Seit 2014 ist die Juniorprofessorin Julia Weitbrecht an der Uni Kiel im Institut für Ältere Deutsche Literatur tätig. Mit ihr ist auch ein Projekt an die CAU gekommen: Beredte Tiere. Narrative Konfigurationen von Mensch-Tier-Beziehungen in der deutsch sprachigen Tierliteratur des 14.-16. Jahrhunderts. Neben Weitbrecht sind auch die beiden Doktorand*innen Renke Kruse und Hanna Rieger in dem Projekt tätig. Ziel ist es, die Funktion von Tieren in didaktischen und enzyklopädischen Texten zu erforschen. Die Texte stehen dabei in einer langen Traditionsreihe. „Bereits in antiken Naturkunden werden Tiere und ihre Eigenschaften auf eine ganz bestimmte Weise beschrieben. Dann gibt es die Fabeltradition, die aus der antiken Rhetorik kam und in die lateinische Schultradition des Mittelalters gewandert ist“, erläutert Weitbrecht die beiden zugrunde liegenden Denklinien. Ihre Grundannahme ist, dass Tiere als Medien der Spiegelung und Reflexion dienen, die gleichzeitig die Grenzen des Menschlichen aufzeigen.

Einige der den Tieren zugeschriebenen Eigenschaften sind unserem modernen Verständnis nicht fern. So gilt der Fuchs auch heute noch als listig. Diese Charakteristik verweise auch auf den Menschen. „Es gibt aber Tiere wie den Wolf, bei dem ich den Eindruck habe, dass er aus der Wildnis in den Kulturraum guckt und den Menschen dazu bringt, die Grenze zwischen Natur und Kultur zu reflektieren“, fügt die Juniorprofessorin hinzu. Ähnliches gelte für das Einhorn, das erst gezähmt werden müsse, um für den Menschen verfügbar zu werden. Diesem Wesen werden auch heilende Eigenschaften zugeschrieben, die für uns heute zur Magie geworden sind. „Für uns ist das Aberglaube, im Mittelalter war es Teil der Welt. Dass man das Einhorn nie gesehen hat, ist nachgeordnet, stattdessen wird die Symbolkraft sehr ernst genommen.“ Auch die christliche Symbolik besäße eine große Relevanz, ihr genauer Einschlag in die Fabel müsse jedoch innerhalb des Forschungsprojektes weiter untersucht werden.

In den USA ist der Diskurs in den Animal Studies politisch ausgerichtet; es wird zum Beispiel über Tierrechte verhandelt. Weitbrecht betont, dass das nicht das Anliegen der Mediävisten sein könne. Dennoch sei das untersuchte Thema bedeutsam. „Ich habe den Eindruck, wir verstehen besser, wieso Tiere so ubiquitär sind. Der Blick auf Tiere wird geweckt, aber man bekommt vielleicht auch ein besseres Verständnis dafür, warum bestimmte Differenzierungen zwischen Mensch und Tier [im Mittelalter] anders verlaufen als bei uns.“ Außerdem seien Tiere sehr anschaulich und zugänglich. „Wenn das Thema dazu in der Lage ist, Menschen für mittelalterliche Zusammenhänge zu begeistern, dann ist das schon viel wert“, freut sich Weitbrecht

Titelbildquelle: Louis Figuier/Antiker Fundus der Bibliothek der Unversität Sevilla

Autor*in

Maline ist 25 und studiert Deutsch und Politikwissenschaft im Master an der CAU. Sie ist seit Mai 2015 Mitglied beim Albrecht.

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