Die Fahrradinfrastruktur auf dem Campus lässt zu wünschen übrig – und sollte neu gedacht werden 

Fahrradfahren ist eine schnieke Sache. Wer (sich) auf den guten alten Drahtesel setzt, bleibt fit, ist flexibel und verursacht beim täglichen Pendeln keine Treibhausgase. Da jedes nicht emittierte Kohlendioxidmolekül unsere Erde ein Stück weit vor der sich anbahnenden Klimakatastrophe schützt, ist es zu begrüßen, dass sich das Fahrradfahren auf dem Campus einer hohen Popularität erfreut. Doch auch an der CAU ist Radeln nicht ohne Risiko.  

Studierende, die den Fahrradschutzstreifen der Olshausenstraße regelmäßig befahren, kennen vielleicht die Angst, von einem tonnenschweren Kasten zermatscht zu werden, wenn plötzlich der 300-PS-Diesel eines vorbeirauschenden Busses die Ohren betäubt. Bewegte Kraftfahrzeuge sind allerdings nicht die einzige Gefahr, der Fahrradfahrende auf der wichtigsten Straße der CAU ausgesetzt sind. Auch im stehenden Zustand können PKW eine Bedrohung darstellen, da das überraschende Öffnen der Fahrertür zu schweren Unfällen führen kann. Angesichts der Tatsache, dass auf dem Campus so viel Fahrrad gefahren wird, stellt sich die berechtigte Frage, wieso ausgerechnet hier auf die Trennung des Auto- vom Fahrradverkehr verzichtet wurde. Dabei gibt es ja schon getrennte Fahrradwege an der Olshausenstraße. Diese sind jedoch in so einem schlechten Zustand, dass sie kaum genutzt werden. Darüber hinaus wird der Fahrradverkehr über die Verkehrsführung auf die Schutzstreifen gelenkt.  

„Der Schutzstreifen ist keine optimale Lösung“ 

Wer sich über die Infrastruktur an unserer Universität informieren möchte, ist bei Julian Schüngel an der richtigen Adresse. Julian studiert Stadt- und Regionalentwicklung im Master und war die letzten sechs Jahre im AStA aktiv, besonders im Referat für Infrastruktur. „Es gibt zwei Denkschulen in dieser Angelegenheit“, sagt Julian. „Die eine ist der Meinung, der Radverkehr müsse im Autoverkehr mitfließen, und die andere meint, der Fahrradverkehr sollte separiert werden.“ Die Schutzstreifen hätten ihm zufolge den Nachteil, dass sie meistens sehr schmal sind, durch Türzonen führen und dass Autofahrer*innen aufgrund ihrer eigenen Spur enthemmter fahren. Der Sicherheitsabstand könne auf Schutzstreifen auch nicht wirklich eingehalten werden. 

„Der Schutzstreifen ist keine optimale Lösung“, findet Julian. In den Siebzigern habe Deutschland die Separation des Fahrradverkehrs so schlecht umgesetzt, dass aufgrund vermehrter Unfälle der Trugschluss entstand, dass gemischter Verkehr sicherer sei. „Die Nationen, die die Separation des Verkehrs damals richtig gemacht haben, nennen wir jetzt die ‚Fahrradländer‘, also zum Beispiel die Niederlande oder Dänemark.“ Den Fahrradverkehr über Schutzstreifen zu führen, habe auch einen patriarchalen Charakter, findet Julian. „Leute fühlen sich auf dem Schutzstreifen sicher, wenn sie erfahren, furchtlos und häufig männlich sind. Das ist aber überhaupt nicht inklusiv.“ Unsichere Radfahrende, Kinder und ältere Menschen seien dadurch benachteiligt. 

Die Zukunft der Olshausenstraße  

Der Radverkehrsbeauftragte der Stadt Kiel, Uwe Redecker, lässt in einer schriftlichen Anfrage die Hoffnung auf eine Sanierung der getrennten Radwege platzen: „Diese Radwege sind deutlich zu schmal, um das sehr hohe Radaufkommen hier abzuwickeln. Eine Sanierung hätte da nicht viel geholfen. Das Überholen der langsamen durch die schnellen Radfahrenden ist nicht möglich.“ Bei einer Chancen-Mängel-Radtour über den Campus im Jahr 2018 wurde der Schutzstreifen als nicht ausreichend und als zu unsicher beschrieben. „Seinerzeit wurde deshalb auch diskutiert, das Straßenrandparken auf die gebauten Radwege zu verlegen, um in der Fahrbahn mehr Platz für Radfahrende durch Markierung eines Radfahrstreifens (durchgezogene Linie) zu erreichen. Diese Idee wird zurzeit weiterverfolgt“, so der Radverkehrsbeauftragte. Auf die Frage, ob er beziehungsweise die Stadt eine Gefahr darin sehe, dass beide Verkehrsgruppen ungetrennt voneinander agieren, antwortete Redecker mit einem schlichten ‚Nein‘. 

Und tatsächlich sieht es so aus, dass fünf Jahre nach der Chancen-Mängel-Radtour das Tiefbauamt die Verbreiterung eines Fahrradstreifens noch dieses Frühjahr umsetzen könnte. Im Zuge einer benötigten Ausbesserung des Rasens am Fahrbahnrand ist geplant, das Parken auf die alten Fahrradwege zu verlegen, damit die Fahrradstreifen auf der Straße breiter werden können. Der Ausbau wird ungefähr 270 000 Euro kosten. Diese Maßnahme wäre auf jeden Fall zu begrüßen, allerdings sind damit Fahrradfahrende immer noch nicht vom Autoverkehr getrennt. 

Mit dem Beschluss der Ratsversammlung, dass Kiel Mitte der 2030er eine Tram bekommen soll, die auch über den Campus fährt, ist außerdem klar, dass sich die Olshausenstraße langfristig verändern wird. Julian Schüngel findet, dass im Rahmen dieses Projekts der Verkehr an der Olshausenstraße ganz neu gedacht werden sollte. „Wenn man die Sache visionär angeht, kann man fragen: Warum muss da PKW-Verkehr durchfließen? Entstehen dadurch nicht eine Menge Probleme bezüglich Sicherheit und Lebensqualität? Es gibt nur begrenzten Platz und dieser sollte für die effizientesten, sichersten und dem Ort angemessensten Verkehrsmittel genutzt werden.“ 

Autor*in

Jebril ist 22 Jahre alt und studiert seit einer gefühlten Ewigkeit Philosophie und Anglistik. In seiner Freizeit fotografiert er gerne, verbringt Zeit mit seinen Freunden, spielt gerne Schach und ist leidenschaftlicher Fahrradfahrer. Beim Albrecht ist er für das Ressort Hochschule tätig.

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