Ob Synagoge, Kirche oder Moschee – Religion ist ein vielfältiger Begriff und fester Bestandteil unserer Gesellschaft. Der Glaube gestaltet sich weltweit äußerst vielseitig und facettenreich. Doch wie sieht die religiöse Vielfalt in Kiel aus? Der Interreligiöse Arbeitskreis Kiel veröffentlichte 2004 mit Unterstützung der Landeshauptstadt Kiel einen Reader, in dem die verschiedenen Religionen sich vorstellen, die in der Fördestadt vertreten sind.

Christentum
Etwa 130 000 Menschen und damit der Großteil der Bevölkerung Kiels gehören dem Christentum und damit der größten Weltreligion an. Seit der Gründung Kiels 1242 zieren Kirchen das Stadtbild. Die älteste Kirche ist die Nikolaikirche am Alten Markt, die nicht nur Hauptkirche, sondern auch das älteste erhaltene Gebäude der Stadt ist. Als Kiel 1871 zum Reichskriegshafen Preußens wurde, wuchs die Einwohnerzahl in den folgenden 40 Jahren nahezu um das Zehnfache. Im Zuge dessen stieg die Zahl der Christen in Kiel stark an und es wurden mehrere Garnisonskirchen errichtet. Allen Studierenden der CAU ist außerdem die dreieckige Universitätskirche am Westring ein Begriff, die 1966 eingeweiht und die einzige nach dem zweiten Weltkrieg wiederaufgebaute Uni-Kirche Deutschlands ist. Erste evangelische Prediger kamen 1526 nach Kiel, heute gehören fast alle christlichen Bürger Kiels der evangelischen Kirche an. Insgesamt gibt es 23 evangelische und vier katholische Gemeinden in der Stadt.

Judentum
Erst am Ende des 18. Jahrhunderts, unter dem Regiment König Christians VII., durften sich Juden in Kiel ansiedeln. Das erste jüdische Bethaus der Stadt wurde 1782 in einem ehemaligen Universitätsgebäude gegründet, das heute nicht mehr existiert. 1869 zog die jüdische Gemeinde in die erste Synagoge in der Haßstraße um. Dieses Gebäude ist heute leider nur noch als Ruine erhalten. Eine größere Synagoge wurde 50 Jahre später am Schrevenpark eingeweiht. Dieses Gotteshaus wurde in der Reichspogromnacht zerstört. Bis zur Machtübernahme Hitlers zählte die jüdische Gemeinde in Kiel mehr als 600 Mitglieder, mehr als die Hälfte konnte in den folgenden Jahren auswandern. Nach Kriegsausbruch wurden die meisten Kieler Juden deportiert und ermordet. Lediglich 27 Juden lebten Anfang der 1960er Jahre in Kiel. Erst nach dem Zusammenbruch des Ostblocks wuchs die jüdische Bevölkerung wieder an, sodass im Jahr 1997 der erste Gottesdienst seit der Zerstörung der Synagoge gehalten werden konnte. Heute leben mehr als 400 Juden in Kiel.

Ein Mahnmal erinnert an die Auswirkungen der Reichsprogromnacht von 1938. Foto: ms
Ein Mahnmal erinnert an die Auswirkungen der Reichsprogromnacht von 1938. Foto: ms

Islam
Die Geschichte des Islam in Kiel beginnt in den 60er Jahren, als türkische Gastarbeiter in die Bundesrepublik gekommen waren. Um Religion, Tradition und Kultur auszuleben, wurden anfangs große Räumlichkeiten wie beispielsweise Sporthallen gemietet, um an bestimmten Festtagen zusammenzukommen und gemeinsam zu feiern. Für die längerfristige Bewahrung des Glaubens wurden später Vereine gegründet und Moscheen finanziert. Die ersten Moscheen entstanden vor allem am Kieler Ostufer, wo die türkischen Migranten lebten und arbeiteten. Gegenwärtig existieren zehn Moschee- und Kulturvereine in Kiel, die meisten davon in Gaarden, es gibt aber auch Standorte in Pries/Friedrichsort und Neumühlen-Dietrichsdorf. Die Habib- Moschee ist die erste Moschee, die von außen als Sakralbau zu erkennen ist. Sie wurde 2004 fertiggestellt und befindet sich in der Flintbeker Straße.
Seit 2010 gibt es an der Uni Kiel die Islamische Hochschulgemeinde (IHg-Kiel), die durch regelmäßige Aktivitäten, wie der jährlich stattfindenden Islamwoche Religion und Kultur näherbringen wollen.

Buddhismus
Der Buddhismus kann in unterschiedliche buddhistische Schulen eingeteilt werden. Die älteste noch heute existierende Schultradition ist der aus Südasien stammende Theravada. Vordergründig im Theravada-Buddhismus sind das Beruhigen und die Konzentration des Geistes sowie das Vermeiden von Leid und Schwierigkeiten im Alltag. Angehörige dieser Schule organisieren sich in Kiel im Katanyutaram Meditation Center.  Am häufigsten in Deutschland verbreitet ist der Vajrayana, der hierzulande auch Diamantweg-Buddhismus genannt wird. Grundlage dieser Richtung ist, dass jeder das Potential zur vollen Erleuchtung in sich trägt. Das Buddhistische Zentrum der Karma Kagyü Linie e.V. widmet sich in Kiel dieser Schule. Der älteste buddhistische Verein Kiels, der Zen Kreis Kiel e.V., existiert seit 1991. Wichtig im Zen-Buddhismus sind vor allem Meditation und Schulung in Selbstverantwortung. Auch die seit 2004 existierende Zen Sangha e.V. praktiziert diese Richtung des Buddhismus.

Hinduismus
Die drittgrößte Weltreligion, der Hinduismus, verfügt in Kiel bisher noch nicht über eine fest organisierte Religionsgemeinschaft. Seit 1963 besteht jedoch die Deutsch-Indische Gesellschaft in Kiel, die den kulturellen Austausch fördert. Sie unterstützt indische Gäste in Kiel, insbesondere die vielen indischen Studierenden, die Kiel für ein Studium besuchen. Der nächste hinduistische Tempel befindet sich in Hamburg.

Bahaitum
Die siebtgrößte Religion der Welt ist das Bahaitum. Der Bahai-Glaube ist wie auch das Christentum, das Judentum und der Islam streng monotheistisch. Religiöse Praktiken wie Selbstkasteiung oder Beichte lehnen die Bahai ebenso wie ein Leben im Überfluss und ein freiwilliges Leben in Armut ab. Das wichtigste Ziel der Bahai ist die Einheit der Menschheit. Hierfür muss die Gleichheit von Mann und Frau gewährleistet und eine Welthilfssprache entwickelt werden. Der europaweit einzige Bahai-Tempel befindet sich in Langenhai, einem Ort in Hessen. In Kiel gibt es seit 1970 eine Bahai-Gemeinde. Die Gemeinde setzt sich aus vielen verschiedenen ethnischen Gruppen zusammen, sie zählt unter anderem Mitglieder kolumbianischer, tamilischer und deutscher Herkunft. Die Bahai-Weltgemeinde umfasst sogar weit über 2 000 ethnische Gruppen. Das Kieler Gemeindezentrum der Bahai befindet sich unweit des kleinen Kiels in der Legienstraße.

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