Wir müssen reden. Über das Wetter. Nicht etwa zur Überbrückung eines unangenehmen Momentes der Stille, wenn der gemeinsame Freund kurz den Tisch verlässt und man sich zu zweit nervös mit den Knien wippend gegenübersitzt und das Wetter das einzig verfügbare Thema zu sein scheint. Auch nicht, weil der wohl von Meteorologie-Witzen meist belastete Monat gerade die Kalender markiert. Sondern, weil der ewige Winter – vielleicht – vorbei ist. Die letzten Jahre verliefen doch so: Kurz vorm Weihnachtsfeste versicherten sich alle, dass der Dezember bisher ungewöhnlich mild gewesen sei, ja, sicherlich, Global Warming und so, man müsse da jetzt unbedingt mal was tun, Heiligabend ohne Schnee, nein, das wäre doch wirklich nicht dasselbe, bestimmt käme da noch eine Kältefront, wartet‘s nur ab – 20 Grad an Heiligabend 2012.

Die eingefrorene Nordland III nach Sturmflut im März 2018 // Bild: Leona Sedlaczek

Das funktionierte fast wie die ersten fünf Staffeln Game of Thrones: Jahrelang wird einem erzählt, dass der Winter käme, in der sechsten Staffel ist er dann endlich da. Denn dieser Winter war da. Dieser Winter war wie die sechste Staffel. Eisig und voller Schnee, so viel Schnee wie in den letzten sechs Jahren zusammen. Dermaßen viel Schnee, dass man ihn manchmal gar nicht mehr am Straßenrand liegend wahrgenommen hat, so gut hatte er sich schon ins Stadtbild integriert. Schnee, der immer wieder kam, auch wenn man ihn schon fortgeglaubt oder -gehofft hatte und dazu eine Eiseskälte! Paradiesisch natürlich für die Fotografie-Liebhaber und Instagrammer Kiels, da sich Winter so wunderbar ablichten lässt – nicht zuletzt, als sich Eiswind und Sturmflut zu einem Spektakel formierten, das uns eingefrorene Stege, Eiszapfen von einer Länge, wie sie sonst nur feucht erträumt wird, und eine zur Hälfte eingefrorene Nordland III am Bootsanleger in Strande herzauberte. Das Beste daran war doch aber, dass Schnee neuerdings mit Sonne zu kommen scheint – selten war es so wolkenfrei in Kiel.

Und jetzt ist es April und es wird langsam warm. Man wagt fast nicht zu hoffen, dass es so bleibt. Ich bin jedoch der festen Überzeugung, dass sich eh alles nach hinten verschieben wird. Bald heißt es dann „Juni, Juni, der macht was er – willi?“. Zugegeben, das ist noch nicht ganz ausgereift, aber der April ist der neue März. Vielleicht kann man dann wenigstens dieses Jahr im Oktober noch ins Meer springen, bevor sich dann im November langsam das Blattwerk verfärbt. Schauen wir also mal, wie viel Sommer im Sommersemester stecken wird und ob die hiesigen Cafés für ihre Karamellkaffees auf Eis nicht auch einfach kurz an der Hauswand kratzen können. Summer is coming, das muss man sich einfach nur lang genug einreden.


Titelbild: Friederike Klössing / Instagram

Autor*in

Leona ist seit Juni 2014 Teil der Redaktion und war von Dezember 2014 bis Februar 2017 Chefredakteurin der Print-Ausgabe des ALBRECHT. Anschließend leitete sie die Online-Redaktion bis Mitte 2018. Leona studiert Englisch und Französisch an der CAU, schreibt für verschiedene Ressorts der Zeitung und kritisiert Land, Leute, Uni und den Status Quo ebenso gerne wie Platten.

Share.
Leave A Reply