Daumen hoch für die Trampstellen auf dem CAU-Campus
von Leona Sedlaczek und Mimke Lena Teichgräber

Wir dachten, dies würde ein Verriss werden. Ein bodenloses Fass der Witzeleien darüber, wie wir Stunden an den neuen, nur pseudo-innovativ wirkenden Trampstellen der CAU verbrachten, leidend, in der Sonne schwitzend, in unseren Annahmen bestätigt, da uns niemand im eigenen Vehikel mitnehmen und vom oberen Campus in die Leibnizstraße, oder von unten wieder nach oben befördern wollte. Doch wir haben uns geirrt.

Seit 2015 ist Trampen in Kiel eine offiziell anerkannte, sogar vom Stadtrat hoch gelobte Art der Fortbewegung. An der IKEA-Kreuzung, wo die Autobahnanbindung Richtung Hamburg und Flensburg beginnt, wurde im Juni vor drei Jahren die bundesweit erste offizielle Trampstelle errichtet: Ein großes grünes Schild mit nach oben gestreckten Daumen soll Fahrende motivieren, ihre freien Plätze zur Verfügung zu stellen und Trampenden einen sicheren Platz zum Ein- und Aussteigen bieten.

Seit März 2018 stehen die Daumen-hoch-Schilder nun auch auf dem CAU-Campus. Vier Trampstellen hat die Uni in Zusammenarbeit mit der Stadt errichten lassen, um die Busse besonders während der Stoßzeiten zu entlasten. „Die Trampstellen sind eine gute Alternative zum Busverkehr in Kiel, der mittlerweile an die Kapazitätsgrenzen gestoßen ist“, sagte Peter Bender, Leiter des Tiefbauamts der Stadt Kiel, bei der Einweihung.

(v.l.n.r.) Peter Bender (Tiefbauamt Kiel), Clara Döge (AStA der CAU), Sebastian Starzynski (Umweltmanagement der CAU) und Dr. Uwe Pfründer (Gebäudemanagement der CAU) eröffnen die vier Trampstellen am CAU-Campus
(v.l.n.r.) Peter Bender (Tiefbauamt Kiel), Clara Döge (AStA der CAU), Sebastian Starzynski (Umweltmanagement der CAU) und Dr. Uwe Pfründer (Gebäudemanagement der CAU) eröffneten am 20. März die vier Trampstellen am CAU-Campus // Jürgen Haacks/CAU

Auf dem Campus zu trampen, ist im Grunde die Renaissance einer früher normalen Praxis. Von Eltern, die in den 80ern an der CAU studierten, hören wir, dass ständig Studierende zwischen Westring und Leibnizstraße hin- und hertrampten. In Ermangelung einer regelmäßigen Busverbindung war es normal, bei der Fahrt im eigenen Auto ein paar Kommiliton*innen den Weg zu erleichtern.

Jene Schilder, die diese Praxis in die Gegenwart überführen sollen, befinden sich in beiden Richtungen jeweils in nächster Nähe zu den Bushaltestellen auf Höhe des Unihochhauses und der OS 75. Sie sollen nicht nur fürs Pendeln zwischen den Instituten hilfreich sein, sondern auch den vielen Fahrgemeinschaften zwischen Kiel und Hamburg Fläche bieten. Damit alles sicher und machbar bleibt, wurden die Seitenstreifen vom Parkplatz zur Trampstelle umfunktioniert. Das dafür eingerichtete Parkverbot wird allerdings aktuell noch weitgehend ignoriert, weshalb die Stellen dauerhaft zugeparkt sind.

Trampstellen Test / Jürgen Haacks/CAU
Vorausgesetzt niemand parkt die Trampstelle zu, kann hier leicht ein- und ausgestiegen werden // Jürgen Haacks/CAU

Wer nicht nur den Daumen rausstrecken, sondern planen will, kann die eigens errichtete CAU-Gruppe auf der Website und App flinc nutzen. flinc funktioniert wie BlaBlaCar und kann zur Bildung von einmaligen oder festen Fahrgemeinschaften rundum den CAU-Campus genutzt werden. Mit dem Code „CAU757“ lässt es sich der Gruppe beitreten.

