Politiker*innen müssen der Presse meist Fragen beantworten, die mit aktuellen Ereignissen, Forderungen aus der Wirtschaft oder Opposition oder Wahlen zusammenhängen. Die persönliche Seite unserer Volksvertreter und Volksvertreterinnen kennen wir hingegen kaum. In der neuen Reihe „Zwölf Fragen an…“ stellt DER ALBRECHT die Politiker*innen von einer anderen Seite vor.

Frau Spoorendonk, wie sieht ein guter Tag für Sie aus?

Ein guter Tag ist zum Beispiel, wenn ich an einem sonnigen Tag mit einem guten Buch im Garten sitze; mit meiner Familie oder mit Freunden zusammen sein oder eine tolle Radtour machen kann oder wenn ich es geschafft habe, mein Arbeitszimmer aufzuräumen.

Wer ist Ihr Vorbild?

Gro Harlem Brundtland, weil sie 1981 als erste norwegische Premierministerin Wegbereiterin der skandinavischen Gleichstellungspolitik wurde. Die nach ihr benannte Brundtland-Kommission der UN – auch Weltkommission für Umwelt und Entwicklung genannt – formulierte 1987 erstmals ein Konzept der nachhaltigen Entwicklung und stieß damit einen weltweiten Diskurs zum Thema Nachhaltigkeit an.

Was regt Sie so richtig auf?

Boshaftigkeit und Arroganz

Wenn Sie nicht in die Politik gegangen wären, was würden Sie dann machen?

Als ich 1996 die Vorsitzende des SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag wurde, hatte ich schon knapp 19 Jahre Berufsleben hinter mir. Ich habe Geschichte an der Duborg-Skolen unterrichtet, dem dänischen Gymnasium in Flensburg, und wäre diesen Weg weiter gegangen, weil ich daran große Freude hatte.

Was war der dramatischste Moment in ihrer politischen Karriere?

Das war ganz eindeutig der 17. März 2005  die gescheiterte Wiederwahl von Heide Simonis durch den Schleswig-Holsteinischen Landtag. Zum einen hatte sich der SSW nach der Landtagswahl bereit erklärt, eine rot-grüne Minderheitsregierung im Parlament zu tolerieren; zum anderen war es für alle Beteiligten eine fast traumatische Erfahrung.

Woher kommen Ihre politischen Haltungen?

Ich bin in einem politisch interessierten Elternhaus groß geworden; Schule und Freundeskreis spielten auch eine Rolle. Und ohne in erster Reihe dabei gewesen zu sein, hat mich auch die 1968er Bewegung geprägt. Damals lebte ich als Studierende in Kopenhagen.

Was ist das beste Buch, das Sie je gelesen haben?

Ganz schwierige Frage! Max Frischs Roman Stiller hat Priorität, glaube ich. Aber auch das Buch des dänischen Schriftstellers und Journalisten Bo Lidegaard über die Geschichte der Rettung der dänischen Juden (auf Deutsch Die Ausnahme) gehört zu meinen Bestsellern, weil er überzeugend darstellt, was gelebte Demokratie auch in schwierigen Zeiten zu leisten im Stande ist. Der aktuelle Bezug ist unüberhörbar.

Woran denken Sie, wenn Sie nicht einschlafen können?

Nicht einschlafen können ist ja leider ein Indiz dafür, dass es mir – und ich denke, es geht anderen genauso – nicht gelungen ist, den Tag hinter mir zu lassen. Ich habe gegen Schlaflosigkeit kein Patentrezept – zähle weder Schäfchen noch male ich mir in Gedanken schöne Bilder aus. Ich versuche ganz einfach, nicht zu denken und meinen Körper ‚schlafschwer‘ zu machen.

Was ist das Größte beziehungsweise Wichtigste, was Sie in der deutschen Gesellschaft/Politik bewirkt haben?

Als erste SSW-Ministerin in der Geschichte Schleswig-Holsteins habe ich nicht nur meine parteipolitischen Vorstellungen im Gepäck, sondern auch meinen Hintergrund als Angehörige der dänischen Minderheit. Schleswig-Holstein als Heimat dreier nationaler Minderheiten – der dänischen Minderheit, der friesischen Volksgruppe und der Minderheit der Sinti und Roma – lebt vom kulturellen Dialog, der gesellschaftlichen Gleichwertigkeit von Mehrheit und Minderheiten und von der Erkenntnis, dass nur eine offene Gesellschaft die Teilhabe aller ermöglicht. Davon habe ich mich in meinem Amt als Ministerin für die Bereiche Justiz, Kultur und Europa leiten lassen. Zu meinen größten politischen Erfolgen gehört aus meiner Sicht, dass wir in Schleswig-Holstein im Rahmen eines breit angelegten Kulturdialogs die Kulturperspektiven Schleswig-Holstein entwickelt haben – eine konzeptionelle Kulturpolitik, die sich auch in einem neuen Denkmalschutzgesetz, in einem Bibliotheksgesetz, in einer Stärkung der kulturellen Bildung widerspiegelt. Zudem habe ich dazu beigetragen, dass wir die Kulturförderung um rund 20 Prozent haben steigern können.

Was ist – Ihrer Meinung nach – die beste Lösung für die Probleme in unserer Gesellschaft?

Wer einfache Lösungen propagiert, lügt sich selbst und anderen in die Tasche: Ein Merkmal aller populistischen Parteien. Diese Erkenntnis wird kaum die Probleme unserer Gesellschaft lösen. Sie macht aber deutlich, worauf es letztlich ankommt: Auf die Art und Weise, wie wir unsere Demokratie leben. Als langjährige Parlamentarierin stehe ich zur parlamentarischen Demokratie. Das Parlament ist der Ort des organisierten demokratischen Diskurses – des Ringens um gute gesellschaftliche Rahmenbedingungen. Ich stehe aber auch dazu, dass der Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält, das bürgerschaftliche Engagement ist. Wer sich kulturell betätigt, wer für andere eintritt, engagiert sich auch für unsere Gesellschaft. Dafür brauchen wir Räume und eine Politik des Dialogs.

Was nimmt – Ihrer Meinung nach – zu viel Raum in der politischen Debatte ein?

Mich irritiert, dass wir uns immer wieder auf die populistische Agenda von AfD und Co. einlassen. Dass wir eine Politik der Verunsicherung, der Skandalisierung und der Diskriminierung hinterher laufen – verstärkt durch die Talkshows des Fernsehens.

Wovor fürchten Sie sich am meisten?                

Nicht Spinnen, aber vor Wespen habe ich großen Respekt.

Vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen wurden per E-Mail an die Gesprächspartner*innen beziehungsweise an die zuständigen  Pressesprecher*innen  geschickt und schriftlich beantwortet.


Foto: Johannes Jansson

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