Die Abenteuer des Universums
Titel: Die neuen Abenteuer von Herrn Hase Bd. 1: Eine etwas besser Welt & Die Abenteuer ohne
Herrn Hase Bd. 1: Die Abenteuer des Universums.
Autor: Lewis Trondheim
Verlag: Reprodukt. Je 48 Seiten, Softcover (farbig). 13 Euro.

Einfallslose Zeitgenossen titulieren den Franzosen Lewis Trondheim aufgrund seines gigantischen Outputs gerne als Workaholic, aber das ist natürlich Humbug. Es bedarf schon Neologismen wie „Comic-Berserker“ oder „Erzähl-Megalomane“ um diesem wahnwitzigen Oeuvre gerecht zu werden. Beispielsweise spaltete Trondheim seine Fantasy-Reihe Donjon, spaltete Trondheim von Anfang an in vier separate Serien, die er auf je 100 Bände anlegte. Andere Projekte sind nicht ganz so ausufernd, dafür ist ihre Zahl aber schier endlos: Ralph Azham, Maggy Garrison, Mohnblumen aus dem Irak, R-24, Die Kosmonauten der Zukunft, Texas Cowboys – hier hat einer derart viele Eisen im Feuer, dass im Ofen eigentlich überhaupt kein Platz für die Glut mehr sein dürfte. Einen pointierten Einstieg in das wild mäandernde Werk bietet Die neuen Abenteuer von Herrn Hase, die jüngst erschienene Fortsetzung der Serie, die Trondheim 1997 in Deutschland bekannt machte. Ihr Alleinstellungsmerkmal besteht darin, dass jede Episode zwar auf die gleichen grob gezeichneten und vermenschlichten Tierfiguren zurückgreift, Hase, Katze und Hund aber von klassischem Kostümdrama bis zynischem Western nahezu alle denkbaren Genres durchspielen. Im aktuellen Album Eine etwas bessere Welt ist es allerdings das Paris der Gegenwart, dass das gutmütige Langohr an seine Grenzen bringt: Nicht genug, dass ein Pharma-Proband mit seherischen Kräften und eine aufdringliche Dating-App-Bekanntschaft an ihm kleben, selbst ein simpler Auffahrunfall eskaliert, bis Herr Hase am Ende in einer handfesten Geiselnahme steckt. Trondheim beherrscht dieses spielerische Chaos aus dem Effeff, noch bemerkenswerter sind allerdings die autobiografischen Kurzgeschichten, die zeitgleich unter dem Titel Die Abenteuer des Universums erscheinen. Wie er sich mit Vogelkopf und einer Mimik, die nur Apathie oder blankes Entsetzen zu kennen scheint, beim Verzweifeln am alltäglichen Leben in Szene setzt,sprengt das die Grenzen dessen, was man gemeinhin unter Authentizität, Realismus oder Dokumentation versteht. Und wenn Trondheim hyperventilierend zu verhindern versucht, dass sich sein kleiner Sohn ständig Steine in den Mund steckt, wirkt das wie die Mutter aller Actionszenen. (7/10)

 

Batman/Teenage Mutant Ninja Turtles
Titel: Batman/Teenage Mutant Ninja Turtles Bd.1 & Bd. 2: Der dunkle Ritter in New York.
Autor: James Tynion IV (Skript) & Freddie Williams II (Zeichnungen).
Verlag: Panini. 140/148 Seiten, Softcover (farbig). 16,99 Euro.

