Ein Artikel von Maline Kotetzki und Sophie Luisa Dieckmann:

 

Wie würdest Du die Entwicklung von Eurem ersten zum zweiten Album beschreiben?

Ich glaube, dass wir uns einfach ein bisschen gesetzt haben. Wir haben uns als Songwriter entwickelt. Bei dem neuen Album wussten wir einfach schon ein bisschen, in welche Richtung wir schreiben wollen. Bei dem ersten Album waren wir noch auf der Suche, was wir überhaupt zusammen machen wollen und das ist dann weggefallen. Wir sind einen direkteren Weg gegangen oder wussten mehr, was unser gemeinsamer Nenner ist. Und ich glaube, das neue Album klingt größer und ein bisschen dunkler. Aber für uns ist das auch eine Seite von BOY.

Du hast es ja schon gesagt, dass das neue Album dunkler erscheint. Trotzdem findet man immer eine grundsätzlich positive Haltung und auch Fröhlichkeit in Eurer Musik. Wie behaltet ihr diese Grundhaltung bei den vielen negativen Dingen, die momentan in der Welt geschehen?

Es ist immer eine Frage, wie man auf das Leben schaut. Das gilt auch für solche Situationen, die schwierig sind oder einen traurig machen. Entweder man kann sich da reinfallen lassen und alles ist nur noch schwarz oder man versucht, auch die guten Dinge zu sehen oder das Schlechte zum Gute zu wenden. Ich glaube, dass wir und vor allem Valeska eine grundsätzlich positive Sicht auf die Dinge hat und haben.

Wie sieht bei Euch der Schaffensprozess als Team aus?

Bei uns ist es ganz klar geteilt. Das war aber keine so bewusste Entscheidung. Es hat sich beim ersten Album herausgestellt, dass wir so am besten arbeiten können. Ich mache die Musik und die Musik ist auch immer zuerst da. Ich schreibe so vor mich hin und wenn ich Ideen habe, die mir gefallen, dann schicke ich die Valeska und dann muss ich hoffen, dass sie ihr auch gefallen. Wir schicken uns ganz viel die Sachen hin und her. Wir schreiben also getrennt, in getrennten Räumlichkeiten, und auch nicht immer am selben Song zur gleichen Zeit. Aber wir stehen in einem ganz engen Austausch in den Schreibphasen. In der Entstehungszeit des zweiten Albums haben wir mehrmals am Tag telefoniert. Viele denken, wir schreiben total separiert und bekommen nichts von dem Anderem mit, aber das stimmt gar nicht! Es ist schon sehr intensiv.

Gibt es in diesen intensiven Schreibphasen auch mal Momente, in denen ihr Abstand braucht von der Musik oder begleitet sie Euch dann durch den gesamten Tag?

Nein, in diesen Schreibphasen möchte man eigentlich keinen Abstand zu der Arbeit haben – ich zumindest nicht. In dieser Phase des Arbeitens tauche ich wirklich ein in die Arbeit. Deswegen haben wir uns ja auch aus der Öffentlichkeit zurückgezogen und haben gar nicht mehr live gespielt. Einfach genau aus dem Grund, um sich auf das Schreiben konzentrieren zu können. Aber klar, manchmal hängt man auch einfach fest und dann hilft es wegzufahren oder kurz Abstand zu nehmen. Aber eigentlich ist es ja das Schöne, dass man sich Zeit nehmen, in die Musik eintauchen und sich intensiv mit dem Schreiben beschäftigen kann.

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Kann es auch mal passieren, dass ihr Euch zu viel Zeit nehmt? Also das Ihr die Arbeit vor Euch herschiebt und dann im letzten Moment noch was abliefern müsst?

