Klar gibt es reichlich Radiosender in der Landeshauptstadt – doch wie sieht es aktuell so auf den UKWs für die Altersgruppen der 14- bis 29-Jährigen aus? Ein Kommentar.

Beim spontanen Vergleich mit einigen anderen Radiosendern übers Internetradio fallen viel mehr Gestaltungsmöglichkeiten für unterhaltsames Radio ins Auge beziehungsweise ins Ohr. Denn selbst die Populärsten der Nordsender ecken an manchen Stellen an.

Lobenswert und nicht selbstverständlich ist erst einmal bei NDRs N-Joy, dass im Gegensatz zu vielen anderen öffentlich-rechtlichen Sendern keine Werbung eingebaut ist und es somit viel Musik am Stück zu hören gibt. DeltaRadio punktet durch Mischen von Charts und alternativen, rockigen Stücken. Außerdem schlagen sich die Sender als Konzertveranstalter sehr gut, zum Beispiel bei Akustikkonzerten.

Leider sind die Gewinnspiele und Co. meist mit Telefongebühren verbunden, die nach der tollen Werbung extra angesagt werden müssen. Das kühlt die Begeisterung ziemlich ab, sofern es überhaupt etwas ‚Cooles‘ zu gewinnen gibt. Denn Geldpreise unterhalten nicht, eigene Werbegeschenke noch weniger. Sei es nun das nette Heimkino-Set mit Popcorn und Lieblingsfilm, ein Sommer-Survival-Kit oder eben was die – manchmal auch zynische – Redaktionsfantasie so hergibt. Meist ist der Zweifel, ob die Redakteure an ihrem eigenen Entertainment-Programm teilnehmen, mehr als berechtigt.

N-Joy the music.

Das ist natürlich toll, wenn man den ganzen Tag lang bunte Pop- und Partysongs hören will. Anschließend dasselbe dann auch noch am Abend und in der Nacht. Wer es etwas alternativer und rockiger mag, kann ja auf DeltaRadio umschalten. Klingt einfach und plausibel – Radio hätte so seinen Zweck als Hintergrundbesäuselung erfüllt. Nur leider ist diese Vorstellung von Radio total 90s.

Anders läuft es zum Beispiel oft beim WDR ‚Hipsterradio‘ 1Live, das übrigens von vielen Fans über die Grenzen des ‚1Live- Sektors‘ hinaus gehört wird und online einen gigantischen Zulauf in der eigenen Community hat.

Übliches Radioprogramm tagsüber, dafür dann aber nachts auch launchige Clubbingsounds oder Thriller- und Krimihörbücher. Der Gänsehauteffekt wird durch Stimmen bei Nacht, nicht wissen wann die Story endet, Flüsterstimmen gefolgt von Schreien, Fußstapfen und Co. zum Wachhalter. So etwas fasziniert und kommt nachts noch intensiver und atmosphärischer rüber als am Tag, auch weil Hörbücher unter jungen Leuten recht unverbreitet sind und durch die brillante Umsetzung mit berühmten Schauspielern in Bestform präsentiert werden.

Prägend für einen Sender ist natürlich die Moderation: Über Humor und Geschmack kann man streiten, aber dass die 14- bis 29-Jährigen über ‚Ehepartner-Haus-mit-Garten-und-Kind‘-Witze von albernen, verheirateten Mittdreißigern lachen sollen, scheint wenig durchdacht. Auf Leute um die 20 wirkt das schnell wie Altherrenhumor. Der Humor verändert sich einfach mit der Generation und der Szene, in der sich die Leute aufhalten. Die netten NJoy-Herren mögen auf ihre Art ja auch witzig sein, aber sie sind eben nicht dem Lebensgefühl der U30s ausgesetzt, surfen nicht in ihren sozialen Netzwerken, kennen ihre Insider nicht. Auch die strikte Vermeidung jedes Schimpfwortes oder gar des schlimmen Sch-Wortes schadet am Ende der Authentizität mehr, als dass es einem erwünschten guten Ton nützt.

Unter der Entfernung zu der ‚aktuellen Welt‘ leidet nicht nur der Spaßfaktor: Vieles des medialen Dialogs fällt unter den Tisch, wie zum Beispiel die massive Kritik an Robin Thickes Blurred Lines als Vergewaltigungssong, die in der Social- Media- Welt zusammen mit Project Unbreakable für viel Aufruhr und Boykottaufrufe sorgt.

Ernste Themen wie Gesellschaft und Politik sind sehr sensibel, aber ist das ein Grund erwachsene Menschen lieber mit Berufe-Raten und Telefonstreichen beschäftigen zu wollen? Auch Information, Provokanz und Satire sind durchaus unterhaltend verpackbar.

DeltaRadio oder… kein DeltaRadio?

Mit ‚Die Unterbieter‘ konnte DeltaRadio im Sommer für Gesprächsstoff sorgen: Sich den Namen seines Chefs tätowieren lassen, eine Dose Hundefutter essen, einmal aus- und wieder einziehen: Der Online-Kreis wurde mobilisiert und viele Leute konnten gemeinsam lachen.

Im Gegensatz zu dem allwöchentlichen Sonntagsprogramm ‚Hallelujah, die göttliche Radiosendung‘. Ob die Hörer nun christlich orientiert sind oder nicht, am Sonntagvormittag ist die entspannte Zeit nach einem durchfeierten Wochenende und dann möchte man sich nicht gerne mit der Missionarsstation in Afrika beschäftigen. 1Live macht es vor und nutzt die ‚tote Zeit‘ am faulsten Tag der Woche. Im ‚Fragezeichen‘ werden online und On Air Fragen diskutiert wie „Ist Nett die kleine Schwester von Scheiße?“, „Wie ähnlich seid ihr euren Eltern?“,“Trend Psychotherapie?“, „Regeln fürs erste Date?“. Ähnliches versucht Delta nun mit ‚Facetalk‘, einer Talksendung die von der vergleichsweise kleinen Online- Community angekurbelt werden soll.

Dank Internetradio werden die Grenzen und Musikgeschmäcker glücklicherweise permanent erweitert, und ein anderer Song oder ein anderer Moderator ist nur einen Klick entfernt.

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