Mit dem Beginn der Pubertät prägten sich neben unseren Geschlechtsmerkmalen und dem Interesse am sexuell präferierten Geschlecht bei den meisten auch der geschlechtsspezifische und -betonende Kleidungsstil aus. Ich habe mich damit immer schwer getan. Wenn ich doch mal einen Rock anprobierte oder gar in der Öffentlichkeit trug, schreckten mich Kommentare, oder deren Antizipation, wie „Schick!“ und „Das sieht süß aus“, enorm ab. Meine Rechtfertigung war damals die Ablehnung von Trends und die berechtigte Idee, auf Komplimenten zu meinem Äußeren nicht meinen Selbstwert aufbauen zu wollen.

Doch mittlerweile weiß ich, dass auch Angst ein Argument gegen sehr weibliche Kleidung war. Angst davor, in Verbindung mit Weiblichem weniger ernst genommen zu werden. Diese Abwertung des Weiblichen trifft mich auch jetzt manchmal noch unvorbereitet, wenn ich den kurzen Rock oder das Shirt trage, das meine Brüste betont. Dann denke ich, dass ich nicht so wirke, wie ich wirken möchte: stark, interessant und reflektiert. Doch warum glaube ich überhaupt, dass ein unabhängiges und ansprechendes Auftreten mit einem betont weiblichen Äußeren im Konflikt steht?

Für meine eigene und auch die Unzulänglichkeit sehr vieler anderer Menschen mache ich die Trennung von Weiblichkeit und Stärke verantwortlich. Da Frauen in fast allen Kulturkreisen nicht als souverän, unabhängig und fähig gesehen wurden, ist es eine recht neue und absolut notwendige Praxis, sie mit diesen Attributen zu bestücken. Beschissenerweise gelingt vielen von uns dies manchmal noch nicht. Zum Beispiel herrscht unter Studierenden oberflächlich die sehr einheitliche Meinung, dass alle Menschen in Wertigkeit und Potential gleich sind. Dennoch setzen sie ständig Kleidung als Mittel der oft vorurteilsgeleiteten Selbstdarstellung und Bewertung anderer ein.

So verlassen sich manche Frauen aus Prinzip auf die modische Betonung ihrer äußeren Geschlechtsmerkmale, in dem Glauben, dass sie ein maßgeblicher Türöffner zu jeder Gelegenheit sind. Dies ist leider keine Hilfe bei der Erschaffung des Bildes einer starken Frau. Denn es stützt sich hauptsächlich auf die zu starke Reaktion auf Brüste und Hintern, die fatalerweise unseren Alltag bestimmt, und nicht auf das Potential der eigenen Souveränität. Genauso wenig hilfreich ist meine unberechtigte Angst beim Tragen eines Rocks davor, dass ich dadurch nicht nur weiblicher, sondern auch weniger souverän wahrgenommen werde.

Ich freue mich auf den Tag, an dem aufgrund der Beseitigung mentaler Hindernisse (und natürlich der Übersexualisierung und Übergriffigkeit, aber das ist ein anderes Thema – mehr dazu auf Seite 3) die Wahl der Kleidung weder für mich noch für andere zur klischeehaften Generalisierung führt. Indem wir durch unser Handeln und Auftreten allen, auch uns selbst, klar machen, dass jeder, also auch eine Frau, unabhängig von der eigenen Kleidung alles sein und werden kann, was er/sie möchte, können wir diesen Tag schneller herbeiführen.


Titelbild: pixnio

Autor*in

Studiert seit 2013 Psychologie in Kiel, und frönt dem ALBRECHT seit dem Wintersemester 2014/15, von 2015 bis 2017 als Bildredakteurin und von Januar 2017 bis Januar 2018 als stellvertretende Chefredakteurin.

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