Marvin Schmidt (SSW) im Interview zur Landtagswahl 2022 in Schleswig-Holstein 

Am 8. Mai findet in Schleswig-Holstein wieder die Landtagswahl statt. Daher hat sich der ALBRECHT mit dem Campus Radio Kiel zusammengetan. Philipp Nyzik vom Radio und Eileen Linke vom ALBRECHT interviewen gemeinsam Politiker:innen aus Kiel, die Rede und Antwort zu hochschulbezogenen Themen stehen und uns dabei die Forderungen und Programme ihrer jeweiligen Partei näherbringen.  

Dieses Mal ist Marvin Schmidt vom SSW in das Studio des Campus Radio gekommen. Er ist selbst noch Student an der CAU und macht demnächst seinen Abschluss in Wirtschaft-Politik/Deutsch auf Lehramt. Eigentlich stammt Marvin aus dem Saarland, er kam für sein Studium nach Kiel, wo er 2017 das Programm des SSW kennenlernte. Seitdem engagiert er sich für diese Partei und tritt für diese Landtagswahl als Direktkandidat für Kiel Nord an und ist auf Listenplatz Nummer Neun.  

Philipp: Wie findest du das neue Hochschulgesetz? 

Wirklich zufrieden sind wir nicht. Wir hätten uns gewünscht, dass vor allem die Studierenden mehr in den Vordergrund gerückt werden und weniger die Anbindung an die freie Wirtschaft, die nun relativ stark vertreten ist. Dabei werden die Studierenden letztendlich vergessen. Zum Beispiel die studentischen Mitarbeitenden, die auch weiterhin nicht beachtet werden. 

Philipp: Da könnte auch gesagt werden, dass ein neuer gesetzlicher Mindestlohn kommt. Reichen zwölf Euro die Stunde nicht?  

Nein, die reichen nicht. Wir haben generell bei uns im Wahlprogramm stehen, dass wir zum einen auch ein bedingungsloses Grundeinkommen anstreben. Zum anderen wollen wir auch 13 Euro Mindestlohn, weil das letztendlich die Grenze für uns ist, ab der Menschen dann auch leben können. Wir hatten in den letzten Jahren in vielen städtischen Bereichen krasse Mieterhöhungen gehabt. Da wollen wir gegensteuern. Einerseits wollen wir prekäre Verhältnisse verändern, zum Beispiel, dass Studierende 450-Euro-Jobs haben und mit BAföG aufstocken müssen oder gar kein BAföG bekommen. Das wollen wir verhindern, indem wir die Grenze der 450-Euro-Jobs anheben auf wahrscheinlich 560 bis 600 Euro.

Oder wir schaffen diese Verhältnisse komplett ab und gehen in Richtung Werkstudentenverträge, in Kopplung mit einem Mindestlohn, der auch wirklich zum Leben reicht, also 13 Euro. Ein bedingungsloses Grundeinkommen ist eben auch dafür geeignet, um die finanziellen Sorgen der Studierenden aufzufangen und da spielt in dem Punkt auch ein elternunabhängiges BAföG eine Rolle.  

Philipp: Elternunabhängiges BAföG ist auch bei anderen Parteien ein großes Thema. Warum ist das so wichtig?  

Dänemark hat seit einigen Jahren das SU, das ist das Äquivalent zum hiesigen BAföG. Dort bekommen Studierende das Geld unabhängig vom Verdienst der Eltern. Jeder, der in Dänemark studiert, bekommt einen gewissen Betrag, der zum Leben ausreicht, der nicht zurückgezahlt werden muss. Das ist der große Unterschied, den wir in Deutschland haben. Man bekommt es nur, wenn die Eltern schlecht verdienen, obwohl viele das Geld brauchen würden. Und in Deutschland führt das dazu, dass man verschuldet aus dem Studium rausgeht und 10 000 Euro zurückzahlen muss.  

Eileen: Ihr fordert auch, dass sich junge Menschen besseren Wohnraum leisten können und ihr wollt einen staatlich finanzierten Wohnraum schaffen. Kannst uns mehr darüber erzählen? 

Da haben wir drei Punkte, die uns vor allem recht wichtig sind. Das ist zum einen der kommunal geförderte Wohnraum, da haben wir ein gutes Beispiel gefunden mit der KiWoG, also der Kieler Wohnungsbaugesellschaft, die Wohnungen ankauft oder selbst baut und zu verträglichen Preisen weitervermietet. Vor allem natürlich an Menschen, die kein hohes Einkommen haben. Der andere Punkt ist das Studentenwerk SH, das dahingehend unterstützt werden muss, sowohl den Wohnraum zu erweitern, als auch komplette Neubauten zu schaffen. Die aber darüber hinaus nicht nur für Studierende, sondern zum Beispiel auch für Auszubildende oder für Schüler:innen sein sollen, weil auch das Gruppen sind, die oft vergessen werden und auch ein geringes Einkommen haben. 

Eileen: Also Studierendenwohnheime für Azubis und Schüler:innen?  

Genau. Schüler:innen-Wohnheime und Auszubildendenwohnheime als Beispiel. Man kann das aber auch als Mischkonzept gestalten. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass ein Auszubildender oder eine Auszubildende in einem Studierendenwohnheim wohnt.  

Und der dritte Punkt ist das Wohnraum-Schutzgesetz. Wir hatten das auch schon im Landtag gefordert, damit Leerstand verhindert wird. Leider ist die Resonanz bisher nicht groß gewesen. Wir haben gerade in den Städten leerstehende Wohnungen, weil es sich privatwirtschaftlich nicht lohnt, sie zu sanieren und wieder zu vermieten. Damit das nicht passieren kann, gibt es in Hamburg beispielsweise ein Wohnraum-Schutzgesetz. Das besagt, dass Wohnungen saniert und wieder zu fairen Konditionen angeboten werden müssen. Wir haben bis heute immer noch in Kiel Wohnhäuser, Mehrfamilienhäuser, in denen Toiletten auf halber Treppe sind. Auch das kann durch ein Wohnraum-Schutzgesetz geändert oder verhindert werden, dass man in solchen Wohnsituation leben muss. 

