Hybrid-Konferenz oder mörderischer Fünf-Minuten-Marathon? 

von Elisa Klein

Endlich wieder eine Konferenz in Person erleben. Endlich wieder mit dreidimensionalen Wissenschaftler*innen diskutieren, die sogar Beine haben. Endlich wieder Vorträge für echte Menschen halten, statt nur für den eigenen PC. Doch dann das: Technik des Teufels, Vortragende der Hölle und Folien des Grauens. Hoffnungsvoll war ich in die Woche gestartet, doch wie ein zarter Keimling wurde diese Hoffnung unter der Masse an unterirdischen Fünf-Minuten-Präsentationen achtlos zertrampelt.  

Waren wissenschaftliche Kurzvorträge schon immer so schlecht? Liegt es an mir, weil ich mittlerweile genug Ahnung habe, um erfahrene Wissenschaftler:innen und Professor:innen nicht mehr als allwissend und gottgleich anzubeten? Sicher spielt auch das ungewohnte Format eine Rolle. Fünf Minuten sind gar nicht mal so lang. Und dennoch versucht Professor ‚Ach-so-wichtig‘ seine komplette Standardvorlesung mit 60 Folien unterzubringen. Ein ambitioniertes Vorhaben, das zum Scheitern verurteilt ist. Leider ist er nicht allein.  

Und so reihen sich überladene Folien an überladene Folien. Einzig unterbrochen von den ständigen Mahnungen der Convener, wenn die Zeit abläuft. Alles wird zu einem Brei. Mein Gehirn fühlt sich an wie nach acht Stunden Doomscrolling auf den sozialen Medien. Längst hat es aufgegeben, dem Inhalt zu folgen und fängt an, die Male zu zählen, in denen es mit unerklärten Formeln und Statistikplots vollgeklatscht wird. Oh, da wurde Comic Sans benutzt, ich dachte, die Schriftart wäre ausgestorben. Und dieses grellgrüne Layout? Der Wahnsinn! Mit meinem Kollegen entwerfe ich ein Präsentationen-Bullshit-Bingo. Die Felder sind schnell beschrieben und plötzlich verfolgen wir die Vorträge mit neuem Enthusiasmus.  

Das Problem scheint nicht ganz unbekannt zu sein, denn es gibt Preise für die besten Präsentationen. Es soll motivieren, ansprechende Folien zu designen und ausgefeilte Vortragstechniken darzubieten, und generell für eine bessere Vortragsqualität sorgen. Doch bewertet werden… na? Richtig! Studierende und Promovierende und zwar von Professor ‚Immer-schon-so-gemacht‘ und seinen Kolleg*innen. Ich lehne mich mal ganz weit aus dem Fenster und sage: Die jüngere Generation ist nicht das Problem! Klar, es gibt Ausnahmen auf beiden Seiten, aber generell ist die durchschnittliche Studierendenpräsentation ansprechender gestaltet und besser vorgetragen als der durchschnittliche Vortrag der Herren Professoren. Und ja, ich gendere hier bewusst nicht! Das Klischee vom ignoranten, alten Mann wird leider nur zu gerne bedient.  

Früher oder später muss auch ich auf die Bühne. Mein erschöpftes Gehirn nimmt das zur Kenntnis und produziert erschrocken Unmengen an Adrenalin. Ich schaue in desinteressierte, maskierte Gesichter, dann auf meine Folien und beschließe, mich aus meinem Körper zu entfernen. Wir haben bis zum Erbrechen geübt, deshalb kommt er auch ohne mich klar. Meine Folien haken ständig, denn der Klicker ist von der Marke ‚Hau-mich-sonst-reagier-ich-nicht‘. Macht nichts! Exakt vier Minuten und 30 Sekunden später ist alles vorbei. Der nächste Vortrag beginnt, noch bevor ich wieder sitze, und als die erste Folie erscheint, hört man aus der letzten Reihe ein enthusiastisches „Bingo!“. 

Autor*in

Hier veröffentlicht DER ALBRECHT seine Gastartikel – eingesandt von Studierenden, Professor*innen und Leser*innen der Zeitung.

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