Politiker*innen müssen der Presse meist Fragen beantworten, die mit aktuellen Ereignissen, Forderungen aus der Wirtschaft und Opposition oder Wahlen zusammenhängen. Die persönliche Seite unserer Volksvertreter*innen kennen wir hingegen kaum. In der neuen Reihe Zwölf Fragen an… stellt DER ALBRECHT Politiker*innen von einer anderen Seite vor. Heute: Der stellvertretende Bundesvorsitzende und schleswig-holsteinische Landesvorsitzende der SPD, Ralf Stegner.

Wie sieht ein guter Tag für Sie aus?

An einem guten Tag, gibt es keine Hektik und keinen Stress. Ich habe Zeit, liebe Menschen zu treffen, zu lesen oder Musik zu hören. Als Politiker sind das leider Dinge, die oft zu kurz kommen. Deshalb ist es umso wichtiger, sich kleine Freiräume zu schaffen.

Wer ist Ihr Vorbild?

Im politischen Sinne sind das sicherlich Willy Brandt und John F. Kennedy. Beide haben auf sehr unterschiedliche Weise Herausragendes für die Menschen geleistet. Bei vielen Entscheidungen, die sie treffen mussten, haben sie Haltung gezeigt. Das hat mich sehr beeindruckt.

Was regt Sie so richtig auf?

Wir sehen täglich Ungerechtigkeiten, die zum Himmel schreien und gegen die wir vorgehen müssen. Das ist ein großer Antrieb für mich und wahrscheinlich die wichtigste Motivation, Politik zu machen. Außerdem kann ich Unzuverlässigkeit nicht leiden. Ich erwarte, dass Vereinbarungen eingehalten werden. Andersherum kann man sich auch immer auf mein Wort verlassen. Das ist nicht nur in der Politik sehr wichtig.

Wenn Sie nicht in die Politik gegangen wären, was würden Sie dann machen?

Vielleicht hätte ich mich dafür entschieden, Barpianist zu werden oder der HSV hätte mich als Torwart ins Team genommen. Im Ernst: Eigentlich war für mich früh klar, dass ich etwas bewegen und verändern möchte. Schon während meines Studiums war ich politisch aktiv und ich merkte, dass es mir liegt und Spaß macht.

Was war der dramatischste Moment in Ihrer politischen Karriere?

Da brauche ich leider nicht lange nachzudenken: Der schlimmste Moment war für mich die Nicht-Wahl von Heide Simonis 2005. Dass sie nach vielen Jahren großer Verdienste für unser Land auf diese schändliche Weise verletzt und politisch beschädigt wurde, kann ich immer noch nicht fassen. Heide Simonis ist eine große Persönlichkeit, die sich als bundesweit erste Ministerpräsidentin immer für die Menschen eingesetzt hat. Dieses politische Ende hat sie nicht verdient!

Woher kommen Ihre politischen Haltungen?

Schon als Kind sind mir Ungerechtigkeiten begegnet, zum Beispiel in der Schule. Diese haben mich früh geprägt. Viele politische Überzeugungen habe ich aus Erfahrungen und Gesprächen mit Menschen entwickelt. Politische Papiere zu schreiben ist etwas anderes, als die Menschen in den Blick zu nehmen und zu versuchen, das Leben für alle etwas besser zu machen. Da ergibt sich eine politische Haltung fast automatisch.

Was ist das beste Buch, das Sie je gelesen haben?

Da kann ich mich nicht festlegen. Ich lese sehr gerne und habe immer ein Buch in der Tasche, falls sich ein paar Minuten dafür erübrigen lassen. Als Kind haben mich die Abenteuer von Tom Sawyer und Huckleberry Finn sehr begeistert. Als Jugendlicher waren es dann die Tagebücher von Anne Frank und später die Autobiografie von Nelson Mandela. Grundsätzlich lese ich aber auch gerne Krimis und Romane – eine bunte Mischung eben.

Woran denken Sie, wenn Sie nicht einschlafen können?

Wenn ich lange und abwechslungsreiche Tage mit vielen Gesprächen hatte, kann es sein, dass ich diesen abends nachhänge. Manchmal resümiere ich den Tag und verarbeite neue Eindrücke.

Was ist das Größte beziehungsweise Wichtigste, was Sie in der deutschen Gesellschaft/Politik bewirkt haben?

Als Innenminister Schleswig-Holsteins von 2005 bis 2008 habe ich viel für Flüchtlinge tun können. Menschen zu helfen, die das Schlimmste erlebt haben und nun mit nichts als ein paar persönlichen Dingen bei uns Schutz suchen, war eine sehr wertvolle Arbeit für mich.
Seit zehn Jahren bin ich nun Landesvorsitzender der SPD Schleswig-Holstein und kann mich für mehr Gerechtigkeit einsetzen. Viele unserer Positionen im Land wurden wichtige Impulse für die Bundespolitik der SPD.

Was ist – Ihrer Meinung nach – die beste Lösung für die Probleme in unserer Gesellschaft?

Auch hier ist das Thema Gerechtigkeit zu nennen. Soziale Gerechtigkeit ist für mich Maßstab und Kompass meiner Politik – und natürlich der SPD. Nur wenn wir die Bedürfnisse und Lebenswirklichkeit der verschiedenen Menschen in den Blick nehmen und ein gerechtes und soziales Miteinander fördern, werden wir unsere Probleme lösen können.

Was nimmt – Ihrer Meinung nach – zu viel Raum in der politischen Debatte ein?

Es wird sehr viel über Geld gesprochen. Dabei ist es nur Mittel zum Zweck und kein Selbstzweck. Außerdem drehen sich einige Akteure mehr um sich selbst, als das große Ganze im Blick zu haben. So kann keine gute Politik gelingen.

Wovor fürchten Sie sich am meisten?

Ich bin eigentlich kein ängstlicher Typ. Aber wenn, dann wohl vor der Furcht selbst. Mit Angst kann man nicht klar denken und keine guten Lösungen finden. Sie ist keine Hilfe, sondern ein Hindernis. Das heißt aber nicht, dass man übermütig sein sollte!

Vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen wurden per E-Mail an die Gesprächspartner*innen beziehungsweise an die zuständigen  Pressesprecher*innen  geschickt und schriftlich beantwortet.


Bildquelle: Susie Knoll

Autor*in

Rebecca war von 2014 bis 2019 teil der ALBRECHT-Redaktion. In der Zeit hat sie für ein Jahr das Lektorat geleitet und war ein weiteres Jahr die stellvertretende Chefredakteurin.

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