Corona bedeutet auch für das Theater Kiel einiges an Umstellung: Mussten die Türen im Frühjahr dieses Jahres alle von heute auf morgen schließen und die geplanten Premieren verschoben, wenn nicht gar verworfen werden, wird sich nun langsam wieder in eine neue Spielzeit gewagt.  

So darf sich auch das Stück Die Möwe von Anton Tschechow über eine zweite Chance freuen.  

Die Produktion, die von Eva Gerberdingen für das Theater Kiel neu übersetzt wurde, feierte nun am 29. August seine Premiere im Schauspielhaus.   


Eine russische Provinz im Sommer 

Die Handlung spielt auf einem russischen Landgut in der Provinz. Dort haben sich eine Gruppe Moskauer Künstler*innen für den Sommer zurückgezogen und verbringen ihre Zeit mit gemeinsamen Leserunden am See, Spieleabenden und dem Sinnieren über das Leben. 

Der junge Kostja (Tristan Steeg) ist unzufrieden: Mit seiner ersten eigenen Inszenierung möchte er einen Gegenentwurf zum aktuellen Theater wagen. Doch er stößt beim Publikum nicht auf Gefallen. Allen voran seine eigene Mutter, die angesehene Schauspielerin Irina Arkadina (Ellen Dorn), lässt kein gutes Haar an ihrem Sohn. Auch findet seine Liebe zur Nachbarstochter Nina (Tiffany Köberich) keine Erwiderung. Sie hat sich in den Freund von Kostjas Mutter, den Schriftsteller Boris Trigorin (Rudi Hindenburg), verguckt. Nina folgt ihm nach Moskau, um ihren Traum, eine große Schauspielerin zu werden, zu erfüllen, kehrt dann aber Jahre später mit gebrochenem Herzen und gescheiterter Karriere zurück.  


„Das Leben darf nicht so dargestellt werden wie es ist, oder wie es sein soll, sondern so, wie wir es träumen“ 


Anton Tschechows Klassiker bietet einen Einblick in die russische Bohème, die zwischen ihrem Alltag und ihren Hoffnungen gefangen lebt – und sich durch Liebeswirrungen das Leben erschwert. Ein Aufprall zweier Generationen: Auf der einen Seite Nina und Kostja, junge Menschen, die sich nach Anerkennung und Ruhm sehnen. Und auf der anderen Seite die Elterngeneration, die dies schon erreicht hat, aber dennoch unerfüllt bleibt.  

Bild: Olaf Struck


Das Stück in Corona-Erzählweise 

Die Proben zu Die Möwe hatten bereits im März 2020 begonnen, das Bühnenbild war schon gebaut und die Kostüme genäht. Trotzdem musste Regisseurin Lisa Gappel ihr ursprüngliches Konzept über den Haufen werfen und sich an eine Corona-gerechte Überarbeitung setzen.  

War es eigentlich gedacht, alle Schauspieler*innen die ganze Zeit über für das Publikum sichtbar auf der Bühne zu lassen und deren Entwicklungen parallel zu visualisieren, ist dies nun einem Kommen und Gehen mit maximal fünf Personen auf der Bühne gewichen. Passend dazu wurde das neue Bühnenbild, entworfen von Anna Bergmann, mit hellen Holzblöcken und Wasserbecken gestaltet, die an die russischen Wälder erinnern und den Schauspieler*innen ermöglichen Abstand zu halten.  

Doch diese neue Erzählweise lässt mehr Dynamik und Tiefe zu. Es wird ein ganz neuer Fokus gesetzt, der die Emotionen der einzelnen Figuren mehr in den Mittelpunkt rückt.  

Auch das Publikum findet Gefallen dran: Zwar sind die Reihen, um den Abstand halten zu können, ungewohnt leer, doch wird am Ende so laut applaudiert, als wären alle Plätze voll.  

Bild: Olaf Struck

Die Möwe 

2 Stunden, keine Pause  
Premiere am 29. August 
Schauspielhaus Kiel 

Die weiteren Spieltermine werden im jeweiligen Monatsspielplan veröffentlicht. Der Vorverkauf startet immer am letzten Donnerstag eines Monats für den übernächsten Monat. Weitere Informationen hier.

Autor*in

Johanna studiert seit dem Wintersemester 2016/17 Deutsch und Soziologie an der CAU. Sie ist seit Oktober 2016 Teil der ALBRECHT-Redaktion. Von Juli 2017 bis Januar 2019 war sie als Ressortleiterin für die Kultur verantwortlich. Sie war von Februar 2019 bis Januar 2022 Chefredakteurin des ALBRECHT.

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