Als Comic-Leser freut man sich paradoxerweise häufig auf etwas, von dem man weiß, dass es einen mit ziemlicher Sicherheit enttäuschen wird – das ist dann Crossover. Dieses Aufeinandertreffen beliebter Figuren aus unterschiedlichen Verlagshäusern geht zumeist mit hohen Erwartungen und ernüchternden Resultaten einher. Warum sollte das bei der ersten Gemeinschaftsproduktion von Batman und der kampferprobten Kröten-Kombo anders sein? Wegen der schablonenhaften Handlung schon mal nicht: Durch den Unfall mit einem Dimensionstor verschlägt es die Ninja Turtles und Erzfeind Shredder in die Heimatstadt des dunklen Ritters. Der hält das grüne Quartett zunächst für eine Verbrecherbande, verbündet sich dann aber mit ihnen gegen eine Allianz aus Shredder und der eigenen Schurkengalerie. Abseits davon kommt man aus dem Schwärmen aber gar nicht wieder raus: Die kunstvoll zusammengeführten Zeichenstile! Die cleveren Cliffhanger! Der grantige Humor der Kröten („Ein Irrer in ‘nem Dracula-Kostüm der Clowns verprügelt. Was für ‘n Unsinn!“)! Schnell war eine Fortsetzung, die nun unter dem Titel Der dunkle Ritter in New York erscheint, beschlossene Sache. Darin müssen sich die Turtles mit dem Machtvakuum herumschlagen, das ihr Sieg über Shredder in der Unterwelt hinterlassen hat. Als sie Batmans Hilfe suchen, beamen sie versehentlich auch dessen Nemesis Bane in den „Big Apple“, der den Bandenkrieg dann auf ein ganz neues Niveau hebt. Das Ergebnis ist schlicht erstklassiger Fan-Service und lässt fast vergessen, dass auch Sequels eigentlich etwas sind, auf das man sich freut, obwohl es einen mit ziemlicher Sicherheit enttäuscht. (8/10)

 

Die drei ??? – Das Dorf der Teufel
Verlag: Kosmos. 128 Seiten, Softcover (farbig). 16,99 Euro.

„Du sollst dir kein Bild von ihm machen!“ – was für Gott gilt, gilt für Justus Jonas, Peter Shaw und Bob Andrews schon lange. Als Säulenheilige des Jugendhörspiels kennt man ihre Stimmen besser als die der eigenen Eltern, während ihr Aussehen stets der Fantasie überlassen blieb. Entsprechend abwegig waren die Verfilmungen, die vor einigen Jahren erschienen. Gleiches scheint zunächst ebenfalls für die Comic-Adaption zu gelten: Auch hier muss man den Figuren eine wiedererkennbare Form geben. Allerdings (und darin besteht der gravierende Unterschied) bleibt es möglich sich den Klang der Stimmen, wie man ihn aus den Hörspielen kennt, hinzuzudenken. Das Dorf der Teufel, nach Der dreiäugige Totenkopf (2015) der zweite Comic um das Detektivtrio, behauptet sich vergleichsweise geschickt in seiner prekären Lage: Er punktet mit einer nostalgischen Geschichte, die die drei Fragezeichen entsprechend in eine Siedlung verschlägt, deren Bürger jegliche Form des Fortschritts ablehnen und wie vor hundert Jahren leben. Hinter der rustikalen Fassade tun sich jedoch bald Abgründe auf, die mit Schreckgestalten, die durch das nächtliche Örtchen schleichen, noch lange nicht ausgelotet sind. Visuell punktet Das Dorf der Teufel, indem es die Figuren relativ abstrakt belässt und mit spärlichen, aber effektiv gesetzten Farbakzenten pointiert. Die Optik orientiert sich dabei an der Arbeit der legendären Illustratorin Aiga Rasch (1941-2009), deren Titelmotive das visuelle Erscheinungsbild der Serie erst prägten. Traditionalismus muss kein Teufelszeug sein. (7/10)

 

The Boys
Titel: The Boys: Gnadenlos-Edition 1-4
Autor: Garth Ennis (Skript) & Darick Robertson/Rodney Ramos/John McCrea/Peter
Snejbjerg/Russ Brown (Zeichnungen)
Verlag: Panini. 336/384/332/356 Seiten, Hardcover (farbig). 29,99/je 35 Euro.

