Wenn von Alleinerziehenden die Rede ist, dann fällt der Zusatz ‚Mütter’ meistens im gleichen Atemzug oder wird im Kopf dazugedichtet. Doch neben den 2,2 Millionen alleinerziehenden Müttern in Deutschland gibt es laut dem Statistischen Bundesamt auch 407.000 alleinerziehende Väter. Um herauszufinden, wie es ist, zu einem Teil der Gesellschaft zu gehören, der gerne vergessen wird und was das mit der Definition der eigenen Männlichkeit macht, habe ich mit zwei alleinerziehenden Vätern gesprochen.   

Es fallen zwei Extreme auf, wenn es um die Reaktion der Gesellschaft darauf geht, dass ein Mann seine Kinder ohne die Mutter großzieht. Auf der negativen Seite steht sofort die Frage nach der Mutter. Die Menschen können nicht glauben, dass ein Mann der Aufgabe der Erziehung gewachsen ist. Andere können sich nicht vorstellen, wie eine Mutter so kaltherzig sein kann, ihren Nachwuchs mit dem Vater alleine zu lassen. Einer der Väter sagte mir, was ihn daran am meisten störte: „Mutterliebe wurde aufgrund der 40-wöchigen Schwangerschaft immer höher bewertet als eine vergleichbar existierende Vaterliebe.” Das geht dann manchmal so weit, dass die Kindergärtner:innen alle Angelegenheiten über die Mutter regeln wollen, obwohl ausdrücklich und mehrmals erklärt wurde, dass der Vater der Erziehungsberechtigte ist. Auch die Kinder bleiben von solchen Aktionen nicht verschont, wenn zum Beispiel andere Eltern ihren Kindern mehr Essen mitgeben, welches dann mit dem Kind des alleinerziehenden Vaters geteilt werden soll, denn wer weiß, ob der Vater überhaupt kochen kann. 

Zum Glück gibt es dann auch noch die positive Seite, auf der alleinerziehende Väter große Anerkennung erfahren, weil sie trotz Vollzeitjob und Freizeitbeschäftigung auch noch in der Lage sind, ein guter Vater für ihr Kind zu sein. Das ist für Mütter, die ihre Kinder alleine erziehen, natürlich genauso schwierig, es scheint aber, als wäre die Anerkennung dafür in der Gesellschaft verbreiteter, als wenn es um Väter geht. Einer der Väter hat mir erzählt, was er erwartet hat, als er seinem Chef mitteilte, dass er ab jetzt alleinerziehend wäre: „Gerechnet habe ich mit der Konsequenz, dass ich in Teilen von meiner Verantwortung entbunden werden würde oder ich gar aus Gründen der Unverträglichkeit von Beruf und Privatleben kündigen müsste.” Stattdessen bekam er kindergerechte Arbeitszeiten und sogar die Möglichkeit, ins Home-Office zu gehen, was zu der Zeit noch nicht sehr verbreitet war.  

Die Kinder beider Väter sind mittlerweile erwachsen und rückblickend konnten beide Männer sagen, dass sie ihre Entscheidung niemals bereut haben. „Heute behaupte ich, dass es eine der besten, wenn nicht gar die beste Entscheidung meines Lebens gewesen ist”, sagt einer der Väter. Es ist zwischen Vater und Kind ein besonders enges Verhältnis entstanden, das auch im Erwachsenenalter noch vorhanden ist. Gerade deshalb ist es wichtig, dass das Bild eines alleinerziehenden Vaters in der Gesellschaft normalisiert wird, damit ebendiese ihre Entscheidung nicht vielleicht sogar irgendwann anzweifeln. 

Das Lebensmodell eines alleinerziehenden Vaters passt nicht in das klassische Bild eines Mannes, der zur Arbeit geht und das Geld nach Hause holt und mit Glück genug Freizeit hat, um dem Sohn das Fußballspielen beizubringen. Zum Glück entfernen wir uns immer weiter von diesem Männlichkeitsbild,was einige Menschen aber leider nicht davon abhält, die Männlichkeit von Vätern, die ihre Kinder ohne Mutter erziehen, in Frage zu stellen. Beiden Vätern, mit denen ich gesprochen habe, fiel es relativ leicht, darüber zu stehen, was andere denken. Schließlich haben sie ihre Entscheidung aus purer Liebe zum Kind getroffen und daran kann jemand Fremdes nicht rütteln. Das ändert aber trotzdem nichts daran, dass es nicht in Ordnung ist, über einen fremden Menschen, der sein Kind ohne Mutter erzieht, in irgendeiner Form zu urteilen. 

Was können wir also tun, um das Lebensmodell des alleinerziehenden Vaters zu normalisieren? Wir sollten einfach – auch in anderen Zusammenhängen – nicht über Lebensumstände urteilen, deren Gründe wir gar nicht kennen. Was geht es uns an, ob die Mutter des Kindes vielleicht verstorben ist oder keine Lust auf die Verpflichtungen hat, die so ein Kind mit sich bringt? Wichtig ist auf jeden Fall, immer daran zu denken, dass alleinerziehende Väter eigentlich genau so sind wie alleinerziehende Mütter und wenn es sein muss auch mal ihr Kind bei der Arbeit auf einer Tischtennisplatte wickeln – nur, dass bei ihnen eben ein anderes Geschlecht im Ausweis steht. 

Autor*in
stellvertretende Chefredakteurin

Mira ist 22 Jahre alt und studiert seit dem WiSe 2020/21 Soziologie und Deutsch an der CAU. Sie ist seit November 2020 Teil der ALBRECHT-Redaktion und leitete ab Februar 2021 für ein Jahr das Ressort Hochschule. Ab Februar 2022 war sie für ein Jahr die stellvertretende Chefredakteurin.

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