Eileen: Ich habe bei euch im Programm gesehen, dass ihr eine weitere Internationalisierung für Hochschulen fordert. Was genau bedeutet das? 

Allein in Kiel haben wir zwei Hochschulen mit unterschiedlichen Semesterzeiten. Die FH startet immer drei Wochen vor der CAU, sie hat nämlich internationale Semesterzeiten. Das heißt, ein Wechsel oder ein Erasmus an eine andere Universität ist von der Kieler Uni immer mit mehr Hürden verbunden, weil der Start an der anderen Uni immer zeitversetzt ist. Wir brauchen aber diese Regelung, damit der Austausch zwischen den Universitäten in Europa deutlich besser wird, sowohl der Wissenstransfer als auch der Austausch zwischen den Studierenden.

Dann gibt es noch die Interact-Projekte. Da gucken wir ganz massiv nach Dänemark und in den Ostseeraum. Dort können wir Synergieeffekte erzielen. Was hilft es uns, wenn wir Meeresforschung und erfolgreichen Schiffsbau betreiben, aber Kiel und die anderen baltischen Städte nicht von den Ergebnissen der jeweils anderen profitieren? Da brauchen wir einen stärkeren Wissenstransfer und wir schauen vor allem in den skandinavischen Raum; die Innovationen sind dort schon sehr weit. 

Philipp: Wie soll der Wissensaustausch denn gefördert werden? 

Der Wissenstransfer ist auch immer damit verbunden, dass Menschen dafür eingestellt und bezahlt werden. An der Uni gibt es häufig eine Knappheit an Personal, sowohl in der Wissenschaft als auch in der Lehre. Da gibt es oftmals keine Zeitkapazitäten mehr, mit anderen Universitäten in Kontakt zu treten. Dafür brauchen wir zusätzliche Gelder, die vom Land kommen müssen. Universitäten müssen stärker mit Projektmitteln ausgestattet werden, erst dann kann ein Austausch geschehen.  

Eileen: Spielt die Digitalisierung dabei auch eine Rolle?  

Das ist ein Punkt, in dem Dänemark schon vor 20 Jahren weiter war, als wir es jetzt sind. Wir haben es zwar geschafft, in den letzten zwei Jahren der Pandemie schnell ein Konzept zu entwickeln, das irgendwie funktioniert. Aber das, was wir jetzt haben, ist in anderen Ländern schon gang und gäbe. Wenn ich mir den Bebauungsplan für Bremerskamp oder die neue UB angucke, dann wurden dort schon Dinge richtig gemacht, aber leider noch nicht ganz richtig. In der aktuellen UB wurde nicht bedacht, dass an manchen Tischen auch zwei Leute sitzen können oder, dass in einer Gruppenarbeitskabine vier Steckdosen gebraucht werden und nicht nur eine.

Ich glaube, dass dieses Gespür bei den Verantwortlichen noch nicht da ist. Der Bedarf an digitalen Geräten und vor allem an der Infrastruktur vor Ort wird nicht gedeckt. Bremerskamp soll ein neuer Hochschulstadtteil werden, und da habe ich die Hoffnung, dass wir dort möglichst alles digital gestalten. Studierende sollen gutes Internet haben und es sollen genug Steckdosen für alle zur Verfügung stehen. 

Philipp: Ihr wollt, dass Gelder, die den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs fördern, hauptsächlich auf dem Land ausgegeben werden sollen. Warum? 

Wir haben festgestellt, dass der größte Bedarf an ÖPNV auf dem Land besteht. Wenn wir uns in Kiel umgucken, haben wir es inzwischen geschafft, dass wir rund um die Uhr ein ÖPNV-Angebot bieten können. Wir haben es auch geschafft, Elektromobilität einzuführen. In Kiel benutzen wir auch die Förde mehr und wir diskutieren jetzt aktuell über ein höherwertiges ÖPNV-System. Das sind aber Dinge, die wir im Stadt-Kontext benennen. Oft ist es so, dass man sagt, der ÖPNV der Stadt hört an der Stadtgrenze auf.

Kronshagen und Altenholz profitieren, weil sie ein wenig umschlossen sind, aber in Strande ist man schnell aufgeschmissen. Da hilft es nicht, den ÖPNV in der Stadt weiter auszubauen. Natürlich muss auch hier noch mehr passieren, aber wir haben in Schleswig-Holstein immer noch tote Ecken, wo es gar keinen ÖPNV gibt und vorwiegend dort muss eine gewisse Grundversorgung geschaffen werden. Die Grundversorgung haben wir aktuell nur in den Städten.  

Vielen Dank für das Gespräch!  

Wenn ihr noch mehr erfahren wollt – das ausführliche Interview gibt es als Podcast beim Campus Radio Kiel zu hören. Dort sprechen wir mit Marvin Schmidt auch über den Internetausbau in Kiel und über Integration!

Alle anderen Interviews findet ihr hier:

Autor*in

Eileen studiert Soziologie/Philosophie und war von Januar 2022 bis Anfang 2024 Chefredakteurin. Sie leitete von Februar 2019 bis Anfang 2020 das Ressort für Gesellschaft. Danach war sie stellvertretende Chefredakteurin. Außerdem werden viele der Illustrationen im Albrecht von ihr gezeichnet.

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