Warum der Anmeldevorgang in den Geisteswissenschaften unsere studentischen Freiheiten beschränkt

Ein Kommentar von Ricarda Richter

Über Hunde lässt sich streiten. Besonders über die großen, schlaksigen Exemplare mit Schlappohren, spitzer Schnauze und kräftigen Beinen. Haben sie ihr Ziel im Blick, stürmen sie schnell wie der Wind drauf los. Studenten sind diese Vierbeiner vor allem in einem Zusammenhang bekannt – ein Anmeldeverfahren, das uns allsemesterlich auf Trab bringt, wurde nach ihnen benannt. Mit dem Prinzip ‚Wer zuerst kommt, malt zuerst‘ wird auf den universitären Online- Portalen der Wettlauf um die Kurse eröffnet.

Es ist kein alleiniges Phänomen der Uni Kiel, dass ebendieses Vorgehen nicht funktioniert. Dass die offizielle Anmeldephase für die betroffenen Fächer der Geisteswissenschaften zwei Wochen beträgt, kann deshalb lediglich ein schlechter Scherz sein. Kein Windhund braucht so lange, um sich das zu holen, worauf er abzielt. Es geht um Sekunden. Deshalb sitzen die meisten Kommilitonen bereits eine halbe Stunde vor Startschuss an ihrem Internetzugang. Wo gibt es die beste Verbindung? An den Rechnern in der Bibliothek? Mit dem Smartphone vor dem Verwaltungshochhaus?

Denn es kommt nicht nur auf die Schnelligkeit an, sondern vor allem auch darauf, welcher Computer es schafft, sich an der nun regelmäßig auftauchenden Fehlermeldung vorbeizuschlängeln. Die Überlastung des Servers ist inzwischen keine Überraschung mehr, doch lernfähig ist in der Verwaltung anscheinend niemand. Es dürfte eigentlich keine Schwierigkeit sein, den Anmeldestart verschiedener Fächer zumindest nicht auf ein und denselben Tag zu legen. Dass sich die technische Funktionalität nicht unbedingt verbessert, wenn nicht nur die Anglisten, sondern auch mehrere andere Abteilungen der Leibnizstraßen-Vertreter und somit tausende Studenten gleichzeitig im LSF um die besten Kurse buhlen, ist selbst für unsere Großeltern- Generation nachvollziehbar.

Früher standen Studenten ab fünf Uhr in der Früh vor ihrem Institut Schlange, heute hacken sie auf ihre Tastatur ein oder drücken ihre Nägel tief in den Handy-Display. Es kann nicht sein, dass ein Professor eine Stunde nach Anmeldebeginn zig Mails in seinem Postfach vorfindet, deren Verfasser ihn flehend darum bitten, sie noch in sein Seminar aufzunehmen. Wer am entscheidendsten Tag des Jahres an einem nicht internetfähigen Urlaubsort weilt, kann sich allenfalls noch mit den Resten zufrieden geben. Blockseminare am Wochenende oder Einzeltermine freitagmorgens um acht.

Viel entscheidender aber als die für einen Studenten vielleicht nicht optimalen Zeiten sind vor allem die Inhalte. Gerade in Studienfächern wie Geschichte, in denen jedes der in großer Anzahl angebotenen Seminare verschiedene Epochen, ein anderes Thema, unterschiedliche Blickwinkel in Betracht zieht. Keines gleicht dem anderen, keines wird im nächsten Semester wiederholt. Wir haben die Schule mit ihren vorgegebenen Stundenplänen verlassen, um uns mit dem zu beschäftigen, was uns wirklich interessiert. Nun sollte uns nicht ausgerechnet der entsprechende Wahlvorgang dabei im Wege stehen.

Das Problem ist also ein zweigeteiltes und die Frage nach seiner Lösung strittig. Zum einen versagt die technische Umsetzung, zum anderen aber auch das Windhundverfahren an sich. Alternativen gibt es genug und diese werden in anderen Fächern bereits umgesetzt. So beispielsweise die Option sich ersteinmal bei verschiedenen Seminaren anmelden zu können und später das Los über die Platzvergabe entscheiden zu lassen. Es wäre eine Aufgabe der hiesigen Hochschulpolitik, sich dem Thema anzunehmen. Denn das Verfahren ist auch mit der Frage verbunden, was auf diesem Feld Gerechtigkeit bedeutet. Ein anderer Weg würde uns zumindest sehr viel Stress ersparen.

Foto: Jan Eduard

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