Wenn wir Männer und Musik in Kombination googlen, finden wir diverse Vorschläge für männliche Musik, Lieblingssongs der Männer, Musik für ECHTE Männer und, und, und. Doch gibt es dafür wirklich eine perfekte Definition oder den einen tadellosen Track, der die Männlichkeit beschreibt? Eben nicht. Denn jede:r definiert Männlichkeit anders und das ist auch gut so.  

Unsere Redakteur:innen haben sich mal auf ganz unterschiedliche Weise damit beschäftigt, was für sie unter dem Motto Männlichkeit nicht fehlen darf in der eigenen Playlist. Von neuen Künstler:innen bis hin zu Klassikern ist alles mit dabei. Lasst euch und eure Warteschlangen in den bekannten Musikstreamingdiensten inspirieren, um weitere Songs kennenzulernen, die auf den ersten Blick vielleicht nicht das eher gewohnte Bild der Männlichkeit in der Musikindustrie widerspiegeln oder eben vielleicht sogar genau das tun.

Janne Kaschube Profilbild

Als The Cure 1980 mit dem Album Boys Don’t Cry und der gleichnamigen Single herauskamen, wäre das der Moment gewesen für eine Veränderung in der Gesellschaft. Und auch wenn Boys Don’t Cry zumindest auf musikalischer Ebene definitiv einen Platz unter den Klassikern der Popmusik erringen konnte, seine Botschaft brauchte knapp vierzig Jahre, um sich langsam in den Köpfen der Menschen festzusetzen. Denn Tatsache ist: Boys Do Cry. Und sie sollten erlaubt sein dies zu tun, ohne dabei in den Augen anderer an Männlichkeit einbüßen zu müssen.

 Der ständige Druck auf Männer, sich möglichst nicht öffentlich mit ihren Gefühlen auseinanderzusetzen und immer Stärke zu zeigen, wirkt sich bei vielen auf die mentale Gesundheit aus. Das kann zu psychischen Problemen, Depressionen oder gar der Flucht in den Suizid führen. Darüber schreibt auch Sam Fender in seinem Song Dead Boys.“We close our eyes, learn our pains” singt der Brite über eine Reihe von Suiziden junger Männer in seinem eigenen Bekanntenkreis. Für ihn ist es die sogenannte Toxic Masculinity, die Schuld am Schweigen vieler Männer trägt: Die Erwartung, sich dem archaischen Vorbild anzupassen, welches viele von ihnen bereits seit dem Kindesalter eingetrichtert bekamen. Auch gegen das Bild des „klassischen Mannes” stellten sich bereits in den 70ern viele Künstler:innen.

So ließ sich beispielsweise David Bowie 1971 im Blumenkleid für die Zeitung The Daily Mirror ablichten, im gleichen Jahr, in dem auch die Single Life On Mars? erschien. Diese Zurschaustellung von Androgynität traf auf einige Ablehnung und wurde noch lange von vielen als etwas Anstößiges betrachtet. Ganze fünfzig Jahre später und Harry Styles ziert im gerüschten Ballkleid als erster Mann alleine das Cover der Vogue USA. Und obwohl positive Stimmen heute lauter sind, als sie es vor fünfzig Jahren noch waren, verlangen einige, durchaus laute Kritiker:innen „männliche Männer” zurückzubringen.

Was dabei als „männlich” gelten soll, ist zumindest mir ein Rätsel. Warum ist Harry Styles nicht männlich, nur weil er die Möglichkeit nicht ausschlägt Songs wie Golden mit rosa-bemalten Fingernägeln und Perlenkette um den Hals zu performen? Oder hat Yungblud weniger das Recht sich auch als Mann zu fühlen, nur weil er auf dem Cover seines neuen Albums Weird! sich unter anderem in Rock und Strumpfhosen zeigt? Zu sich selber zu stehen und sich und seine Emotionen so auszudrücken, wie es sich richtig anfühlt, das zeugt für mich nicht nur von Männlichkeit, sondern vielmehr von wahrer Persönlichkeit. Und diese sollte sowieso mehr geschätzt werden. (jk)

Herbert Grönemeyer hat mit Männer,der Singleauskopplung des Albums 4630 Bochum, bereits 1984einen seiner erfolgreichsten Titel veröffentlicht. Lustig, emphatisch, echt und auch ein bisschen ironisch erzählt er dort schonungslos über sein eigenes Geschlecht. Kurz und knapp fragt er: „Wann ist ein Mann ein Mann?“ Ein klassisches Bild des Mannes ist in seinem Song zu erkennen.

Männer weinen heimlich, Männer baggern wie blöde, aber sie geben auch Geborgenheit. Dennoch fragt Grönemeyer in dem Titel nach: „Wann ist denn nun ein Mann ein Mann?“ Das Lied gibt einen Denkanstoß, sich genauer damit auseinanderzusetzen. 

Ebenso wie der Klassiker I´m Still Standing. Spätestens seit der Kinoveröffentlichung von Rocketman ist dieser Song einem noch breiteren Publikum auch in diesem Jahrtausend ein Begriff. Die Rede ist von Sir Elton John höchstpersönlich. Seit 1983 ist das Lied die Hymne eines Mannes, der so einiges durchgemacht hat und von ganz unten wieder aufgestanden ist. Einem Mann, der sich nicht hat unterkriegen lassen und seine Sexualität und Extravaganz nach vielen Rückschlägen im Leben auslebt. Wir verneigen uns vor dir – Sir Elton.