Mit der Demontage des Superhelden ist es nicht so weit her, wie man landläufig immer meint: Klar, Rorschach (Watchmen, 1987) war ein brutaler Fanatiker mit Hygieneproblemen, doch wir mochten ihn dafür, dass er ein harter Hund war, der immer den besten zynischen Spruch auf Lager hatte. Und die Mitglieder der Authority (1999) waren zwar eher tyrannisch als heroisch, sahen dabei aber zumindest cool aus. Erst The Boys (2006-12)  achte keine halben Sachen mehrAutor: John Beckmann/Ivar Leon Menger (Skript) & Christopher Tauber (Zeichnungen) und stieß die Weltenretter so tief in den Schmutz, dass sie sechs Jahre, 72 Hefte und drei Miniserien lang darin liegen blieben. Hier waren die Figuren keine gebrochenen Helden, sondern miese Charakterschweine, die ihre Kräfte missbrauchten, um ihrem pervertierten Geltungsdrang Ausdruck zu verleihen. Typen, deren Horizont bei den eigenen Genitalien endete und die auf Kollateralschäden keine Rücksicht nahmen. Egoisten, die sich benahmen, wie Donald Trump in Spandex. Damit sie dennoch nicht schalten und walten können wie sie wollen, gibt es die „Boys“ eine verdeckt operierende, bestenfalls halb-legale Sondereinheit, die einst aufgestellt wurde, um die Superhelden unter Kontrolle zu halten. Das Team um den skrupellosen Butcher und  einen sympathischen Azubi Hughie spioniert und infiltriert, um die Schwächen der Übermenschen im richtigen Moment ausnutzen zu können. Im Vorfeld der 2019 startenden Fernsehserie erscheint nun eine Gesamtausgabe der Serie, als mächtige, voraussichtlich sechs Bände umfassende
„Gnadenlos-Edition“. Die ersten vier Bänder erzählen einerseits abgeschlossene Episoden (etwa über die fatalen Folgen, die es haben kann, wenn man sich als Superheld auf einer Dreier mit seiner Lieblingsschurkin und dem eigenen Sidekick einlässt), entwerfen aber auch eine komplette
alternative Welt: Die Übermenschen sind hier Produkte des politisch-militärischen Komplexes, Symbole eines bis ins Mark verkommenen Systems. „The Boys“ ist eine großangelegte nihilistische Satire, deren Humor blind für Gürtellinien ist und von einem tiefschwarzen Zynismus zusammengehalten wird, der jede Erzählung adelt. (8/10)

 

Sekundärliteratur: Jamie Hewlett – Works from the Last 25 Years
Autor: Alan Martin (Skript) & Jamie Hewlett (Zeichnungen)
Verlag: Taschen. 424 Seiten, Hardcover (farbig). 40 Euro.
Mit seinem Comic Tank Girl (1988-95) schrieb sich Jamie Hewlett (*1968) nachhaltig in die englische Populärkultur ein: Die radikal unabhängige Figur des panzerfahrenden Riot Girls, das im postapokalyptischen Outback ein anarchisch-gesetzloses Leben führt, avancierte gleichermaßen zu einer Ikone des damaligen feministischen wie alternativen Lebensstils. Heute ist Hewlett besonders in Form der animierte Band Gorillaz, die er 2000 mit Blur-Sänger Damon Albarn erfand, präsent. Dass sich sein künstlerisches Werk nicht auf diese beiden Grundpfeiler reduzieren lässt, zeigt nun ein ansprechend gestalteter, großformatiger Bildband, der detailliert durch die einzelnen Schaffensphasen führt. Leider fehlen (wohl aus Lizenzgründen) die formidablen Doom Patrol- und Shade the Changing Man-Arbeiten, die Hewlett von 1992 bis 1994 für den amerikanischen Verlagsriesen DC anfertigte. An anderer Stelle nimmt die Ausführlichkeit, mit der das Schaffen des Künstlers dokumentiert wird, absurde Ausmaße an: Ein Abschnitt zeigt auf 14 Seiten nichts anderes, als schwarz-weiße Zeichnungen von Ästen (sic!). Ein großer Spaß ist hingegen das Kapitel, das die nicht realisierten Projekten beleuchtet: Hier finden sich eher beängstigenden Kinderbücher wie Eric the Bat wants to play (das verständlicherweise kein Verlag veröffentlichen wollte) oder Vorarbeiten zu dem verworfenen Animationsfilm Hitler the Fashion Student. Nicht zu vergessen: Die Illustration The Incredible Hulk’s Hippy Niece, die wahrlich hält, was ihr Titel verspricht. (7/10)

