Eine Fachbibliothek, in die es hineinregnet, fehlende Gruppen- oder Arbeitstische in den Fachbereichen, einsturzgefährdete Angerbauten, Computer mit 1,5 Gigabyte RAM, die zehn Minuten zum Laden einer Website benötigen. Studenten der Anglistik, Germanistik und Geschichte müssen in heruntergekommenen Baracken lernen, während Physiker und Chemiker auf der anderen Seite der Leibnizstraße in hochmodernen Laboren forschen können. Es zwingt sich der Verdacht auf, dass Geisteswissenschaften bei der Vergabe von Investitionen im Vergleich zu den Naturwissenschaften maßgeblich benachteiligt werden. Sollten nicht alle Studiengänge der CAU gleichermaßen finanziell unterstützt werden? Sind nicht alle Fachrichtungen gleichwertig?
Wenn die ungleiche finanzielle Unterstützung von Studienfächern damit gerechtfertigt wird, dass Naturwissenschaften höhere und in der Praxis anwendbare Erkenntnisgewinne erzielen, dann drängt sich die Frage auf, ob Geisteswissenschaften denn keine relevanten Erkenntnisse erbringen?
Waren es nicht die Politikwissenschaften, die durch ihre politische Forschung und Bildungsarbeit die Re-Etablierung der Demokratie förderten? Wurden nicht dadurch erst die Rahmenbedingungen für viele andere Wissenschaftsdisziplinen gesetzt?
Daneben hat vor allem die Geschlechtersoziologie in der jüngeren Zeit dazu beigetragen, ungleiche Gesellschaftsstrukturen zwischen Männern und Frauen ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Zudem fungieren Geisteswissenshaften als moralisches Korrelativ, das dafür sorgt, dass Fragen der Ethik bei gesellschaftlichen Debatten – die eben auch um Ergebnisse naturwissenschaftlicher Forschung kreisen – berücksichtigt werden, anstatt nur auf Profit und Gewinnmaximierung zu achten. Erst die Analyse und Bewertung der sich ständig wandelnden Strukturen und Prozesse in einer Gesellschaft ermöglichen ein funktionierendes Zusammenleben in eben dieser. Diese Verdienste nicht anzuerkennen, zollt von einer sehr unreflektierten und kurzsichtigen Perspektive.

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