Der Moment, alle strömen in das Theatergebäude und sind voller Vorfreude auf die Vorstellung. Ein aufgeregtes Murmeln erfüllt den Saal. Dann geht das Licht aus, die Menge verstummt und schaut gebannt auf den sich öffnenden Vorhang – das Stück beginnt und entführt die Zuschauenden in eine ganz andere Welt. „Ein absoluter Gänsehautmoment, der auch durch nichts zu ersetzen ist, durch keine noch so gute Serie oder guten Streamingdienst“, schwärmt Benjamin Reiners, auch als „der Neue“ betitelt.

In dieser Spielzeit (2019/20) trat er die Nachfolge von Georg Fritzsch als neuer Generalmusikdirektor (GMD) des Theater Kiels an. „Es ist ein großes Privileg“, beschreibt Reiners seine neue Position, „jedes Mal, wenn ich auf das Theatergebäude zulaufe, denke ich daran, wie toll es ist, darin arbeiten zu dürfen. Das war immer ein Kindheitstraum von mir, den ich nun jeden Tag leben kann“.

Früh von der Leidenschaft ergriffen

Die klassische Musik hat den gebürtigen Duisburger bereits in sehr jungen Jahren gepackt. „Mit vier Jahren bin ich durch Freunde meiner Eltern in der musikalischen Früherziehung gelandet. Von da an war klar, dass ich ein besonderes Interesse für die klassische Musik hege“. So lernte Reiners elektronische Orgel, wechselte anschließend zu einer richtigen Orgel und nahm klassischen Klavierunterricht; sang im Kinder- sowie Jugendchor und schließlich in der Kantorei. Parallel zu seiner musikalischen Laufbahn weckte die Teilnahme an der Musical-AG seiner Schule eine Leidenschaft für das Theater und die Oper. Dann war für Reiners schnell klar: Er möchte Dirigent werden.

Erste Erfahrungen sammelte er durch das Leiten von Vertretungsstunden in seinem damaligen Chor. Es folgte der erste eigene Kirchenchor und ein Studium an verschiedenen Musikhochschulen unter anderem in Köln. Seine klassische Theaterkarriere begann Reiners als Solorepetitor und Kapellmeister am Staatstheater in München. Von da aus ging er als zweiter Kapellmeister an die Staatsoper Hannover, wo er zum ersten Kapellmeister avancierte. Nach einem erneuten Wechsel an das Nationaltheater Mannheim als stellvertretender Generalmusikdirektor und erster Kapellmeister führte sein Weg schließlich nach Kiel.

Ein Empfang mit offenen Armen

Sowohl die Stadt als auch das Theater haben den 36-Jährigen ab der ersten Minute begeistert: „Die Atmosphäre im Haus, die Atmosphäre im Orchester und die Offenheit der Menschen am Theater lassen mich sehr wohl und hier in Kiel auch sehr willkommen fühlen“. Lachend ergänzt er: „Auch hatte ich das Glück, dass die ersten Tage immer bestes Wetter war“.

Als GMD gehört Reiners nun auch zusammen mit dem Generalintendanten und dem kaufmännischen Direktor zur dreiköpfigen Theaterleitung. „Ich bin somit nicht nur Ausführender, sondern kann auch wirklich mitgestalten“. Ein wichtiger Punkt für den Dirigenten, der auch seinen Entschluss, sich damals für die Stelle in Kiel zu bewerben, maßgeblich beeinflusst hat.

Das komplexe Auswahlverfahren konnte Reiners meistern und so steht den geplanten Veränderungen nichts im Wege. Und dabei macht er keine halben Sachen. Das stellt er mit seinem ersten Projekt in Kiel bereits unter Beweis: die Open-Air Oper AIDA. „Open-Air-Musik zu machen, ist immer eine Herausforderung, weil man nicht die klassische Situation hat wie im Theater mit Orchestergraben und Bühne, sondern da läuft die komplette Kommunikation über Monitore, Mikrofon und Lautsprecher. Zwischenzeitlich habe ich auch gedacht, dass ich mir für mein erstes Projekt echt was vorgenommen habe, aber es ist alles sehr gut gelaufen“.

Jung, dynamisch und frisch soll es sein

Es stehen noch so einige weitere Neuerungen auf dem Plan. „Ich möchte dieses Bild, diese Hemmschwelle, Theater sei ein eingestaubter Tempel, den nur Leute in schicken Garderoben betreten dürfen, ändern. Wir sind hipp und cool und wir machen auch Programme, die etwas ungewöhnlicher sind und dadurch ganz klar ein jüngeres Publikum ansprechen“, erklärt Reiners. So kann ab sofort dem Orchester in entspannter Atmosphäre in der lille-Brauerei gelauscht werden. Es wurden die sogenannten Küstenkidskonzerte eingeführt, die noch jüngeren Menschen klassische Musik näherbringen sollen. Auch in den eigenen Reihen wird auf jüngere Teammitglieder gesetzt: „Wir wollen vermehrt auch junge deutsche Regieteams einladen, die vielleicht etwas experimenteller und auch ungewöhnlicher arbeiten, und damit weggehen von diesem angestaubten Begriff des Regietheaters. Man merkt, die junge Generation möchte wieder Geschichten erzählen, Emotionen freisetzen und wirklich das Publikum berühren“.

„Man möchte Geschichten erzählen, Emotionen freisetzen und wirklich das Publikum berühren.“

Benjamin Reiners

„Gönn dir doch mal guten Stoff“

Für alle Studierenden, die sich kulturell unterversorgt fühlen, aber nicht viel Geld zur Verfügung haben, bietet das Theater Kiel den sogenannten lastMINUTE*DEAL.

Das Theater informiert euch kurzfristig (ca. 48 Stunden vorab) über noch freie Plätze in ausgewählten Veranstaltungen und ihr könnt bis zu 70 Prozent des regulären Ticketpreises sparen. Weitere Informationen unter
www.theater-kiel.de/lastminute.

Autor*in

Johanna studiert seit dem Wintersemester 2016/17 Deutsch und Soziologie an der CAU. Sie ist seit Oktober 2016 Teil der ALBRECHT-Redaktion. Von Juli 2017 bis Januar 2019 war sie als Ressortleiterin für die Kultur verantwortlich. Sie war von Februar 2019 bis Januar 2022 Chefredakteurin des ALBRECHT.

Share.
Leave A Reply