 

Wiederveröffentlichung des Monats: Crimson
Titel: Crimson Bd.1+2
Autor: Brian Augustyn (Skript) & Humberto Ramos (Zeichnungen)
Verlag: Panini. 312/304 Seiten, Hardcover (farbig). 29,99/35 Euro.

Wollte man eine Parodie auf den US-Comic der auslaufenden Neunziger Jahre zeichnen, das Ergebnis sähe vermutlich aus wie Crimson:  eitaufgerissene Augen und grotesk gebleckte Fangzähne wohin man schaut, während das Blut möglichst dynamisch über alle Seiten spritzt. Alle Frauen haben Wespentaillen und so klobige Füße, als würden ihre Schuhe noch im Karton stecken. Davon abgesehen sind sie äußerst leicht bekleidet   selbst dann, wenn sie nächtelang auf den verschneiten Dächern des winterlichen New Yorks Wache halten. Aber natürlich ist Crimson keine Persiflage, sondern ein echtes Original, das es zwischen 1998 und 2001 auf 24 Ausgaben brachte und nun in zwei edlen Sammelbänden als  esamtausgabe neu aufgelegt wurde. Im deren Zentrum steht der Teenager Alex Elder, der mit seinen halbstarken Kumpels eigentlich nur eine entspannte Nacht im Central Park verbringen wollte. Damit sind sie leichte Beute für eine marodierende Vampir-Gang, die einzig Alex mit dem  Leben davonkommen lässt, der nun seinerseits einen unstillbaren Appetit auf Blut entwickelt. Als wäre das nicht schon schlimm genug, muss er zudem erkennen, dass sich im nächtlichen New York auch Werwölfe, Engel, Kreuzritter und Drachen tummeln, die in ihm eine Schlüsselfigur sehen,  die den ewigen Kampf zwischen Himmel und Hölle entscheiden soll. Wichtiger als die überfrachtete Handlung, die immer verworrenere Pfade einschlägt, bis sie sich in einem Finale entlädt, das sich über mehr als 150 Seiten hinzieht, ist hier jederzeit die Optik: Solange alles knallt, glitzert und mit den digitalen Mitteln der Zeit auf Hochglanz gebürstet ist, sind guter Geschmack und Nachvollziehbarkeit Makulatur. Gerade dieses ebenso hemmungs- wie beispiellose Abfeiern anachronistischer Extreme verleiht Crimson gleichsam ein veritables Alleinstellungsmerkmal. Und wer glaubt, die totale Reizüberflutung sei eine Erfindung des 21. Jahrhunderts, wird hier eines Besseren belehrt. Prädikat: Historisch wertvoll. (6/10)


Short Cuts

Tillie Walden: Pirouetten:

Im Eiskunstlauf wird seit jeher ein ganz besonderes, hyper-heterosexuelles Schönheitsbild propagiert. Äußerst problematisch also, wenn dort ein junges Mädchen feststellt, dass es nicht an Jungs, sondern am eigenen Geschlecht interessiert ist. Was die erst 22jährige Tillie Walden hier erzählt, ist autobiografisch – mit filigranen Kunststücken kennt sie sich also aus. 12 Jahre Amateur-Karriere auf 400 Seiten auszubreiten, ohne sich dabei in Redundanzen oder eitler Nabelschau zu verlieren, ist so eines. (400 Seiten, Softcover. 29 Euro)

 

Émile Bravo: Spirou oder: Die Hoffnung:

