behörden etwas erwarten, aber man muss auch dementsprechend Leistung bringen. Wir können nicht nur fordern, wir müssen auch geben. Es gibt hier auch keine Seiten, wir machen das Ganze gemeinsam und ich sehe nicht, dass uns dabei Steine in den Weg gelegt werden.  

Seit 2006 organisierst du das Drachenbootrennen in Kiel und dieses Jahr waren, trotz der Pause von drei Jahren, wieder 85 Mannschaften dabei. Wie bist du damals auf die Idee gekommen?  

Die Hörn füllt sich seit 2006 jährlich mit dem Drachenbooten, Eine Ausnahme machten nur die Corona-Jahre

Am Anfang hätte ich niemals gedacht, dass es so endet wie jetzt. Ich bin 1991 in Rostock zum ersten Mal ein Drachenboot gefahren. Es war toll, ich habe es aber aus den Augen verloren. 2005 wurde ich dann gefragt, ob ich den Regattasprecher für ein Drachenbootrennen in Neumünster machen kann. Das war das erste Mal, dass ich die Boote in einem Rennen gesehen habe und ich war davon so fasziniert, dass ich abends nach Hause gekommen bin und beschlossen habe, das auch nach Kiel zu bringen.

Ich wusste, dass wir rund 40 Mannschaften antreten lassen können, aber ich habe immer von 50 geträumt. Und im ersten Jahr kamen 76 Teams nach Kiel. Die Hörn ist das schönste Drachenbootstadion in Deutschland. Es ist traumhaft, die Kieler Nachrichten haben einmal geschrieben: „Es ist über Nacht um die Hörn ein Dorf entstanden“. Es werden neben den Rennen Pool- und Strandpartys gefeiert und jedes Jahr lassen sich alle Teams so viel einfallen, dass immer etwas los ist. 2006 haben wir noch gesagt, dass wir das Ganze nur vier oder fünf Mal organisieren und dann hören wir auf, aber es macht so viel Spaß, dass ich dabeigeblieben bin.  

Es gibt den Schul-Cup und den Fun-Cup – kam der Schul-Cup erst später dazu? 

Ja, der kam erst später. Nach etwa drei Jahren habe ich meine Sponsoren eingeladen und habe gesagt, mein Traum ist es, die Jugend zu bewegen. Ich wollte einen Schul-Cup auf die Beine stellen, aber dafür brauchte ich Geld. Meine Sponsoren waren so begeistert, dass wir eine Woche später das nötige Geld beisammenhatten und den Schul-Cup auf organisieren konnten. Und der hat sich sehr positiv entwickelt – teilweise kamen 1 200 Kinder von überall her, um am Rennen teilzunehmen.  

Im Fun- und SchulCup treten die Teams jeweils gegeneinander an

Wie genau läuft ein Drachenbootrennen ab? 

Es gibt einen leichten Unterschied zwischen den beiden Cups. Vor dem Rennen können die Teams Trainingsstunden buchen, wie viele bleibt ihnen überlassen. Beim Fun-Cup haben die Mannschaften drei Starts; bei den ersten beiden werden die Zeiten gemessen, die bessere zählt. Diese Bestzeiten bestimmen dann, wer beim Endlauf mitmachen kann. Irgendwann haben wir dann auch das Lucky-Loser-Rennen eingeführt, bei dem die schlechtesten Teams vor dem Finale ihren eigenen Endlauf absolvieren. Der Schul-Cup hat ein Rennen weniger, also nur einen Vorlauf und den Endlauf. In beiden Cups haben viele Paddler:innen kreative Kostüme an. Das Gewinnerteam bekommt dann einen riesigen Pokal, auf den die Schüler:innen auch immer sehr stolz sind. Die Cups haben auf jeden Fall etwas gemeinsam: Durch das Rennen wächst die Gemeinschaft innerhalb der Teams zusammen. 

Kiel und Wassersport – glaubst du, dass diese Assoziation auch außerhalb der Kieler Woche zutrifft? 

Kiel ist als ‘Sailing City’ bekannt, natürlich ist Kiel Segeln. Aber Kiel ist auch viel mehr. Es hat zwar einen hohen Stellenwert, aber es gibt eben auch andere Sportarten, die auf dem Wasser stattfinden, wie eben der Kanu-Rennsport oder der Rudersport, der auch regelmäßig Olympia-Teilnehmende hervorbringt. Mittlerweile gehört auch das Drachenbootrennen dazu. Jetzt haben wir sogar das Lighthouse-Swim dazubekommen, bei dem von Schilksee aus über 14 Kilometer zum Kieler Hafen geschwommen wird. Es ist sensationell, dass dafür eine Bundeswasserstraße gesperrt wird, damit 140 Schwimmende über die Förde schwimmen können. Also ja, wir sind ganz klar eine Wassersportstadt.  

Vielen Dank für das Gespräch!  

Autor*in

ist seit November 2020 Teil der ALBRECHT-Redaktion und hatte von 2021 bis 2022 den Ressortleitungsposten der Kultur inne. Seit WiSe 2020/21 studiert sie Deutsch und Soziologie.

Autor*in

Eileen studiert Soziologie/Philosophie und war von Januar 2022 bis Anfang 2024 Chefredakteurin. Sie leitete von Februar 2019 bis Anfang 2020 das Ressort für Gesellschaft. Danach war sie stellvertretende Chefredakteurin. Außerdem werden viele der Illustrationen im Albrecht von ihr gezeichnet.

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