Ob Prüfungsangst, Zeitdruck oder Probleme in der Partnerschaft – Schwierigkeiten kommen auf jeden Studenten einmal zu. Doch nicht jeder schafft es, alleine damit zurechtzukommen. Man fühlt sich überfordert und der Stress wird nur noch größer. Es gibt jedoch Beratungsstellen, die Hilfe, Rat und Unterstützung anbieten. Knapp 400 Studenten der CAU nahmen im Jahr 2013 dieses Angebot des Studentenwerkes SH wahr. Diplom–Psychologe Laurin Schaefgen, Mitarbeiter der psychologischen Beratung, gibt in unserem Interview einen Einblick in seine Arbeit.

DER ALBRECHT: Herr Schaefgen, wieso fühlen sich Studenten häufig belastet?

Laurin Schaefgen: Meiner Meinung nach führt die Überbelegung der Studiengänge automatisch zu deutlich mehr Stress bei den Studenten. Eine intensive Betreuung durch die Professoren kann nicht mehr gewährleistet werden und die Konkurrenz im Studiengang nimmt zu. Hinzu kommt die akademische Belastung. Man hat als Student ständig das Gefühl, nicht ganz fertig zu sein. Dies kann dazu führen, dass das Angstniveau steigt und man sich überfordert fühlt. Zudem muss berücksichtigt werden, dass Studenten immer jünger werden. Somit wird ein Teil der Persönlichkeitsreifung früher angestoßen und führt zu Problemen, wie beispielsweise Heimweh, mit denen wir in der Vergangenheit eher selten konfrontiert wurden.

Mit welchen Problemen und Sorgen suchen die Studenten die Beratungsstelle auf?

Die häufigsten Beratungsanliegen, mit denen Studenten zu uns kommen, sind depressive Symptome, Prüfungsangst und Selbstwertprobleme. Doch auch Schwierigkeiten in der Partnerschaft, im familiären Umfeld oder der Selbstorganisation können der Anlass für ein Beratungsgespräch sein.

Wem raten Sie, sich Hilfe zu suchen?

Im Grunde sollte sich jeder Beratung suchen, der merkt, dass er ein Problem hat. Häufig äußern sich diese auch zunächst durch körperliche Symptome, wie Kopfschmerzen oder Appetitlosigkeit. Der Körper zeigt einem meist, wie es einem seelisch geht. Hierbei heißt es dann achtsam sein und die Gefahr rechtzeitig erkennen. Schlafstörungen können beispielsweise häufig in Prüfungssituationen auftreten. Das würde ich als völlig normal einstufen. Dauern die Schlafprobleme jedoch längerfristig an, besteht Handlungsbedarf. Empfehlenswert ist hierbei auch, einen Hausarzt aufzusuchen. Dieser kann organische Ursachen ausschließen. Wichtig ist jedoch generell, sich rechtzeitig zu melden und nicht erst, wenn man schon richtig leidet. Besonders geschickt ist es natürlich, uns bereits zu kontaktieren, wenn man merkt, dass Schwierigkeiten drohen. Im Idealfall werden sie dadurch erst gar nicht zu einem belastenden Problem.

Wie kann ich mich bei Ihnen melden, wenn ich Unterstützung suche und was genau passiert anschließend?

Die meisten Studenten nehmen mit uns per Email Kontakt auf. Wir bieten aber auch zweimal wöchentlich eine Telefonzeit an, in der man sich informieren und einen Beratungstermin vereinbaren kann. Je nach Kapazität erfolgt der erste Termin circa ein bis zwei Wochen nach der Kontaktaufnahme. Wie genau sich die Beratung gestaltet, ist wiederum abhängig vom jeweilig zuständigen Psychologen und seiner Fachrichtung. In meinen Beratungsstunden wird gemeinsam mit dem Studenten die Problematik erörtert, ein Ziel erarbeitet und entsprechende Maßnahmen zur Zielerreichung festgelegt. Wichtig ist, dass die Betroffenen begreifen, dass die Veränderung aus Ihnen heraus stattfinden muss. Ich kann ihre Situation nicht direkt verändern, sondern ich helfe ihnen, eigene Wege zu mehr Freiheit zu gewinnen. In der Regel reichen ein bis zwei Beratungstermine aus, bei Bedarf kann die Anzahl aber auch individuell angepasst werden.

