Ein Interview mit der Beauftragten für Studierende mit Behinderung und chronischen Erkrankungen 

Dagny Streicher ist als Beauftragte für Studierende mit Behinderung und chronischen Erkrankungen die Ansprechpartnerin, wenn es um Fragen rund um das Studium mit Beeinträchtigung geht. In diesem Interview bespricht DER ALBRECHT mit ihr, was die Hauptprobleme der betroffenen Studierenden sind, was die CAU für Hilfestellungen anbietet und was Nichtbetroffenen über Inklusion bewusst sein sollte. 

In welchen Situationen wenden sich die betroffenen Studierenden an Sie?  

Ich gehöre zum Team der Zentralen Studienberatung. An die richten sich viele Studieninteressierte, die an unserer Uni studieren wollen und immer, wenn es um Fragen geht wie: „Wie kann ich mit meiner Beeinträchtigung ein Studium erfolgreich absolvieren?”, „Welche Unterstützungsmöglichkeiten gibt es?” oder „Welche Studienbedingungen gibt es überhaupt an unserer Uni?“ bin ich die Ansprechpartnerin. Für Studieninteressierte geht es viel um die Frage, was sie an der Uni erwartet. Das große Thema Nachteilsausgleich spielt da bereits eine Rolle. Das ist auch das Hauptthema für Studierende, die wenden sich meistens mit konkreten Fragen zum Nachteilsausgleich an mich. Oder vor dem Hintergrund, dass sie eine Erkrankung oder Behinderung haben und merken, dass sie im Studium nicht gut zurechtkommen. Dann gehen wir darauf ein und schauen, welche Möglichkeiten es gibt.

Welche konkreten Hilfestellungen und Maßnahmen bietet die CAU an? 

eine Beeinträchtigung hat, können sich Auswirkungen auf das Studium ergeben und dann versuchen wir mit dem Nachteilsausgleich die Prüfungsbedingungen anzupassen, damit die Person an der Prüfung teilnehmen und ihre Kenntnisse und Fähigkeiten zeigen kann. Es geht nicht darum, dass weniger abgefragt wird oder Punkte gutgeschrieben werden, sondern um eine Anpassung der Bedingungen. Das können beispielsweise eine verlängerte Arbeitszeit bei Klausuren, ein separater Prüfungsraum oder Anpassungen in den Lehrveranstaltungen sein. Es gibt viele Maßnahmen, die letztlich immer individuell festgelegt werden. 

Worüber sollten sich Menschen, die nicht betroffen sind, im Hinblick auf Inklusion bewusst sein?

Es ist wichtig zu wissen, was eigentlich mit dem Begriff „Studierende mit Behinderung und chronischer Erkrankung” gemeint ist.  Da leitet sich schon einiges daraus ab. Es geht hier nicht nur um körperliche und sinnliche Beeinträchtigungen, sondern auch um den großen Bereich der psychischen Erkrankungen. Es geht um ADHS, Autismus, Legasthenie. Es ist sehr wichtig, sich bewusst zu sein, dass viele Studierende von Erkrankungen betroffen sind und unter erschwerten Bedingungen studieren. Es gibt allgemeine Prüfungs- und Studienbedingungen, die nicht für alle barrierefrei sind. Zugänglichkeit hat nicht nur etwas mit Gebäuden zu tun, sondern zum Beispiel auch mit digitalen Inhalten und den vielen verschiedenen Bedürfnissen, die sich aus Beeinträchtigungen ergeben. 

Wie viele sind das denn? 

Es gibt im Grunde keine genaue Zählung, wie viele Studierende mit Beeinträchtigung an der CAU studieren, aber es gibt eine bundesweite Statistik, die Sozialerhebung des Studentenwerks. Und es gibt auch noch eine Studie namens Beeinträchtigt studieren, da sind die Zahlen allerdings etwas älter. Aber aus diesen Ergebnissen kann gelesen werden, dass etwa zwölf Prozent aller Studierenden bundesweit mit einer Beeinträchtigung studieren und dass diese Beeinträchtigungen sie auch im Studium behindern. Wenn man zwölf Prozent auf die CAU umrechnet, ist das eine ganze Menge. Viele Beeinträchtigungen sind auch gar nicht sichtbar. Da kann der Eindruck entstehen, es seien Wenige betroffen, aber in Wirklichkeit ist das anders. Es gibt auch Studierende, die ihre Beeinträchtigung geheim halten, weil sie das Gefühl haben, sie sei ein „Makel”. Ich würde mir von jeder Person wünschen, dass sie dies im Hinterkopf behält. Ebenso den Gedanken der Diversität, den finde ich sehr wichtig.    

Wie bürokratisch und zeitintensiv ist es, wenn neue Inklusionsmaßnahmen getroffen werden? Zum Beispiel wenn eine neue Rampe gebaut werden soll. Kriegen das die Betroffenen überhaupt vor ihrem Studienabschluss mit?  

Die baulichen Maßnahmen sind ein Bereich für sich. Kleinere Maßnahmen sind relativ schnell umzusetzen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass unser Gebäudemanagement durchaus schnell reagiert, auch auf individuelle Beschwerden oder Kritik von den Studierenden. Es gibt aber auch größere Maßnahmen, die durch äußere Umstände – also zum Beispiel, dass eine Ausschreibung erforderlich ist – tatsächlich länger dauern. Das muss voneinander getrennt werden. Der klassische Nachteilsausgleich ist natürlich etwas, das sich auf das Individuelle richtet. Das hat auch etwas mit Bürokratie zu tun. Wenn ich zum Beispiel studiere und eine Sehbeeinträchtigung habe, dann ist es wichtig, dass die Klausurunterlagen angepasst werden. So etwas wird beim Prüfungsamt beantragt und das kann dann auch für das gesamte Studium gelten. Es wird dann ein Bescheid vom Prüfungsamt ausgestellt und dieser kann den Prüfenden vorgelegt werden. Das ist allerdings durchaus ein bürokratischer Aufwand, bei dem ich die Studierenden unterstütze. Ich würde mir wünschen, dass Studierende von vornherein flexiblere Möglichkeiten hätten, sodass dieser Aufwand an mancher Stelle gar nicht erforderlich wäre. So ist aber der Nachteilsausgleich ein wichtiges Instrument, um Barrieren zu überwinden. 

Wo sehen Sie insgesamt noch Verbesserungspotential der CAU im Bereich Inklusion?  

Ich denke, es ist wichtig, alle Universitätsangehörigen für die Bedarfe von Menschen mit Beeinträchtigungen zu sensibilisieren. Ich sage Menschen, weil das nicht nur Studierende betrifft, sondern auch Mitarbeitende. Mein zweiter Wunsch wäre, Barrieren so weit wie möglich abzubauen. Dass genau geschaut wird, wie wir Informationen zur Verfügung stellen, also über die Webseite, in digitalen Lehrveranstaltungen, wie Formulare angeboten werden. Ansonsten finde ich es sehr wertvoll, wenn Studierende Rückmeldung geben, damit wir immer im Blick behalten können, wie zum Beispiel die Beantragung und die Umsetzung von Nachteilsausgleichen genau abläuft. Ich würde mir wünschen, dass die Bedarfe von Menschen mit Beeinträchtigungen sichtbarer gemacht werden.  

Vielen Dank für das Gespräch! 

Falls du Kontakt zu Dagny Streicher aufnehmen möchtest, kannst du sie telefonisch unter 0431/880-2825 oder per  
E-Mail an barrierefrei-studieren@uv.uni-kiel.de erreichen. 

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