Ebenfalls gefühlsreich singt auch Tiemo Hauer über das ewige Thema Herzschmerz in seinem Song Gottverdammter Laden aus dem Album Camílle. Der Track geht zwar nur 1:44 Minuten, ist aber geprägt von Energie, Realitätsnähe und auch ein bisschen Wut auf die Liebe. Und ganz ehrlich, was ist männlicher als ein Mann, der seine Gefühle ganz offen zeigt?!  An Tiemo Hauerschließt sich auch John Waitemit Missing You an. Ein Titel, der schon auf Muddis überspielter Kassette früher im Auto lief, aber nach wie vor die Vorstellung eines absoluten Herz-Schmerz-Songs erfüllt. Der Interpret scheut sich nicht davor, Schwäche zu zeigen. Denn auch das, liebe Männer, ist absolut erlaubt.

Zu guter Letzt wartet The Script wahrscheinlich heute noch an der Straßenecke, wo er seine Liebe das erste Mal sah in The Man Who Can´t Be Moved. Deutlich wird, dass auch Männer nicht alles vergessen und das Klischees eben nicht immer stimmen. Vielleicht wird so mancher ja auch entgegen der Erwartungen positiv überrascht von der Männer-Welt. (cag)

Mann, Mann, Mann – es ist kein Geheimnis, dass Männer risikoreich Leben und gerne auch einmal bis an ihr Limit oder eben auch noch weiter gehen. Einigen von ihnen wurde dies allerdings immer wieder zum Verhängnis. In den letzten Jahren kostete besonders der oft leichtsinnige Umgang mit Rauschmitteln gleich eine ganze Reihe von musikalisch aufstrebenden jungen Künstler:innen das Leben.

Mit nur 26 Jahren verstarb 2018 das amerikanische Rap-Genie Mac Miller an einer Überdosis. Seine Songs haben zweifelsohne Wiedererkennungswert, verbreiten gute Laune und sind oft eine perfekte Mischung aus sanften Beats, guten Melodien und ehrlichen Texten. So auch einer der ewigen Lieblingstitel Snooze.

In diese Kategorie reiht sich auch Rapper Juice WRL ein. Im Song Wishing Well beschreibt der US-amerikanische Rapper seinen persönlichen Kampf mit der Drogensucht, die ihn Ende 2019 das Leben kostete. Musikalisch zwei absolute Genies, die irgendwie anders und trotzdem irgendwie auch ähnlich klingen, einfach richtig geschmeidig.

Geschmeidige Beats produziert auch der Kanadier Verzache. Mit dem kürzlich veröffentlichtenSong Calling baut er sich eine weitere Stufe auf der jungen Karriereleiter Richtung ganz weit oben. Doch auch in Deutschland hat sich 2020 so einiges in der männlichen Musikecke getan. Als eine absolut nennenswerte Neuerscheinung ist hier der Surfer und Singer-Songwriter Zeck mit seinem Song julie, run zu nennen. Mit seinen chilligen Beachvibes entfacht er ein unfassbar gutes und lange überfälliges Aufleben der deutschen Indie-/Folk-Szene.

Leicht überfällig war auch eine erneute Kollaboration von Yungblud und Machine Gun Kelly. Acting like that lädt ein zum Einfach-mal-wieder-Boxen-aufdrehen und hemmungslos männlichem abgehen. (bi)

James Browns Meisterwerk It’s A Man’s Man’s Man’s World hat wohl jede:r schon einmal gehört. Trotz seiner „biblisch chauvinistischen“ Lyrics wurde der Song vom Rolling Stone Magazine auf Platz 124 der „Greatest Songs of All Time“ gewählt. Die Aussage des Songs ist jedoch, knapp 55 Jahre nach Erstveröffentlichung, leider weiterhin gültig. Wir leben nach wie vor in einer patriarchischen “Man’s World” und bis sich das nicht grundlegend ändert, wird auch Browns Meisterwerk noch jahrzehntelang weitergespielt werden.
Genau wie der nächste Song in unserer Liste. “Got a wife and kids in Baltimore, Jack. I went out for a ride and I never went back” – Mit den Eröffnungszeilen seines 1980 erschienenen Songs Hungry Heart schafft Bruce Springsteen eindrucksvoll die Tragik eines gesellschaftlichen Problems zu zeichnen, das historisch überproportional von Männern verursacht wird – Väter, die auf der egoistischen Suche nach Abenteuer und Selbstverwirklichung ihre Familien verlassen. Springsteen hat diese Männer in einem seiner berühmtesten Hits verewigt.

38 Jahre später nutzt eine britische Band aggressiven Punk, um sich gegen die Fesseln männlicher Geschlechterrollen zu wehren. In ihrem Song Samaritans veranschaulicht die britische Punkband Idles jedoch eindrücklich, wie gängige Vorstellungen von Männlichkeit und die damit verbundene Sozialisation dazu führen, dass Männer zeitlebens unter diesen leiden müssen (“This is why you never see your father cry”). Das Punk-Quintett fordert Männer mit einer dem Song inhärenten Wut dazu auf, die von Kindesbeinen anerzogene und archaische „mask of masculinity“, hinter der Männer ihre wahren Gefühle verstecken, endlich abzulegen.

Einen ähnlichen Weg hat der amerikanische Rapper Kid Cudi schon vor über einem Jahrzehnt mit dem Song Soundtrack 2 My Life aus seinem 2009 erschienenen Debütalbum Man on the Moon: The End Of The Day beschritten. So zeigt sich der Rapper, im Gegensatz zur gängigen Praxis des Zurschaustellens von überheblichen Männlichkeitsklischees des Rap-Genres, von seiner verletzlichen Seite und spricht offen über seinen Kampf gegen Depressionen, Suizidgedanken und Drogenproblemen. Zwischen den üblichen quietschenden Autoreifen und tanzenden Stripperinnen eine ehrliche und erfrischende Abwechslung zum Macho-Gehabe, welches das Genre weiterhin durchzieht. (as)

Autor*in

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