Nein eigentlich nicht. Wir brachen immer sehr viel Zeit zum schreiben und das wissen wir auch. Außerdem haben wir keine Deadlines. Meistens ist es so, dass wir einfach schreiben und wenn es fertig ist, ist es fertig. Klar, irgendwann gibt es einen Abgabetermin bei dem Label, aber wir haben uns jetzt zwei Jahre Zeit genommen und deswegen ist das Ganze nicht auf den letzten Drücker entstanden. Wenn wir sagen „Wir singen morgen den und den Song!“ und es fehlt noch eine Zeile, kann es bei Valeska vorkommen, dass sie der Druck anspornt. Und dabei kommen dann manchmal die besten Sachen heraus. Das ist immer sehr spannend!

Für Eurer zweites Album habt ihr Euch zwei Jahre Zeit genommen und Euch komplett aus dem öffentlichen Leben zurückgezogen. War es schwierig, das gegenüber Eurem Management und Euren Fans zu vertreten?

Nein, für unsere Plattenfirma war das kein Problem. Die wissen ja, dass wir so arbeiten und das haben wir auch so besprochen. Es war ganz klar, dass wir nicht zwischen Tür und Angel schreiben können oder die Zeit auch brauchen, um Sachen auszuprobieren und zu forschen. Und klar, einige Leute die uns hören fragten sich dann schon: „Gibt es die überhaupt noch?“. Aber das lässt sich wohl nicht vermeiden. Wir haben davor aber keine Angst, denn wir wollen ja, dass es gut wird, es uns am Ende gefällt und dass wir etwas machen, hinter dem wir auch stehen.

Du hast ja erwähnt, dass ihr als Band auch die Zeit braucht, um neue Dinge auszuprobieren. Uns würde interessieren, was Euch im Allgemeinen inspiriert und als zweites, wo ihr Eure musikalischen Einflüsse sehen würdet?

Ich finde das mit den musikalischen Einflüssen etwas schwierig und man kann das nicht immer so genau sagen. Wir hören diverse Musik, aber ich weiß zum Beispiel, dass bei dem ersten Album eine wichtige Band für mich Phoenix war. Beim zweiten Album kann ich das gar nicht so genau sagen, da habe ich eher nach dem geschrieben, wozu ich gerade Lust hatte. Ich hatte mir zum Beispiel zu dem Zeitpunkt einen neuen Synthesizer gekauft und der macht ganz tolle Sounds und ich hatte einfach Lust, mit diesem Instrument zu arbeiten. Deshalb ging es mit mehr darum: „Welche Sounds interessieren mich? Welche Beats finde ich interessant?“. Aber ich glaube, dass alles, was man sieht – ich gehe zum Beispiel gerne auf Kunstaustellungen – einen inspiriert. Valeska liest zum Beispiel ein Buch und ihr fällt dazu etwas ein. Ich glaube, dass ist auch das Schöne, wenn man schreibt und sich Zeit nimmt: Dass man wieder ganz normal leben kann. Zuhause und wieder zurückgezogen zu leben, birgt viele Geschichten – Alltagsgeschichten, die es sich lohnt, zu erzählen.

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Würdet ihr dieses als Teil Eurer Erfolgsformel sehen? Ihr seid ja wieder eingeschlagen wie eine Bombe mit Eurem zweiten Album.

Bei uns funktioniert es eben so, aber es würde auch gar nicht anders funktionieren, weil wir es einfach nur so können. Bei anderen Bands ist es vielleicht anders. Ich find’s immer ganz schwierig zu sagen, was das Erfolgsrezept ist. Ich glaube, letztendlich ist es einfach Musik und entweder gefällt es den Leuten oder nicht. Da kann man gar nicht so viel planen. Selbst wenn wir uns jetzt nicht zurückgezogen hätten, dann wäre es vielleicht genauso gekommen. Ich glaube, es ist eher so, dass man als Künstler oder als Musiker herausfinden muss, wie kann ich gut arbeiten, wie kriege ich was Gutes zustande. Ich kenne auch manche, die müssen dann nach New York fahren oder sich im Wald in einer Hütte einschließen, um was hinzukriegen. Es gibt da ganz unterschiedliche Arten.

Wir hatten vor ein paar Ausgaben im ALBRECHT das Thema Heimat. Uns würde interessieren, was Heimat für Euch oder auch insbesondere für Dich ausmacht.

