Es wirkt wie ein Relikt vergangener Tage, das aus den Köpfen und aktuellen Debatten verschwunden scheint: Menschenhandel. Doch die moderne Form der Sklaverei ist präsenter denn je. Die Zahl der Opfer steigt europaweit, auch in Deutschland. In einer Pressemitteilung vom 15. April gab die Europäische Union bekannt, dass die Zahl der Opfer von Menschenhandel im Zeitraum von 2008 bis 2010 von 6 309 auf 9 528 Opfer gestiegen ist. Dies bedeutet einen Anstieg um 18 Prozent. Die Opfer sind zu 68 Prozent Frauen, 17 Prozent Männer, zwölf Prozent Mädchen und drei Prozent Jungen. Das wirkliche Ausmaß der Sklaverei stellen diese Zahlen aufgrund der hohen Dunkelziffer, den nicht erfassten Straftaten, jedoch nicht dar.

2011 wurden 640 Menschen in Deutschland Opfer von sexueller Ausbeutung

Menschenhandel erfolgt dabei vor allem dem Zweck der sexuellen Ausbeutung und der Arbeitskraft. Nach Angaben des Bundeskriminalamtes wurden 2011 in Deutschland 640 Menschen, die fast ausschließlich weiblich sind (94 Prozent), zur Prostitution angeworben. 61 Prozent stammten aus Osteuropa. Deutsche Opfer belegten jedoch mit 21,7 Prozent Rang zwei der Statistik und zeigen damit einmal mehr die Nähe und Aktualität der Thematik. Die Hälfte aller Geschädigten (56 Prozent) ist noch nicht einmal 21 Jahre alt. Im Rahmen der Zwangsarbeit gab es 32 Opfer, die zu 44 Prozent eine deutsche Nationalität aufwiesen. Doch auch hier dürfte die Dunkelziffer weitaus höher liegen.

Kein Schnee von gestern: Menschenhandel. Foto: jh
Kein Schnee von gestern: Menschenhandel.
Foto: jh

Gleichzeitig sanken allerdings die Verurteilungen von Menschenhändlern in Europa um 13 Prozent. Dies hat mehrere Ursachen: Zum einen stammen viele der Opfer aus EU-Mitgliedsstaaten und besitzen somit eine legale Aufenthaltsgenehmigung. Zum anderen mangelt es an Kooperationsbereitschaft und Zeugenaussagen vor Gericht. Bei 27 Prozent der Prostituierten ging die Anwerbung zudem mit deren Einverständnis einher, auch wenn letztlich in vielen Fällen über die wahren Umstände der Ausübung getäuscht wurde.

In der EU-Richtlinie zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer vom 05. April 2011 wurden Ziele festgelegt, um dem entgegenzuwirken. So sollten sowohl grenzüberschreitende Zusammenarbeit, der Schutz der Opfer vor strafrechtlicher Verfolgung und ihre Betreuung während der Gerichtsverfahren, als auch strenge Strafen für besonders Schutzwürdige bei der Bekämpfung des Menschenhandels helfen. Die Frist zur Umsetzung endete am 6. April. 21 der 27 Mitgliedsstaaten blieben tatenlos. Auch Deutschland.

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