Im September 1943 ließ die deutsche Besatzung das belgische Comic-Magazin Spirou einstellen. Als das Land ein Jahr später befreit wurde, meldete man sich umgehend mit einer Sonderausgabe zurück, die zu einem Symbol des passiv-alltäglichen Widerstands avancierte. Der Frage, wie der junge Page Spirou, Titelheld und Maskottchen des Magazins, die Kriegszeit wohl erlebt hätte, widmet sich nun eine auf vier Bände angelegte Serie, deren ersten Teil unter dem poetischen Titel Schlechter Start in neue Zeiten erscheint. Mit klar-nostalgischem Strich und strikt humanistischem Blick, in dem Patriotismus und Militarismus beider Seiten keinen Platz haben, entsteht ein differenziertes Zeitgemälde, dessen Relevanz leider ungebrochen ist. (93 Seiten, Softcover. 14 Euro)

 

Diverse: Batman und die Justice League – Weihnachtsgeschichten:

Klar, früher war mehr Lametta. Aber dafür lagen unter dem Baum auch weniger Superhelden. Und wer noch nicht gesehen hat, wie Batman von einem Rudel Kaufhaus-Weihnachtsmänner zu Milch und Keksen eingeladen wird (oder wie Harley Quinn im Eierpunsch-Rausch das Böse in Santa Claus Gehirnbekämpft), hat ohnehin keine Ahnung, wie  esinnlichkeit überhaupt buchstabiert wird. (100 Seiten, Hardcover 14,99 Euro)

 

Diverse: Star Wars: Schatten des Imperiums, Crimson Empire III & Yodas geheimer Krieg:

Anders als in den letzten Jahren gibt es 2018 pünktlich zum Fest keinen neuen Film aus dem Star Wars-Universum. Das Todesstern-große Loch, das dadurch in der Freizeitgestaltung entsteht, sollte am besten umgehend mit entsprechenden Comics gestopft werden. Anbieten würde sich etwa die Neuauflage der berühmten Miniserie Schatten des Imperiums (1996, John Wagner/Kilian Plunkett), die noch einmal an die Ur-Trilogie anknüpft und die Leerstellen zwischen Das Imperium schlägt zurück und Die Rückkehr der Jedi-Ritter eindrucksvoll füllt. Anschließend empfiehlt sich die deutsche Erstveröffentlichung Crimson Empire: Das verlorene Imperium (2012, Randy Stradley/Paul Gulacy), die nach dem Ende des dritten Films ansetzt: Die Rebellion hat gesiegt, der Imperator ist gefallen. Überlebt hat allerdings Kir Kanos, eine Art intergalaktischer Elitesoldat, der Rache für den Tod seines Herren geschworen hat und nicht davor zurückschreckt, auch Luke Skywalker und Han Solo ins Visier zu nehmen. Den Sack zu macht schließlich der aktuelle Band Yodas geheimer Krieg, eine Geschichte, die den größten aller Jedi-Meister auf einen von Kindern bevölkerten Planeten verschlägt, dessen Stämme sich erbittert bekämpfen. Wenn der grüne Runzelgnom seine grammatisch inakzeptablen Weisheiten auspackt, wird es friedlich in uns: Stille Macht, heilige Macht. (144/144/148 Seiten, Hardcover/Softcover. 13,99/13,99/17 Euro)

 

Nick Kyme/Jack Jadson: Blood Bowl: Mehr Mut, Mehr Ruhm!

Dass Orks, Elfen und Menschen ihre Differenzen mal nicht auf dem Schlachtfeld, sondern auf dem Football-Platz austragen, ist eine der wohl abseitigsten Ideen der Fantasy-Literatur. Mehr Mut, mehr Ruhm! schmückt dieses Konzept zur klassischen Underdog-Story aus, die das schwächelnde Menschen-Team „Hochland Harbingers“ auf ihrem Weg zur Meisterschaft begleitet. Für Sentimentalitäten bleibt dabei kein Platz: Von schwarzer Magie bis zu Monstern in Trikots ist ihren Gegnern jedes Mittel zum Sieg recht, das Spiel „Blood Bowl“ trägt seinen Namen wahrlich nicht umsonst. (116 Seiten, Softcover. 15 Euro)

 

