Wenn cis-Männer trans*-Geschichten erzählen, wird’s schräg

Ein Kommentar von Sascha Thierry Rubel

[Triggerwarnung: trans* Feindlichkeit, Tod, Mord, Misgendern]
cis = bei der Geburt wurde das richtige Gender zugewiesen
trans* = Person, die dem zugewiesenen Gender nicht angehört


Privilegierte Menschen durften schon immer alles sagen. Auch Florian David Fitz, der aus seiner Meinung und seinem Bedürfnis, trans*-Menschen ihre „Rettung“ aufzuzwingen, einen ganzen Film macht. Die diskriminierten Menschen dagegen werden umgebracht, wenn sie nur sind, wie sie sind (siehe Malte C.).  Wie gehen wir mit dieser Schieflage um? Und erstmal langsam: Was ist passiert?

Fitz bringt einen eigenen Film raus, er trägt den Titel Oskars Kleid. Dabei geht es nicht um Oskar, es gibt keinen Oskar, sondern um das trans*-Mädchen Lilli. Mit dem Titel beginnend, ist der gesamte Film ein Negativbeispiel fürs Misgendern von trans*-Personen, also das Benutzen von falschen Pronomen und einem falschen Namen. Wer jetzt denkt, dass das nicht schlimm ist, kann sich eine Woche von Freund*innen falsch ansprechen lassen und den Unterschied ansatzweise spüren.

Es gibt Gewaltausbrüche, einen Polizisten-Vater, der vor Wut seinen Kopf gegen die Wand schlägt weil sein Kind ist, wie es ist. Das klassifiziert Fitz als eine Komödie. Haha, ein Opa setzt Gendern mit dem Weltuntergang gleich. Wie unglaublich lustig.
Dass trans*-Personen den Film nicht anschauen können, weil er unerträgliche Diskriminierungen reproduziert, somit das Potential hat, zu retraumatisieren, ist Fitz egal. Dass er aus einer privilegierten Position spricht und besser schweigen sollte: Auch das ignoriert unser selbsternannter „Retter“ gekonnt.

Es geht im Film nicht um Lilli, das trans*-Kind, sondern um den Gedankenprozess vom cis-Mann, den Fitz anti-bescheiden in der erwachsenen Hauptrolle spielt. Seine Entwicklung ist geprägt von trans*-Hass, Verzweiflung, Wut und Kontrollbedürfnis gegenüber dem Kind, das endlich sein Kleid ablegen soll. Die trans*-Figur, die ihm gegenübersteht, klein, kindlich am Fuße mehrerer Machtgefälle, ist nur die Vorlage, an der sich diese gehässigen Gefühle abarbeiten. Um die Identität des Kindes geht es nur, insofern sie gegen den Strich von Fitz‘ Figur geht.  Am Ende sollen wir stolz auf ihn sein, dass er ein Wunder vollbringt: Sein Kind nicht zu hassen.

Fitz nennt Alice Schwarzer, eine der am heftigsten kritisierten FARTS (Feminism Appropriating Radical Trans*haters) in einem Interview die „Hebamme“ des Films und dann regt er sich darüber auf, dass Leute verletzt sind, wenn mensch sie misgendert.


Es geht also auch im echten Leben keineswegs um die trans*-Community, sondern um Fitz‘ Umgang mit ihr. Dass er auf trans*-Menschen oder auch, unbehaglich runtergespielt „das Thema“ aufmerksam macht, nennt er wichtig. Wir sollen ihn dafür lieben und loben. Eine nicht allzu erstaunliche Parallele zu seiner Rolle im Film.


Derweil kommentieren Betroffene unter seinen zahlreichen Instagram Posts, dass der Film für sie nicht klargeht. Trans*-feindliche Menschen zerfetzen sie dafür verbal. Das manipulative Hauptargument: „Hast du den Film ganz gesehen?“, wobei trans*-Menschen durch die Unmöglichkeit der Inhalte aus dem Publikum ausgeschlossen werden. Fitz schweigt dazu (Stand 21.01.23).

Einen solchen Film kann mensch nicht unterstützen. Es ist nicht in Ordnung oder nötig, dass ein cis-Mann, der nicht diskriminiert wird, über trans*-Leute spricht. Er eignet sich unsere Geschichte an, und nutzt diese, um Geld zu machen. Sein Film vereint Leute, denen er die Möglichkeit gibt, über ihre eigenen Vorurteile zu lachen. Dabei sind diese Vorurteile und Diskriminierungen nicht harmlos. Sie töten, sie zerstören Leben. Sie sind strukturell und Betroffene können sich ihnen nicht einfach entziehen. Wenn Diskriminierung eine Waffe ist, dann kommt das ignorante Lachen der Zuschauer*innen dem Lachen über ein Kreuzfeuer gleich. Eines, das auf die trans*-Gemeinschaft gerichtet wird. Wir dürfen dabei nicht mitlachen, denn wir liegen am Boden. 

Über den*die Gastautor*in:

Sascha Thierry Rubel

Sascha ist nonbinär und autistisch, studiert Philosophie und Germanistik und betreibt das Queer-Referat des AStA.

Autor*in

Hier veröffentlicht DER ALBRECHT seine Gastartikel – eingesandt von Studierenden, Professor*innen und Leser*innen der Zeitung.

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3 Kommentare

  1. Verstehe ich das richtig, dass der*die Autor*in dieser Filmkritik den Film nicht geschaut hat? Wie kann das sein? Und der Film ist vor zwei Monaten erschienen, kommt der Artikel nicht ein bisschen spät?

  2. Danke für diesen Artikel. Ich war unsicher ob ich mir diesen Film ansehen sollte und nun weis ich dass es Besseres zu tun gibt. SEHR GUT ARGUMENTIERT. Es erweitert meine Möglichkeit emphatischer dem Thema gegenüber zu werden.

  3. „Einen solchen Film kann mensch nicht unterstützen. Es ist nicht in Ordnung oder nötig, dass ein cis-Mann, der nicht diskriminiert wird, über trans*-Leute spricht. Er eignet sich unsere Geschichte an, und nutzt diese, um Geld zu machen.“

    Warum darf er nicht über trans Menschen sprechen? Die Intention war doch sicher, auf diese Thema aufmerksam zu machen. Wenn man sich dabei als nicht-queerer Mensch nicht in den Mittelpunkt stellt, ist das doch ok oder nicht?
    Zu sagen dass hier gar eure Geschichte angeeignet wird, wirkt auf mich abschreckend. Da möchte man fast jeden Berührungspunkt mit euch (damit meine ich das queer Referat) vermeiden, um sich ja nicht die Finger zu verbrennen (geht immerhin sehr schnell).
    Und Fitz hier Profitgier zu unterstellen ist schon etwas hart und wird ohne Begründung einfach so dahingestellt. Warum sagt da keiner was?

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