Der Kampf gegen den IS im Nahen Osten, über den Globus verteilte Anschläge und die Landgewinne der Taliban in Afghanistan – das sind nur einige Beispiele für Gewalt, die uns täglich in den Medien begegnet. Angesichts der Vielzahl von Konflikten auf der Welt wird oft nur über einige wenige Krisenherde ausführlich berichtet. Der Mali-Konflikt taucht nur in den Schlagzeilen auf, wenn der Krieg im Wüstenstaat für neue traurige Höhepunkte sorgt. Die Geiselnahme in einem Hotel der Hauptstadt Bamako im November ist ein Beispiel dafür. Auch über den kürzlich beschlossenen Bundeswehr-Einsatz in Mali wurde breiter gefächert berichtet. Doch was passiert eigentlich in Mali und wie ist es zum Krieg dort gekommen?

Mali liegt in Westafrika und ist eines der ärmsten Länder der Welt. Von den 15 Millionen Einwohnern leben mehr als 40 Prozent unter der Armutsgrenze, auf dem Human Development Index liegt das Land abgeschlagen auf dem 176. Platz von 187 Ländern. Dass die Lage für die Menschen dort so katastrophal ist, liegt unter anderem an wiederkehrenden Dürren, die das Land seit Jahrzehnten heimsuchen. Ein Großteil der Probleme des Staates wird durch einen Konflikt verstärkt, der seit der Unabhängigkeit vom Kolonialstaat Frankreich 1960 immer wieder und seit 2012 mit besonderer Intensität aufflammt: die Auseinandersetzung zwischen den Tuareg und den übrigen Völkern im Land.

Die Tuareg sind ein Wüstenvolk, das von jeher als Nomaden in der Sahara lebt. Von dieser Wüste wird der gesamte Norden Malis, eine Fläche doppelt so groß wie Deutschland, bedeckt. Im fruchtbaren Süden des Landes besteht die Bevölkerung aus anderen Volksstämmen. Sie leben vorwiegend von der Landwirtschaft und litten bis in die späte Kolonialzeit hinein unter Übergriffen der aggressiven Nomadenstämme. Die vom Kolonialregime weitgehend unbehelligten Tuareg raubten Vieh und nahmen sich Sklaven. Als 1904 die Sklaverei in Mali abgeschafft wurde, wurden sie sogar von der Regelung befreit. Diese jahrhundertelange Bedrohung durch die Tuareg hat zu einer riesigen Kluft zwischen ihnen und den anderen Volksstämmen geführt.

So kam es auch, dass die seit der Unabhängigkeit von den südlichen Volksstämmen gestellten Regime – sei es nun die bis 1990 währende Diktatur oder die seitdem zumindest halbwegs demokratisch gewählte Regierung – dem Wunsch der Tuareg nach mehr Unabhängigkeit und einem eigenen Staat in der Wüstenregion nicht nachgaben. Denn der Norden ist zwar dünn besiedelt und taugt nicht für Landwirtschaft, Bodenschätze könnte es jedoch in Hülle und Fülle geben. Immer wieder wurden Aufstände der Tuareg brutal niedergeschlagen, was dazu führte, dass sich die Rebellenkämpfer immer weiter gegen die anderen Völker im Land radikalisierten. Aufgrund mangelnder Ausrüstung mussten sie sich jedoch jedes Mal wieder der Regierung geschlagen geben.

Die Situation hat sich dramatisch geändert, seit das Nachbarland Libyen durch den Bürgerkrieg im Chaos versunken ist – über die Grenze im Norden konnten Rebellengruppen große Mengen an Waffen nach Mali schaffen, um ihre Position gegen das ohnehin schon schwache Militär zu stärken. Mit den Waffen kamen auch Gruppen mit anderen Interessen als der Errichtung eines Tuareg-Staates ins Land: Kämpfer eines Al-Qaida-Ablegers und anderer islamistischer Gruppen, die ebenfalls auf die Eroberung neuer Gebiete aus waren. So begann im Januar 2012 ein blutiger Krieg: In wenigen Wochen konnte ein Bündnis aus Tuareg-Rebellen und Kämpfern der Terrorgruppen nahezu den gesamten Norden Malis in ihre Gewalt bringen. Die Regierung zeigte sich überfordert, das Militär war nicht in der Lage, die gut ausgestatteten Gegner zu besiegen und stürzte lieber die Regierung im März 2012 durch einen Putsch. Nach den riesigen Landgewinnen richteten sich die Islamisten jedoch gegen die Tuareg und vertrieben sie aus den eroberten Städten, um dort eine Herrschaft auf Basis der Scharia zu errichten. „Sie peitschten Leute aus, sie schlugen Frauen, sie zwangen Leute, Dinge gegen ihren Willen zu tun, und sie schlugen vermeintlichen Dieben die Hände oder Füße ab“, sagte Saloum Traoré, Direktor von Amnesty International in Mali im Juli 2015 über die Zustände im Norden des Landes.

Als die Lage in Mali immer dramatischer wurde, schaltete sich Frankreich Anfang 2013 mit einer Militäroperation ein. Diese schaffte es, einige Städte im Norden zu befreien und gemeinsam mit der UN-Mission MINUSMA die Lage im Süden immerhin etwas zu stabilisieren. Zwischen einigen Tuareg-Rebellengruppen und der neuen Regierung kam es immer wieder zu Friedensverhandlungen und im Juni 2015 wurde ein Friedensvertrag geschlossen. Allerdings handelt es sich dabei nicht um ein stabiles Abkommen: Schon im Vorfeld beklagten Kritiker, dass keine der beiden Seiten sich in der Pflicht fühle, den Vertrag dauerhaft einzuhalten. Die nördlichen Gebiete Malis sind nach wie vor sehr unsicher und umkämpft. Die Geiselnahme in einem Hotel in Bamako im November zeigt jedoch, dass die Situation auch im Süden angespannt bleibt. Um Frankreich, das nach den Anschlägen in Paris sein Engagement in Syrien verstärkt hat, indirekt zu unterstützen, hat die deutsche Regierung Mitte Januar beschlossen, dass bald 650 Soldaten aus Deutschland im Norden des Landes bei der Überwachung des Waffenstillstands helfen sollen.

Trotz der ethnischen Konflikte, der Korruption und der allgegenwärtigen Armut galt Mali bis zum Putsch gegen die Regierung 2012 im Westen als gelungenes Beispiel der Demokratisierung. Denn zumindest wurden hier regelmäßig demokratische Wahlen abgehalten und die Lage war im Großteil des Landes im Vergleich zu den Nachbarstaaten stabil. Auch für Touristen war das Land mit seinem kulturellen Erbe wie der legendären Wüstenstadt Timbuktu bis 2012 ein immer beliebteres Ziel. Doch mittlerweile kommen fast keine mehr, selbst in die friedlichen Gebiete des gebeutelten Staates. Eine langfristige Lösung für den Konflikt ist nicht in Sicht und alle Einwohner – ob Malier oder Tuareg – leiden weiter unter den Folgen des Krieges.

Autor*in

Eva ist seit November 2015 in der Redaktion. Sie studiert Biochemie und Molekularbiologie an der CAU. Als Ressortleiterin hat sie sich bis Anfang 2019 um den Hochschulteil der Zeitung gekümmert, mittlerweile schlägt ihr Herz für Online.

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