Ein Kommentar von Eileen Linke und Ann-Kathrin Path

Wenn über das Thema Sexismus in der Werbung geredet wird, dann kommt oft die Reaktion: „Naja, was soll‘s, Sex sells“. Das ist aber eine ignorante Einstellung. Es ist wichtig, darüber zu sprechen und sich zu fragen: Inwiefern repräsentiert eine halbnackte Frau in sexy Pose einen Betrieb für Bodenbeläge? Sex sells versucht doch meist nur zu verstecken, dass das Produkt nicht mehr wert ist, als das Plakat, auf dem die Werbung gedruckt wurde.

Oft wird Frauen, die sich dagegen aussprechen, vorgeworfen, dass sie eifersüchtig auf das Aussehen der Models seien. Aber darum geht es nicht. Es geht darum, wie die Frau dargestellt wird. Und um die gesellschaftlichen Normen, die leider immer noch allzu oft in den Köpfen feststecken. Eine Frau muss begehrenswert sein. Das zeigt sich auch in anderen Aspekten: Frauen pupsen nicht und wenn, dann nur Glitzer und Rosenduft. Menstruation ist ein Tabu. Lebt eine Frau ihre Sexualität aus, ist sie billig. Stillen in der Öffentlichkeit ist anstößig. Alles was nicht sexy ist, das ‚darf‘ Frau nicht. Daher ist jede Werbung, in der nur auf Sex sells und andere sexistische Klischees gesetzt wird, ein Fingerzeig auf diese Probleme.
Dasselbe gilt auch für Männer, in der Werbung sind sie groß, dominant und überdurchschnittlich muskulös – wahre Alphatiere. Und natürlich haben auch Männer mit dieser gesellschaftlichen Stigmatisierung zu kämpfen, etwa, wenn sie keine Emotionen zeigen dürfen, immer stark sein müssen und ein Hausmann in seinem Leben wohl irgendwo falsch abgebogen sein muss. Wer denkt, dass nur Frauen und ihre (klischeehaften) weiblichen Attribute in der Werbung ausgeschlachtet werden, irrt. Während Frauen als das schwache, sich gern mit Putzen beschäftigende Glied der Gesellschaft dargestellt werden, haben Männer die Aufgabe, als besonders testosterongefüllt, handwerklich begabt und gefühlskalt dazustehen. Klar, eine Werbung, die eine von Männern umgebene nackte Frau zeigt, die auf dem Boden liegt und für Uhren oder Hemden oder besonders männliche Schnürsenkel wirbt, stößt uns sauer auf.

Aber was ist mit der Darstellung des Mannes? Er ist gezwungen, lüstern auf die vor ihm liegende Frau zu blicken, die Haare fein nach hinten gegelt und mit einer Körperhaltung, die zu 100 Prozent von seiner Männlichkeit überzeugen muss. Okay, das könnte einem ‚echten‘ Mann vielleicht wirklich gefallen. Aber was ist mit Werbung für Bohrmaschinen? Auch wenn seit einiger Zeit hin und wieder Frauen mit einem solchen Gerät für Werbung genutzt werden, ist es doch in den meisten Fällen der stereotype Mann, der die Löcher bohren muss (pun intended). Was ist aber mit den Männern, die nicht mit Bohrmaschinen umgehen können? Die zwei linke Hände im Handwerken haben? Zackbumm, die sind dann wohl nicht männlich. Muss ja so sein. Immerhin liegt ja auch jede Frau gern zwischen Männern auf dem Boden. Oder küsst ihnen die Schuhe. Sagt die Werbung, also ist das auch so.

Neulich hingen im Bus Plakate für Männer-Seelsorge, mit Sprüchen wie: „Auch Männer brauchen Hilfe“. Zu sehen war ein Mann im Superheldenkostüm auf einem Sofa liegend. Diese Werbung hat uns unglaublich verärgert. An sich ist so eine Seelsorge natürlich eine gute Sache, aber muss denn immer zwischen den Geschlechtern unterschieden werden? Selbst auf dieser tiefen, emotionalen Ebene? Und wer sagt denn, dass ein Mann sich nicht schlecht fühlen darf, nicht trauern oder verzweifeln kann? Warum braucht es ein Plakat, das den Mann als Superhelden, also als Star des Tages und Retter der Welt (was den Frauen gegenüber wieder sexistisch ist) darstellt und einen Spruch, der quasi einräumt, der es als beschämend und regelrecht unnormal oder untypisch darstellt, dass auch große, starke Männer manchmal Hilfe benötigen?

Auch wenn oft die Meinung vertreten wird, dass es heutzutage nicht mehr so schlimm sei, müsste sich nur die Werbung von vor 50 Jahren angeschaut werden. Ja, es ist nicht mehr so krass wie früher, aber die Darstellung von Mann und Frau ist weitestgehend noch dieselbe. Es ist wichtig, darüber zu sprechen, damit sich etwas ändern kann – denn der Fortschritt geht in dieser Hinsicht noch viel zu langsam voran.


Photo by Annie Spratt on Unsplash

Autor*in

Ann-Kathrin studiert Deutsch und Anglistik im Master an der CAU. Da sie nicht auf Lehramt studiert, hielt sie es für klug, im Oktober 2017 Teil der ALBRECHT Redaktion zu werden. Von Februar 2018 bis Februar 2019 war sie Leiterin des Ressorts Gesellschaft und übernahm dann bis Januar 2020 den Posten der stellvertretenden Chefredakteurin.

Autor*in

Eileen studiert Soziologie/Philosophie und war von Januar 2022 bis Anfang 2024 Chefredakteurin. Sie leitete von Februar 2019 bis Anfang 2020 das Ressort für Gesellschaft. Danach war sie stellvertretende Chefredakteurin. Außerdem werden viele der Illustrationen im Albrecht von ihr gezeichnet.

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