Sobald die Sonne vom Horizont verschwand, erhellte ein Feuer die Mitte des Occupy-Camps in Kiel. Eine rostige, zur Hälfte abgeschnittene Tonne, in der ein Feuer loderte, wurde bei kalter Nacht zum begehrten Sammelpunkt der Occupisten. Die Bedingungen sind hart zu dieser Jahreszeit, dennoch herrschte im Camp eine äußerst – der Kälte trotzend – warme und wohlige Atmosphäre. Die Bereitschaft für rege Gespräche war groß und schnell wurde klar: Hier ist echtes Engagement zu finden.

Gemessen an der Tatsache, dass das Camp auf einem Platz zwischen HSH Nordbank und großer Sparkassenfiliale steht, täglich mehrere Buslinien den Standort passieren und er an einem von Spaziergängern begangenen Park angrenzt, bekommt die Kieler Occupy-Niederlassung am „Kleinen Kiel“ wenig Zulauf. Vielleicht ändert sich das noch mit dem Beginn des Frühlings, so die Hoffnung der Kieler Occupisten. Der Zeitpunkt für die Errichtung des Camps sei dennoch gut gewählt, denn auf diese Weise lässt sich schnell „ehrliches Engagement herausfiltern“.

Nur wer sich passioniert engagiert, kann über die unkomfortablen Bedingungen hinwegsehen, so Hennings Überzeugung, der sich am späten Abend beim Holzhacken noch an der Hand verletzte; aber auch das beirrte ihn nicht sonderlich. Echtes Engagement eben. Beim Lauschen der Gespräche am Feuer war abermals zu erkennen, dass die Gespräche mit den Kieler Campern sehr fruchtbar sind und dass die Meinungen  im Camp keinem pseudo-aktivistischen Konformzwang unterliegen. Beinahe jede Form von Kritik muss kritisch betrachtet werden können. Worüber allerdings ein zwingender Konsens besteht, ist der  Gedanke über Politikverdrossenheit, die in Deutschland merklich sei. Der Occupy-Bewegung in Kiel Beachtung  zu schenken, heißt auch Politik im Allgemeinen Dieselbe zu schenken. Somit wird der Gegenstand der Occupy-Bewegung eine Angelegenheit für Jedermann.

An diesem Abend setzte sich ein Programm fort, dass sich seit dem Nachmittag bis in die späte Nacht erstreckte. Es wurde ein großzügiges Buffet aus warmen Speisen und Kuchen bereitgestellt. In einem beheizten Zelt wurden Vorträge etwa zur Euro- und Finanzkrise, über die Besetzungskultur in Kiel und zum Thema Transparenz in Demokratien gehalten. Zwischen den Vorträgen verlockte der Gang zum Buffet. Unter dem Einfluss des Winters wurde der Kuchen zu später Stunde zu einer recht knusprigen Angelegenheit. Am Ende des Programms sahen alle Beteiligten erschöpft, aber auch zufrieden aus – zurecht. Bleibt zu hoffen, dass die Niederlassung der Occupisten bis zum Anbruch der wärmeren Jahreszeit erhalten bleibt, dann gäbe es sicherlich auch an Stelle von Kuchen reichlich Eis.

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