Soweit die Theorie. Natürlich wollten wir wissen, wie die Praxis aussieht. Erster Test: die App. Innerhalb weniger Minuten haben wir uns per Handy auf flinc registriert, doch das Ergebnis ist ernüchternd: Jemand bietet regelmäßig eine Fahrt von und nach Groß Rheide an, viele Gesuche bleiben jedoch unbeantwortet. Da bei flinc auch innerstädtische Kurzstrecken angeboten werden können, gibt es in der CAU-Gruppe zum Beispiel Gesuche für eine Mitfahrgelegenheit von der Uni nach Gaarden, und von den Kunstateliers im Anscharpark nach Südfriedhof. flinc hat also noch viel ungenutztes Potential und bräuchte mehr Zulauf, um Fahrgemeinschaften unter denen zu bilden, die regelmäßig mit dem Auto zur Uni fahren, beziehungsweise mitfahren möchten.

Werfen wir einen Blick auf die Transportmöglichkeiten, die uns vom oberen zum unteren Campus befördern können: Wer ein Auto hat, schafft die Strecke in drei Minuten, muss sich anschließend allerdings noch einen Parkplatz erkämpfen. Zu Fuß dauert es circa 14 Minuten von der oberen zur unteren Trampstelle, mit dem Rad durchschnittlich vier Minuten den Berg runter und fünf Minuten den Berg rauf. Mit den Bussen, die durch das Trampen entlastet werden sollen, braucht mensch nur drei Minuten, wartet aber zwischen einer und 13 Minuten auf das oft vollgestopfte Vehikel.

Damit die Trampstelle ihren Zweck erfüllt, ohne Studierende von ihren Lehrveranstaltungen fernzuhalten, dürfte die Wartezeit bei drei Minuten Fahrtzeit, nicht länger als zehn Minuten sein, damit die Fahrt das Wandern und die Buswartezeit schlägt.

Trampstelle Fakten // Jürgen Haacks/CAU, bearb. Leona Sedlaczek
Gut zu wissen: Wir haben die Strecke auf die durchschnittliche Dauer der verschiedenen Transportmöglichkeiten getestet // Hintergrund Jürgen Haacks/CAU, bearb. Leona Sedlaczek

Zweiter Test: An die Straße stellen und Daumen raus! An einem Donnerstag zwischen 13 und 14.30 Uhr – also mitten in der Stoßzeit – trampten wir von den ausgeschilderten Stellen drei Mal hoch und wieder runter. Die durchschnittliche Wartezeit: 91 Sekunden! Nie standen wir länger als zwei Minuten und 30 Sekunden und wurden im Schnitt vom vierten Auto, das uns passierte, eingesammelt. Die Fahrer*innen waren zwei Studentinnen, eine Altenpflegerin auf dem Weg in den Feierabend, ein Juraprofessor, ein pensionierter Lehrer und ein Paar auf dem Weg zu Aldi. Obwohl in der kurzen Zeit nur wenig Austausch stattfinden konnte, reichte sie, um herzliche und interessierte Worte auszutauschen.

Die Gesamtbilanz: Wenig optimistisch hat DER ALBRECHT die Trampstellen getestet, mit einem überraschenden und begeisternden Ergebnis. Diese alternative Transportmöglichkeit funktioniert auch im Jahr 2018 noch vorzüglich und bietet Spaß und ein bisschen Aufregung im Uni-Alltag. Obwohl wahrscheinlich wenige Studierende Tramperfahrungen haben und die Spots bisher kaum genutzt wurden, lohnt es sich, die vollen Busse zu meiden und stattdessen per Daumen für drei Minuten einem neuen Menschen zu begegnen und den Verkehr an der Olshausenstraße zu nutzen. Und wer weiß, vielleicht wohnt der Mensch im PKW sogar im selben Stadtteil und kann uns auf dem Nachhauseweg von der Uni vor der Haustür absetzen? Falls das alles aber doch mal zu lange dauert, sind die Bushaltestellen auf jeden Fall nicht weit.

Zum Trampen an der Uni lautet also die Devise: Einfach mal machen. Wer es selbst ausprobiert, kann sogar Rückmeldung geben. Das Klimakonzept der CAU klik freut sich über Meinungen und Kritik. Wir geben ganz im Tramp-Jargon verweilend einen Daumen hoch für diese neue Transportmöglichkeit an der CAU.

Trampstellen-Karte / CAU
Hier befinden sich die Trampstellen auf dem CAU-Campus // CAU Kiel/klik

 

 

 

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