The First Cut Is The Deepest – Dokumentarfilmdebuts Kieler Studierender

Das Kino in der Pumpe ist an diesem Freitag ausverkauft. Bierflaschen klirren, das Licht im Saal wird langsam gedimmt und der erste Kurzfilm des Dokumentarfilmdebuts Kieler Studierender beginnt. Es ist ein wichtiger Abend für die jungen Filmemacher des Masterstudiengangs Medienwissenschaften.

Unter der Leitung von Dr. Willem Strank nahmen die Studierenden an einem Projektmodul mit dem Thema Dokumentarfilm teil. In diesem Seminar hatten die Studierenden ein Jahr Zeit, ein komplettes Konzept für einen Kurzfilm zu erarbeiten und dieses filmisch umzusetzen. Viel Fleiß, Kreativität und eine Menge Arbeit stecken in den fünf gezeigten Kurzfilmen. Die dokumentarischen Filme wagen Einblicke in historische, sozio-kulturelle und politische Kontexte, befassen sich aber auch mit teils sehr persönlichen  Inhalten.

Der Weg zu den fünf kleinen Meisterwerken war ein ständiger Lern- und Findungsprozess, wie DER ALBRECHT im Interview mit den zwei Filmemacherinnen Elena Kruse und Johanna Ehrhardt erfahren hat: „Bevor wir überhaupt ans Filmen und Sichten von Material denken konnten, mussten wir uns erst einmal die theoretischen Basics aneignen. Einige von uns hatten noch überhaupt keine Erfahrung im Bereich des Filmemachens.“ Der erste Teil des Pflichtmoduls bestand aus einer Reihe von theoretischen Grundlagen, die die Studierenden auf ihre Kurzfilmdrehs vorbereiten sollten: „Wir hatten mehrere Workshops, zum Beispiel zur Kameraführung oder zur Planung und Konzeption des eigentlichen Kurzfilms“, erzählt Johanna. Es wurden Dokumentarfilme gesichtet und analysiert, um so die Grundstrukturen des Genres kennenzulernen. Bei diesem theoretischen Teil standen auch die Werke von Dokumentarfilm-Größen wie Jean Rouch oder Peter Liechti auf der Tagesordnung: „Einige der gezeigten Dokumentarfilme dienten als Inspiration, während wieder andere uns zeigten, wie ein Dokumentarfilm generell funktioniert und aufgebaut ist“, fasst Johanna zusammen.

Trotz der vielseitigen theoretischen Einführungen gab es stets Situationen, in denen die jungen Filmemacher oft vor einer Herausforderung standen: „Ich glaube, manchmal muss man einfach ein bisschen ‚Underdog‘ sein und sich etwas trauen. Mit gewissen Kniffen kann man eigentlich immer zum Ziel kommen“, lacht Elena. „Bei einigen Aufnahmen musste komplett umgedacht werden, weil äußere Einflüsse dazukamen, die man zuvor nicht bedacht hatte. Diese hätten den zeitlichen oder finanziellen Rahmen des Kurzfilms gesprengt. Da mussten wir einfach handeln.“

Mann am Meer: Marian Pollok, Radio: Jasmin Schönke, Marten Schwarz, Mann mit Koffer: Jurij Abegg
Mann am Meer: Marian Pollok, Radio: Jasmin Schönke, Marten Schwarz, Mann mit Koffer: Jurij Abegg

In Gruppen von fünf bis sechs Leuten wurde in jeder freien Minute an der Fertigstellung des Kurzfilmes gearbeitet, dabei hatte jedes Teammitglied seine ganz eigene Aufgabe: „Man denkt zuerst, dass es sehr schwierig ist, die Leute aus einer Gruppe zu koordinieren. Aber es hat sich dann einfach ergeben, dass wirklich jeder das machen konnte, was er gern wollte.“ Da die meisten der jungen Filmemacher kaum Erfahrung hatten, wurden einige Aufgaben, wie Kameraführung und Postproduktion auf mehrere Mitglieder verteilt, „denn mehr Augen sehen einfach mehr und können dementsprechend auch mehr Fehler ausfindig machen“, fügt Johanna hinzu. Sie wirkte am Kurzfilm Last Minute(s) mit – ein sehr persönliches Porträt über eine Abschiebebeobachterin am Hamburger Flughafen. Neben den sehr emotionalen Interviewsequenzen schafft es dieser Kurzfilm, nicht zu sehr in eine politische Richtung zu gehen, sondern einen Blick hinter die Fassade eines staatlichen Organs zu werfen.

Über ein ganzes Jahr beschäftigten sich die Filmemacher mit der Entstehung der Filme, casteten ihre Protagonisten, fuhren an Drehorte und verbrachten Tage vor dem Bildschirm, um das Material zu bearbeiten: „Einen echten Film zu drehen und plötzlich praktisch zu arbeiten, ist ein ganz anderer Schritt, als nur Filme zu analysieren und zu besprechen. Es war zeitweise wirklich hart und sehr arbeitsintensiv. Es waren reale Gegebenheiten, mit dem Unterschied, dass wir noch wenig die Skills hatten“, schmunzelt Elena.

Der Kurzfilm cover, den Elena mit fünf weiteren Studierenden gedreht hat, setzt sich auf experimentelle Weise mit dem modernen, aber realitätsfernen Schönheitsideal auseinander. Die Besonderheit an diesem Film ist die Herangehensweise an das Thema. Im Mittelpunkt stehen Werbeplakate, viel menschliche Haut und detaillierte Naturaufnahmen, die metaphorisch aufeinander bezogen werden. Ein selbstreflexiver Kurzfilm, der auch mit seiner surrealen, aber einmaligen Klangkulisse das Publikum zu überzeugen weiß.
Bevor es jedoch zu einer Vorführung beziehungsweise zum eigentlichen Premierenabend kommt, gibt es jede Menge zu erledigen: „Das Projektseminar ist nicht damit beendet, dass der Film abgedreht ist. Danach geht es erst richtig los: Die Premiere muss organisiert, die Gästeliste erstellt und die Pressemitteilungen müssen geschrieben werden“, erklärt Johanna.

Neben den zwei bereits vorgestellten Kurzfilmen, gibt es noch drei weitere, die jeweils einen ganz anderen Fokus wählten. Vom Porträt bis hin zur Führung in einem historischen Gebäude Kiels bieten alle Kurzfilme interessante Facetten, liebenswerte Charaktere und einzigartige Geschichten. Wer Lust auf eine spannende Reise durch fünf völlig verschiedene Dokumentationen hat, muss sich leider noch ein wenig gedulden. Zum Redaktionsschluss standen noch keine Termine zu weiteren Vorführungen fest.

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