Während meiner Jugend und damit auch der Zeit meiner ersten sexuellen Erfahrungen wurde mir ein klares Bild von Masturbation vermittelt. Wenn Jungs sich selbstbefriedigen, dann ist das etwas, worüber in der Pause auf dem Schulhof gesprochen werden kann – immer mit den neuesten Porno-Tipps auf den Lippen. Mädchen dürfen an sowas nicht denken. Sonst werden sie als Schlampen abgestempelt.

Masturbation im Auge der Gesellschaft

Die Generationen Y und Z haben dafür gesorgt, dass über viele Dinge gesprochen und aufgeklärt wird, die noch vor einigen Jahren tabu waren: Von mentaler Gesundheit über die Periode zu LGBTQIA+-Rechten. Auch weibliche Selbstbestimmung und Sexualität finden in der Öffentlichkeit mehr Gehör. So spielt die schamlose Erkundung des eigenen Körpers bei jungen Frauen beispielsweise in der Netflix-Serie Sex Education eine große Rolle. Aber allein die Tatsache, dass wir solche Medien brauchen, um jungen Frauen zu zeigen, dass auch sie ihre Sexualität ausleben dürfen, zeigt: In der Vergangenheit ist vieles schiefgelaufen.

Weibliche Sexualität und vor allem die Selbstbefriedigung trägt nach wie vor einen fahlen Beigeschmack mit sich. Für viele ist es etwas, das nur im Geheimen passieren darf. Und wenn eine Frau sich mal selbstbefriedigt, dann in Popkultur und Pornos nur, um sich währenddessen vor dem Mann zu räkeln. Wenn ich Sexspielzeug im Internet bestelle, dann habe ich die Möglichkeit, auf das Versandlabel druckerzubehör.de oder modeschmuck.de schreiben zu lassen. Für mich kommt dadurch immer das Gefühl auf, ich müsste mich für meine Bestellung schämen – dabei muss ich das nicht!

Film, Fernsehen und Pornos

In manchen Bereichen hat sich viel getan. Filme und Serien mit der Zielgruppe Teenager greifen das Thema auf und zeigen jungen Frauen, dass sie sich nicht dafür schämen müssen, ihren Körper zu erkunden. Vor allem
Netflix legt auf dieses Thema vermehrt Wert und hat neben Sex Education auch Big Mouth, Bonding oder Sierra Burgess is a Loser rausgebracht. Alles Serien und Filme, die mit Humor und der richtigen Portion Ernsthaftigkeit die Geschichten von Frauen erzählen, die lernen, ihre Sexualität auszuleben, wie es ihnen beliebt. Auch in der Porno-Industrie ändert sich einiges, denn feministische Pornos gewinnen immer mehr an Beliebtheit. Hier wird großer Wert auf angenehme Arbeitsbedingungen für Frauen gelegt und ebenfalls darauf geachtet, dass die Filme am Ende auch Frauen und nicht nur Männern gefallen. Zu finden sind diese beispielsweise auf Bellesa oder XConfessions. Das Problem: Männer, welche einen großen Teil zur Stigmatisierung weiblicher Sexualität beitragen, schauen solche Pornos nur selten. 

Mehr Aufklärung gleich mehr Orgasmen?

Was kann also weiterhin getan werden, damit junge Frauen nicht mehr denken, Masturbation wäre etwas, wofür sie sich schämen müssten? Wie bei so vielen gesellschaftlichen Problemen muss in der Schule angefangen werden. Sexualkundeunterricht hat nach wie vor in den meisten Fällen viel zu große Lücken. So wird zum Beispiel über queere Beziehungen so gut wie nie gesprochen. Auch um Sex aus dem reinen Grund der Lustbefriedigung – und damit auch Selbstbefriedigung – wird ein großer Bogen gemacht. Dabei ist sicher, dass in einer siebten Klasse, die Sexualkundeunterricht hat, die meisten schon die ein oder andere Erfahrung mit ihrem eigenen Körper gemacht haben. Das betrifft sowohl Jungs als auch Mädchen. Nur lernen Jungs eben in Film, Fernsehen und Pornos, dass es normal ist, ihren Sexualdrang zu befriedigen. Mädchen hingegen sind meist auf sich allein gestellt. Eine offene und ehrliche Aufklärung durch Eltern und Lehrer:innen ist hier wohl der wichtigste Grundstein. 

Aber was könnt ihr persönlich tun, um mit diesem Stigma aufzuräumen? Schaut feministische Pornos. Seid auch bereit, für diese zu bezahlen. Sprecht mit euren Freund:innen über euer liebstes Sexspielzeug. Kauft nicht unter dem Label druckerzubehör.de sondern ganz einfach bei eis.de (oder wo ihr sonst wollt). Sagt etwas, wenn ihr mit anderen Menschen zusammen einen Film seht, in dem die Befriedigung der Frau unter der des Mannes steht. Versteckt euch nicht hinter unnötiger Scham. Kommt einfach, so oft ihr wollt!

Autor*in
stellvertretende Chefredakteurin

Mira ist 22 Jahre alt und studiert seit dem WiSe 2020/21 Soziologie und Deutsch an der CAU. Sie ist seit November 2020 Teil der ALBRECHT-Redaktion und leitete ab Februar 2021 für ein Jahr das Ressort Hochschule. Ab Februar 2022 war sie für ein Jahr die stellvertretende Chefredakteurin.

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