Medizin und Kunst informieren im Duett über das Mikrobiom

Alleinsein ist keine Stärke des Menschen. Aus biologischer Sicht betrachtet schließt sich die Tatsache, dass wir leben, mit der so häufig beklagten Einsamkeit des Individuums in der Postmoderne sogar völlig aus. Denn es gibt Milliarden, die immer bei uns sind: unser Mikrobiom, die Gesamtheit der Mikroorganismen, die auf und in uns leben. Allein im Darm tummeln sich zwei Kilogramm Bakterienmasse. Zwar können diese kleinen Lebewesen uns nicht mit ihrer Eloquenz von unserer Einsamkeit erlösen, doch wird in der Forschung seit einigen Jahren immer deutlicher, dass sie eine Menge an Tätigkeiten übernehmen, die es uns in unserer Haut gut gehen lassen.

Gleichzeitig zeigen sich die Auswirkungen von Störungen im Mikrobiom in vielen Krankheitsbildern, besonders bei entzündlichen Erkrankungen. Hierauf liegt auch der Forschungsschwerpunkt des Kieler Exzellenzclusters Inflammation at Interfaces, das seit 2007 an der CAU besteht. Die Forschung, die hier betrieben wird, ist in Fachkreisen anerkannt, die breite Öffentlichkeit bekommt davon allerdings wenig mit. Das soll geändert werden: Am 21. Mai eröffnete die zweite Ausstellung im Rahmen der Kooperation zwischen dem Cluster und der Muthesius Kunsthochschule. Dabei gaben Professoren aus dem biomedizinischen Bereich Vorlesungen für Studierende der Fotografie, des Kommunikations- und Industriedesigns bis zur freien Kunst – eine ungewöhnliche Kombination, deren Ergebnisse momentan in der Medizin- und Pharmahistorischen Sammlung zu bestaunen sind.

Kommunikationsdesign-Studentin Isabell Gesenhues ehrt mit ihrer Plakatreihe die wichtigsten Mitwirkenden unserer Darm-, Mund-, und Hautflora // Quelle: ma
Kommunikationsdesign-Studentin Isabell Gesenhues ehrt mit ihrer Plakatreihe die wichtigsten Mitwirkenden unserer Darm-, Mund-, und Hautflora // Quelle: ma

„Für uns alle war es eine besondere Situation, uns mit diesem medizinischen Thema zu beschäftigen“, sagt Anna Carina Lange. Die Kommunikationsdesignstudentin hat für ihr Projekt ein besonderes, spezielles Sujet gewählt: die Stuhltransplantation. Bei dieser Prozedur, die außer in Kiel nur an wenigen anderen Standorten in Deutschland durchgeführt wird, werden keine Tischlereiprodukte von Mensch zu Mensch bewegt, sondern Stuhl im anderen Sinne des Wortes. Was erst einmal nicht besonders erstrebenswert klingt, kann zum Beispiel Menschen helfen, bei denen durch Antibiotika-Behandlungen nicht nur krankmachende, sondern auch symbiotische Bakterien in unserem Darm angegriffen werden. Deren wichtige Funktionen für unsere Verdauung werden dadurch gestört. Um wieder eine gesunde Darmflora aufzubauen, helfen Bakterien aus der Stuhltransplantation. Trotzdem ist dieses Thema gerade für Patienten mit großen Hemmungen beladen; Anna Carina lockert das Problem in ihrem mit Witz und Informationen gefüllten Büchlein im Comic-Stil über die Stuhltransplantation auf.

So könnte das Produkt nicht nur als reines Kunstobjekt dienen, sondern auch in der klinischen Praxis helfen. Neben weiteren Projekten mit Praxisbezug wie kunstvoll gestalteten Plakaten und Informationstafeln mit hörbaren Erfahrungsberichten von Betroffenen der Autoimmunkrankheit ‚Colitis ulcerosa‘ sind in der Ausstellung auch rein ästhetische und konzeptionelle Verwirklichungen medizinischer Inhalte zu sehen: Von auf Leinwand gebannten Kratzgeräuschen, einem Selbstportrait aus mikroskopischer Perspektive, bis hin zu einer tiefsinnigen Toilettenkabine – überall wird eine Verbindung zum menschlichen Mikrobiom hergestellt. Dass besonders das stille Örtchen der anderen Art unter den Besuchern der Ausstellung einige Fans gewinnen wird, steht für die Organisatorin und Kommunikationsdesign-Professorin Silke Juchter außer Frage. „Getreu dem Sprichwort ‚Schönheit zieht mehr als Ochsen‘ können auch komplexe wissenschaftliche Inhalte durch künstlerische und ansprechende Darstellung für Laien auf verständliche Art und Weise aufbereitet werden“, sagte sie während einer Führung durch die Ausstellung im Rahmen des Internationalen Museumstags.

Die Ausstellung ist bis Ende Februar 2018 in der Medizin- und Pharmahistorischen Sammlung in der Brunswiker Str. 2 zu sehen. Öffnungszeiten sind dienstags bis freitags jeweils von 10 bis 16 Uhr, sonntags von 12 bis 16 Uhr. Der Eintritt kostet drei Euro, mit Ermäßigung nur einen Euro.


Titelbild: Kommunikationsdesign-Studentin Isabell Gesenhues ehrt mit ihrer Plakatreihe die wichtigsten Mitwirkenden unserer Darm-, Mund-, und Hautflora // Quelle: ma

Autor*in

Eva ist seit November 2015 in der Redaktion. Sie studiert Biochemie und Molekularbiologie an der CAU. Als Ressortleiterin hat sie sich bis Anfang 2019 um den Hochschulteil der Zeitung gekümmert, mittlerweile schlägt ihr Herz für Online.

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