Könnten Sie Ihre Aussage anhand eines Beispiels konkretisieren?

Nehmen wir das Beispiel der Schreibblockade. Ein entspannter Student schiebt das Schreiben seiner Bachelorarbeit ständig vor sich her, bis sich irgendwann der Druck erhöht und der Abgabetermin immer näher rückt. Der zu bearbeitende Berg wird dabei jedoch immer größer und die Zeit sitzt einem im Nacken. Es rückt das Gefühl der Überforderung und Ausweglosigkeit in den Vordergrund. Der Student befindet sich im Konflikt zwischen seiner gelassenen Arbeitshaltung auf der einen und der zeitlichen Not auf der anderen Seite. Ein möglicher Ausweg könnte sein, sich kleine Ziele zu setzen, die erreichbar sind. Merkt man, dass man selbst etwas bewirken kann, kann das Selbstvertrauen in die eigene Arbeitsleistung wieder steigen und die Ziele können wachsen. Andersherum sollten sich sehr ehrgeizige Studenten klare Arbeitszeiten festlegen und gezielt Raum für Freizeit schaffen.

Jeder von uns empfindet manche Zeiten als stressig. Gibt es Maßnahmen, mit denen man sich erst einmal weiterhelfen kann?

Ich empfinde es als ratsam, realistisch und hilfreich zu denken. Hat man beispielsweise Angst vor der nächsten Prüfung, ist schnell eine Gedankenkette in Gang gebracht. Man befürchtet durch Nichtbestehen sein Studium aufgeben zu müssen, keinen Job zu finden und am Ende unter der Brücke zu landen. Betrachtet man diese Gedanken realistisch, merkt man schnell, dass die Wahrscheinlichkeit eines solchen Weges sehr gering ist. Und hilfreich sind sie auch nicht. Angemessener ist es zu denken: wenn ich scheitere, gibt es andere Wege, die ich einschlagen kann. Autogenes Training kann in stressigen Zeiten sehr hilfreich sein, um sich zu entspannen. Veranschaulichen lässt es sich gut durch die Fahrradmetapher: Jeder weiß, dass man mit einem Fahrrad Gas geben kann, doch wer möchte ein Fahrrad ohne Bremse? Man muss lernen, auch einmal zur Ruhe zu kommen. Zuletzt empfehle ich, sich ungestörte Arbeitsblöcke zu schaffen und den Zeitaufwand für zu erledigende Aufgaben realistisch einschätzen. Niemand kann mehr als acht Stunden am Tag konzentriert und intensiv lernen. Zusätzlich ist es ratsam, auch Pufferzeiten einzuplanen. Eine gute Planung kann Stress und Frustration reduzieren.

Viele schämen sich, einen Psychologen aufzusuchen. Wie würden Sie dagegen vorgehen?

Persönlich habe ich den Eindruck, dass die Hürde einen Psychologen aufzusuchen, geringer wird. Allerdings wird die Wahrnehmung auch stark von der Meinung der Gesamtbevölkerung sowie von der Kultur der Hochschule beeinflusst. Viele meinen, ihre Probleme alleine lösen zu müssen, da sie sonst als krank gelten. Daher würde ich in Zukunft gerne Begrifflichkeiten wie ‚psychologisch‘ in Beratungsangeboten vermeiden und durch Coaching oder schlicht Beratung ersetzen. Sich Beratung zu suchen, ist intelligent. Schaut man sich beispielsweise erfolgreiche Sportler oder Unternehmer an, sind alle von einem Schwarm an Beratern umgeben. Es kann also nicht verkehrt sein, sich in schwierigen Situationen Unterstützung zu holen. Genau dafür sind wir da.

Ich bedanke mich bei Ihnen für das Gespräch.

Weitere Informationen unter:

Psychologische Beratung, Büro im Gebäude der Wohnheimverwaltung Steenbeker Weg 20 (Eingang auf der Rückseite des Gebäudes), Tel.: (04 31) 88 16 325, Email: psychologen@studentenwerk-s-h.de oder auf der Internetseite: http://www.studentenwerk.sh/de/beratung-familie/psychologische-beratung/index.html

Autor*in
Share.
Leave A Reply