Es gibt viele Dinge, die ziemlich ätzend sind. Autos, die illegalerweise zu viele Stickoxide ausstoßen. Zigaretten, die nicht nur Rauchende krank machen, sondern auch alle Umstehenden. 300 000 Tonnen Munition aus zwei Weltkriegen, die immer noch langsam in der Ostsee vor sich hin rotten. Obwohl wir uns alle einig sind, dass diese Umstände schlecht sind, existieren sie weiterhin. Und es ist nicht in Aussicht, dass sie abgeschafft werden. Beim Kieler Institut für Toxikologie ist es anders. Niemand findet es ätzend. Im Gegenteil, das Institut ist sehr beliebt: Während unserer Recherche zur möglichen Schließung des Instituts waren sich alle unsere Gesprächspartner einig, dass die im Institut betriebene Forschung gesellschaftlich relevant und qualitativ hochwertig ist. Aber so wie es aussieht, könnte es diese wichtige unabhängige Forschungseinrichtung in spätestens drei Jahren nicht mehr geben. Wie absurd das ist, zeigt sich, wenn wir einen Blick auf die Argumentation der Beteiligten werfen.

Die Medizinische Fakultät gab an, dass es sich bei der Forschung des Instituts zwar um wichtige Forschung handle, aber eben nicht um medizinische – dementsprechend solle das auch jemand anderes bezahlen. Moment: Ist nicht gerade die Prävention von Erkrankungen, die durch Umweltgifte hervorgerufen werden, ein Kerngebiet einer Profession, die sich dem Heilen und Mindern von Leid verschrieben hat? Oder wird sich hier – zugespitzt gesagt – um die Arbeitsmarktchancen zukünftiger Studierender gesorgt, in einer zukünftigen Welt, in der die Menschen nicht mehr krank durch Abgase, Alltagsdrogen und andere Schadstoffe vor den Arztpraxen Schlange stehen? Durch die Abschaffung eines Institutes, das sich mit Gefahren durch Umweltgifte beschäftigt, rückt eine gesündere Welt zumindest nicht näher. Die Kieler Uni beruft sich auf die Eigenständigkeit der medizinischen Fakultät. Die Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät möchte die Toxikologie anscheinend zwar unter ihre Fittiche nehmen, aber das zusätzliche Geld für deren Einrichtung soll woanders herkommen. Die Landesregierung möchte sich durch finanzielle Unterstützung nicht erpressbar machen, falls die Uni mal wieder auf die Idee kommen sollte, ein gesellschaftlich überaus relevantes Institut nur unter der Bedingung, dass es vom Land mitfinanziert werde, am Laufen zu halten. Zusammengefasst: Das Institut möchten alle. Gesellschaftliche Verantwortung übernehmen und für die zusätzlichen Kosten aufkommen, das möchte bisher niemand.

Es sieht also düster aus für die Zukunft der Toxikologie, nicht nur in Kiel: In den 80er Jahren gab es circa 20 unabhängige toxikologische Forschungsinstitute in Deutschland. Sie wirkten unter anderem beim Verbot von Asbest als Baumaterial, Weichmachern in Alltagsgegenständen und besonders gefährlichen Insektiziden in Haushalten mit. Heute gibt es nur noch eine Handvoll Institute mit Umweltschwerpunkt, in Norddeutschland ist die Kieler Toxikologie das einzige. Wie dieser Rückgang zustandekommt, erschließt sich nicht, denn Umweltbewusstsein und der Wunsch nach einem gesunden Leben scheinen sich immer stärker einen Weg in die Köpfe der Menschen und somit in die Mitte der Gesellschaft zu bahnen. Dass der Direktor eines universitären Instituts auf wissenschaftlicher Basis mit den Werbeversprechen der Tabakindustrie aufräumt oder zusammen mit Greenpeace dafür sorgt, dass Schadstoffe aus Zuchtlachs verschwinden, spricht jedoch dafür, dass dessen Forschung nicht nur unbequeme Wahrheiten offenlegt, sondern in diesem gesellschaftlichen Prozess eine tragende Rolle spielt.

Nur unabhängige Forschungsstätten können entgegen wirtschaftlicher Interessen die Bevölkerung vor gesundheitlichen Risiken aufklären. Deshalb ist es umso elementarer, den Fortbestand des Kieler Instituts zu ermöglichen. Im anderen Fall gäbe es große Verluste zu beklagen: Für die Universität den Wegfall eines Musterbeispiels für öffentlich wahrgenommene Forschung, für die Studierenden den Verlust beliebter und interdisziplinärer Lehre und Weiterbildung, für Schleswig-Holstein das Verschwinden einer raren Expertise im Land. Und im Endeffekt für alle, die wie das Institut für Toxikologie aufmerksam und besorgt auf Gesundheitsgefahren und Umweltverschmutzung blicken.

 

Autor*in

Eva ist seit November 2015 in der Redaktion. Sie studiert Biochemie und Molekularbiologie an der CAU. Als Ressortleiterin hat sie sich bis Anfang 2019 um den Hochschulteil der Zeitung gekümmert, mittlerweile schlägt ihr Herz für Online.

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