Heimat ist für mich auf jeden Fall Hamburg, weil ich mich hier richtig zuhause fühle, obwohl ich hier ja gar nicht geboren bin. Das Wasser. Aber für mich macht Heimat vor allem auch Freundschaften aus; persönliche Beziehungen zu Menschen, die mir wichtig sind. Dann ist es eigentlich auch fast egal, wo man ist.

Nochmal ganz vom Thema Hamburg weg. Ihr seid nach Eurem ersten Album groß auf Nordamerika-Tour gegangen und wart auch in Japan. Bist Du der Ansicht, dass diese neue Erfahrungen Euch musikalisch verändert haben?

Ich glaube, richtig stilistischen Einfluss gibt es nicht. Aber ich glaube, dass zu Reisen den Horizont öffnet. Das war bei mir auf jeden Fall so, weil ich mit BOY zum Beispiel auch zum ersten Mal in den USA, in Japan und in vielen anderen Ländern war. Die Musik hat uns, oder mich als Person, dahingebracht. Ich glaube, das beeinflusst einen wahnsinnig, weil man einfach so viel sieht. Man wird dadurch noch demütiger und kann noch mehr schätzen, was man hat und was es einem bedeutet.

Uns würde noch interessieren, warum ihr auf Englisch singt.

Das ist ganz einfach. Valeska hat schon immer amerikanische Singer-Songwriter gehört und ist so aufgewachsen. Ein Teil ihrer Familie lebt auch in der Gegend von San Francisco. Das war nie eine Frage für uns. Wenn sie auf Deutsch schreiben würde, wäre es auch auf Schweizerdeutsch und das fände ich zum Beispiel jetzt nicht spannend. Ich habe sie schon auf Englisch singend kennengelernt, deswegen war das für uns tatsächlich nie eine Frage. Sie hat es auch nie gereizt, auf Deutsch zu singen.

Wie habt ihr Euch überhaupt kennengelernt?

Wir haben eine Art Musikkurs an der Hamburger Hochschule gemacht. Das ist aber weniger zum Lernen von Instrumenten, sondern eher eine Kontaktbörse für junge Musiker. Das funktioniert gut, da haben sich ganz viele Bands kennengelernt, die mittlerweile mehr oder weniger erfolgreich sind.

Man liest ja viel von Euch, aber wir haben noch die Antwort zu der Frage gefunden, warum ihr BOY heißt.

Es ist so wahnsinnig! Wir haben noch keine Frage öfter beantwortet, aber es gibt eben keine Geschichte, und deswegen lassen das alle immer aus. Es ist wirklich einfach nur ein Name. Wir haben uns aber schon überlegt, ob wir uns jetzt mal Geschichten ausdenken. Vielleicht diese eine Platte von U2, die heißt BOY, und deswegen heißen wir auch so.

Was sind Eure weiteren Pläne? Werdet ihr wieder auf große Tour gehen?

Wir machen erstmal unsere Deutschlandtour. Dann spielen wir im Sommer auf jeden Fall auf vielen Festivals und gehen auch ins Ausland. Wir waren gerade in England, weil unsere Album da Anfang März rauskommt. Wir werden sicherlich auch wieder in Frankreich spielen und hoffentlich auch wieder in Amerika, aber das steht alles noch nicht so ganz fest. Wir wollen auf jeden Fall wieder viel spielen.

Wir freuen uns schon sehr auf Euer Konzert in Kiel. Wart ihr hier vorher schon einmal?

Ich habe schon zweimal auf der Kieler Woche gespielt, aber das war immer mit anderen Bands.

Dann wird das ja eine richtige Premiere für Euch.

Auf jeden Fall. Auch in Wilhelmshafen waren wir noch, jetzt geht es also an den Norden. Das ist für BOY sozusagen Neuland.

Autor*in

Sophie studiert Germanistik und Kunst. Seit April 2015 ist sie Teil der Redaktion des ALBRECHTs. Sophie ist für den Bereich 'Zeichnungen' zuständig und greift hier auch gerne selbst zum Stift.

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