Ein Gastartikel von Michal Plümer

Seit ein paar Jahren ist Craft Beer schwer im Kommen. Aber wieso soll jemand auf einmal drei Euro für eine einzige Flasche Bier ausgeben? Und was bedeutet ‚craft‘ überhaupt? Der Begriff betont, dass die Biere handwerklich gebraut wurden. Es steht jedoch mehr dahinter: mehr Transparenz bei der Herkunft der Inhaltsstoffe, Stilvielfalt, die Geschichten der Brauer. Es kann also gesagt werden, dass die Szene ziemlich bunt ist. Und damit ändert sich das Trinkverhalten enorm, denn im Vordergrund steht das Genießen und nicht der Rausch; es geht um den bewussteren Umgang mit einem mit Liebe und hochwertigen Rohstoffen hergestellten Lebensmittel. Was manchmal verwunderlich ist, ist dass bisher wenige Frauen Bier für sich (wieder-)entdeckt haben, auch wenn die Tendenz steigend ist.

Denn was viele, die insgesamt nicht auf Bier stehen, mit dem alkoholischen Getränk assoziieren, ist vor allem eins: brotig-bitterer Geschmack. Das mag auf viele Biere im Supermarkt zutreffen, bei denen der Hopfen totgekocht wurde und somit nur Bitterstoffe abgegeben hat. Wenn der Brauer ihn jedoch zu anderen Zeitpunkten mit in den Kessel wirft, gibt er fruchtige Aromen ab, die je nach Hopfensorte völlig unterschiedlich sein können. Skeptiker denken bei fruchtigen Noten sofort an Mischbier, aber eigentlich ist genau das Ausdruck von Qualität und Sorgfalt im Brauprozess. Doch nicht jeder mag es fruchtig – gut, dass es eben auch dunkle Biere gibt, manche so schwarz wie die Nacht. Dabei sind dann eher röstige Kaffee- und Schokonoten dominant. Manche stehen auch auf rauchige Aromen wie beim Whisky und gönnen sich zum Beispiel ein Toasted Porter. Und wer es im Sommer leicht mag und eventuell nichts gegen richtige Früchte in seinem Bier hat, der sollte dringend ein Sauerbier probieren. Das war im Sommer 2016 absoluter Trend und hat es damit auch vom echten Außenseiter in die Regale vieler Läden geschafft. Der Moment, in dem Leute einen ihnen völlig unbekannten Stil oder zum ersten Mal ein hopfenbetontes Bier probieren, ihre Augen aufleuchten und das Gesicht Bände spricht, ist für jeden Bierliebhaber eine große Freude: „So kann Bier schmecken?“

Craft Beer Michal
Michals Lieblingsgetränk: Craft Beer // Quelle: ek

Ich selbst bin vor gut zwei Jahren auf das Thema gestoßen und arbeite seitdem im einzigen Fachgeschäft für Bier in Kiel: Brewcomer. Dort habe ich vor allem gelernt, dass viele Leute eine enge Vorstellung davon haben, was Bier ist und deswegen vielleicht eher zum Feierabendwein greifen – natürlich bleibt das bei einigen auch so. Während die Craft-Beer-Szene in anderen deutschen Großstädten 2015 schon wesentlich weiter und im Ausland schon erwachsen war, steckte sie in Kiel definitiv noch in den Kinderschuhen. Das änderte sich durch die Jungs von Lillebräu, durch die die Landeshauptstadt eine heimische Marke bekam, die inzwischen so erfolgreich ist, dass die zwei Gründer kurz vor dem Bau einer eigenen Brauerei stehen.
Je mehr man sich mit Bier beschäftigt, desto mehr interessieren sich viele für den Herstellungsprozess. So war es zumindest bei mir, sodass es nur eine Frage der Zeit war, bis ich den ersten Braugang mit meiner Tante wagte, die schon seit ein paar Jahren hobbymäßig am Kessel steht. Brauen war früher übrigens Frauensache, es gehörte zu den häuslichen Aufgaben und diente zur Ernährung der Menschen. Heute hat sich das Bild gewandelt, denn die deutliche Mehrheit der Brauer ist männlich – aber es tut sich was! Denn nicht nur ich habe die Liebe zum Brauen entdeckt, im Kieler Brauklub lassen sich immer mehr Frauen sehen, die diese Begeisterung teilen. Und beim Reden über die ‚home brews‘ wird schnell eines klar: Ob da nun ein Mann oder eine Frau am Kessel steht, ist herzlich egal: Was zählt, ist Kreativität und die Liebe zum Produkt.

Neben Lillebräu und Brewcomer gibt es noch eine weitere Institution, die den Craft-Beer-Boom in Kiel fördert: die Kieler Craft Beer Days. Dort präsentieren diverse Brauereien und Aussteller ihre Kreationen, die ab einem Euro für 0,1 Liter probiert werden können. Der sogenannte Probierschluck wird dem vollen Glas dort auch gerne vorgezogen, denn so können mehrere Biere verköstigt werden. Dieses Jahr findet das Event zum ersten Mal in einer größeren Location und damit nicht mehr im Legienhof statt: am 21. und 22. April werden die Türen der Halle 400 geöffnet und für sechs Euro zuzüglich Glaspfand kann die Biervielfalt genossen werden. Mehr Infos gibt es auf www.kcbd.de.

Update (12/2017): Michal hat nun auch ihren eigenen Craftbeer-Blog Kielerhoppe!

Autor*in

Hier veröffentlicht DER ALBRECHT seine Gastartikel – eingesandt von Studierenden, Professor*innen und Leser*innen der Zeitung.

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