Wieder einmal reichen sich zwei Geschäftsriesen die Hand – oder fressen sich gegenseitig auf. Dass die Bayer AG nun für umgerechnet stolze 60 Milliarden Euro das US-amerikanische Unternehmen Monsanto aufkaufen will, ist das Ergebnis monatelanger Verhandlungen und ein historisches Ereignis. Es ist die größte Übernahme durch einen deutschen Konzern im Ausland, die nur noch durch das Kartellamt bestätigt werden muss. Die Medien verfolgten von Beginn an die Verkaufsgespräche und sorgten in der deutschen und europäischen Gesellschaft für Zündstoff. Kritische Stimmen wurden laut, warfen dem Saatgut-Riesen nicht nur den Vertrieb von giftigen Pflanzenschutzmitteln und Zerstörung der Artenvielfalt durch genmanipulierte Pflanzen vor, sondern auch eine aggressive Unternehmungsführung. Mitte September warnte der schleswig-holsteinische Umweltminister Robert Habeck die EU-Wettbewerbsbehörden vor einer Absegnung des Deals. Dieser würde die Macht über Saatgut und Pflanzenschutz auf gerade einmal vier Unternehmen konzentrieren und damit eine totale Abhängigkeit schaffen. Gegenüber der shz betonte der Umweltminister: „Wir brauchen mehr Vielfalt und Alternativen und keine Chemie-Oligopole in der Landwirtschaft.“ Mit der Übernahme geht aus Habecks Sicht eine „fatale Konzentration in der Chemiebranche beziehungsweise bei den Life-Science-Konzernen“ weiter.

Als ‚Life-Science-Konzern‘ beschreibt sich auch die Bayer AG, die vornehmlich durch den Betrieb von Produkten aus dem Bereich Pharma und Consumer Health bekannt ist. Der Unternehmens-Chef Werner Baumann erklärt, dass der Bereich der Crop Science, der auch den Pflanzenschutz abdeckt, weiter ausgebaut werden soll. Mit dem Kauf des amerikanischen Biotech-Unternehmens erhofft sich Baumann eine Aufwertung und Ergänzung für die Bayer AG – das Pharmageschäft soll jedoch wie gewohnt weitergeführt werden.

Doch was für einen Fisch hat sich Bayer nun an Land gezogen? Fest steht, dass Baumann vor dem Kaufangebot nur wenig Einsichten in die Bücher des Unternehmens erhielt. Fest steht auch, dass der Konzernriese Monsanto seit seiner Gründung 1901 etliche Male Negativschlagzeilen machte und dabei alle erdenklichen Klagen einfuhr.

So gehörte Monsanto während des Vietnamkrieges zu einer der Firmen, die das schädliche Entlaubungsmittel ‚Agent Orange‘ produzierte, das zur Zerstörung von Wald und Nutzpflanzen in umkämpftem Gebieten eingesetzt wurde und bei der dort ansässigen Bevölkerung bleibende, bis heute andauernde Gesundheitsschädigungen hinterließ. Betroffende Soldaten verfassten eine Sammelklage gegen Monsanto und andere Chemieunternehmen, die eine Entschädigungszahlung zufolge hatte. Ebenfalls entschädigt wurden die Bewohner einer Stadt in Alabama, die jahrelang mit dem Wissen Monsantos giftigen Substanzen an einem der Produktionsstandorte ausgesetzt wurden.

Die wohl populärste Klage traf Monsanto im Jahre 2012. Dem Konzern wurde vorgeworfen, einen französischen Landwirt mit einem Pflanzenschutzmittel vergiftet zu haben, welches nach Einatmung zu schweren gesundheitlichen Schäden führe.

Doch nicht nur im Gesundheitsbereich musste der Konzern Kritik einstecken. So wurde 2005 ein hohes Bußgeld erhoben, weil Monsanto über 140 indonesische Regierungsangehörige bestochen hatte, um eine umstrittene Baumwollart einführen zu dürfen. Mehrfach gab es außerdem Klagen, weil Monsanto Produkte als ‚ökologisch abbaubar‘ und ‚umweltfreundlich‘ bewarb, diese jedoch weit davon entfernt waren.

Monsanto betrieb eine aggressive Aufkaufpolitik anderer Saatgutunternehmen, welche vor allem von Greenpeace und der Financial Times Deutschland scharf verurteilt wurde. Schätzungen von Greenpeace zufolge lag der Marktanteil von Saatgut 2005 bei 90 Prozent. In diesem Jahr übernahm Monsanto unter anderem die Firmen Seminis und Emergent Genetics Inc., dem damals drittgrößten Saatguthersteller für Baumwolle in den USA. Auch der Vorwurf, in den 1980er Jahren Testergebnisse und wissenschaftliche Untersuchungsergebnisse gefälscht zu haben, um Produkte auf den Markt bringen zu dürfen, steht bis heute im Raum.

Hier ist die lange Liste von Kontroversen und Klagen noch nicht vorbei, doch über 100 Jahre Firmengeschichte ziehen einen langen Rattenschwanz an Vorkommnissen – sowohl bahnbrechende wissenschaftliche Erfolge als auch ökologische Katastrophen – hinter sich her. Festzuhalten bleibt: Monsanto blickt auf eine lange Liste von giftigen Substanzen zurück, die für die Herstellung und den Schutz von Lebensmitteln verwendet wurden und in einigen Ländern immer noch verwendet werden. Festzuhalten bleibt aber auch der riesige wissenschaftliche Erfolg und finanzielle Umsatz, den Monsanto von Beginn an vorweisen konnte und der ihn zum führenden Saatgutmittelhersteller unserer Zeit machte.

Die Bayer AG erhält mit dem Kauf von Monsanto nun die einmalige Chance zu beweisen, dass sie eine verantwortungsbewusste, umwelt- und menschenfreundliche Unternehmungsführung anstrebt und Kritiken bezüglich Artenschutz und genetisch veränderten Pflanzen gerecht werden will. Ob und wie sich das Unternehmen von nun an entwickelt, hängt allerdings noch von der Entscheidung des Kartellamtes ab.

Autor*in

Johanna schreibt seit Anfang 2015 vornehmlich für das Ressort Gesellschaft. Seit Februar 2017 ist sie Chefredakteurin des ALBRECHT. Sie studiert seit dem Wintersemester 2014 Deutsch und Soziologie an der CAU.

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