Peter Milligan/Leandro Fernández: The Discipline

Seinen Ehemann zu betrügen, kann viele Folgen haben. Was der jungen Hausfrau Melissa passiert, nachdem sie sich mit einem mysteriösen Fremden einlässt, ist dennoch eher selten: Kaum untreu geworden, wird sie zur Schlüsselfigur einer uralten Fehde zweier übersinnlicher Geheimorganisationen, deren Mitgliedern in der Lage sind, sich während des Geschlechtsverkehrs in mächtige Halbwesen zu verwandeln. Als „tabulose und kontroverse Horrorgeschichte über Sex und Verwandlung“ beschreibt der Klappentext The Disciple nicht unzutreffend. Man könnte es aber auch anders ausdrücken: „Eine am Reißbrett konstruierte Mischung aus Twilight und Fifty Shades of Grey – nur ohne den Weichspüler.“ (148 Seiten, Softcover. 17 Euro) Diverse: Niemandsland Bd. 4-7: Als Ende der 1990er ein Erdbeben Batmans Heimatstadt Gotham verwüstete, ließ die Regierung die Metropole schlampig räumen und erklärte sie kurzerhand zum Niemandsland. Band 4 bis 7 der Gesamtausgabe illustrieren  eindrucksvoll, dass die Ruinen nun erst recht Verbrecher hervorbringen, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat: Da ist der Muskelberg Lock-Up, der ein Gefängnis zum Ausbildungslager für seine Privatarmee umfunktioniert hat und nun jeden inhaftiert, der nicht bei drei auf den Bäumen ist (Band 4). Da ist der Joker, der sich aus einer Laune heraus zum Bürgermeister des Niemandslandes wählen lassen will. Als Gegenkandidat wünscht er sich ein Schwein, als er keines findet, kürt er ungefragt ein „Bullenschwein“ der Polizeimiliz zu seinem Konkurrenten. Politsatire auf der Höhe der Zeit (Band 5). Da ist Kleinganove Shank, der einen Fluchtweg aus der Stadt verspricht, seine Kunden aber nur in ein dunkles Kellerloch stößt, in dem frühere Opfer sich notgedrungen dem Kannibalismus zugewandt haben (Band 6). Und da ist der schizophrene ehemalige Staatsanwalt Two-Face, der den Polizeichef entführen lässt, um ihn vor ein getürktes Gericht zu stellen. Der Zwiespalt seiner Persönlichkeiten hat dabei zur Folge, dass er sich gezwungen sieht, abwechselnd als engagierter Verteidiger und jähzorniger Richter zu agieren (Band 7). Knapp 20 Jahre später fällt es schwer, in diesen grotesken Schreckensbildern keine Vorwegnahme heutiger Zustände zu sehen. Das Ende der Fahnenstange ist dabei noch nicht mal erreicht:  zumindest ein weiterer Niemandsland-Band folgt noch. (252/252/220/292 Seiten, Softcover. 26/27/22/29 Euro)

 

Backlist-Tipp: Paul Levitz: The Bronze Age of DC Comics

 Um 1970 kam es zum ersten Generationswechsel in den amerikanischen Comicheften. Junge Autoren revolutionierten das Format, indem sie  tagesaktuelle Themen wie eskalierenden Rassismus und zunehmenden Drogenmissbrauch in den Fokus der Öffentlichkeit rückten. Zeichner wie Neal Adams oder Bernie Wrightson steuerten psychedelisch-düstere Zeichnungen von bisher ungekannter Qualität bei. Figuren wie Swamp Thing oder Jonah Hex erblickten erstmals das Licht der Welt. Sie alle werden in diesem prachtvollen Bildband gewürdigt und von Paul Levitz gewohnt launig
kommentiert. (401 Seiten, Hardcover. 40 Euro)

 

Autor*in

Janwillem promoviert am Institut für Neuere deutsche Literatur- und Medienwissenschaft. Er schreibt seit 2010 regelmäßig für den Albrecht über Comics und Musik, letzteres mit dem Schwerpunkt Festivalkultur.

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