Ein Besuch bei den Kieler Kelpies

Quidditch ist längst mehr als ein rein fiktionaler Sport. Denn auch in der realen Welt – fernab von Hogwarts – finden sich immer mehr Muggle (normale Nicht-Magier), die sogenannte Quadball-Vereine gründen. So auch an vielen Hochschulen. Wir haben uns den Kieler Hochschulverein die Kelpies einmal genauer angeschaut, um mögliche Vorurteile zu prüfen, die das Spiel und den Menschen, die ihn spielen, entgegengebracht werden. Wir sind mit denjenigen in den Austausch gegangen, die Muggle-Quidditch – ganz ohne Zaubertricks – spielen. 

Auf die Besen, fertig, los! 

Quadball – das ist der aktuelle Name für Quidditch – wird an den Hochschulen natürlich ohne Zauberei und auch nicht in schwindelerregender Höhe gespielt. Das heißt jedoch nicht, dass gänzlich auf Besen verzichtet wird, auch wenn sich das Aussehen dieser seit der Gründung  der ersten Vereine 2005 ganz schön verändert hat. Heute werden keine Besen mehr benutzt, sondern Stäbe, die die Spielenden zwischen den Beinen ausbalancieren. Denn wenn der Stock runterfällt, müssen die Spieler*innen einmal zurück zu ihren drei ‚Hoops’ (Toren) laufen, bevor sie weiter am Spiel teilnehmen dürfen. Neben einem hohen Maß an Kondition, die von den Spieler*innen, besonders aber vom Suchenden, gefordert wird, enthält Quadball aber auch Elemente von anderen Sportarten. Denn es handelt sich um einen Kontaktsport mit Elementen vom Rugby, bei dem aber auch Fertigkeiten vom Handball gefordert sind. Auch kleinere Personen lernen also, wie sie sich zum Beispiel gegen körperlich überlegende Spielende durchzusetzen können. Die Spieler*innen selbst bezeichnen Quadball deshalb auch als ‚Schach des Ballsports’, da das Spiel sehr strategisch geprägt ist und viele verschiedene und ständig wechselnde Positionen enthält. 

Die wohl spannendste Frage (neben dem Aspekt mit dem Fliegen) ist wohl die, wie das denn nun mit dem Schnatz funktioniert, der sich in den Büchern und Filmen dadurch auszeichnet, dass er nur sehr schwer zu sehen und zu fangen ist. Da der Schnatz natürlich auch nicht wirklich fliegen kann, wird er von einer neutralen Person verkörpert, die das Spiel nach 18 Minuten betritt. Der Schnatzträger hat einen Ball in einer Socke mit Klettband hinten an der Hose befestigt. Auf den Schnatz folgen wenig später die beiden Sucher*innen der Teams. Sie versuchen jeweils den Schnatz als erstes zu bekommen. Anders als im Buch bringt der Fang aber nur 30 anstatt 150 Punkte und beendet auch nicht das Spiel.  

Bezüglich des Regelwerkes bleibt noch zu erwähnen, dass dieses immer detaillierter und umfangreicher wird. Geschuldet ist dies zum Beispiel der Auslegbarkeit der ursprünglichen Regeln, bei denen die Spieler*innen sich während des Spiels beinahe unbegrenzt weit vom Spielfeld entfernen durften. Mittlerweile ist das Spielfeld aber begrenzt, damit es nicht passieren kann, dass sich der Schnatz zum Beispiel in der Kieler Innenstadt versteckt. 

Hä, die können doch gar nicht fliegen?! 

Was soll das denn? Ein Artikel über irgendwelche Studis (und deren Freund*innen), die auf Stöckern herumrennen und Ball spielen? Ja, so siehts aus. Die Kelpies bekommen auch negative Kommentare. Wenn wir Außenstehenden von diesem Artikel erzählten, wurde erstmal herzlich gelacht: Das ist doch kein richtiger Sport, oder? Solche Gedanken hatten wir zugegebenermaßen auch am Anfang, bis wir beim Training zugeschaut haben und wirklich positiv überrascht wurden. Es ist ein richtiger Mannschaftssport, bei dem Schweiß, Blut und manchmal auch Tränen fließen. Natürlich ist das nicht für jeden etwas. Eben nur für die, die Lust auf außergewöhnlichen Mannschaftssport haben und auch mal über sich selbst lachen können. Dass das Spiel nicht allen gefällt, die sowieso eingeschweißte Fußball-Fans sind, nichts anderes als Fußball als Mannschaftssport anerkennen und nie Harry Potter gelesen oder gesehen haben, ist irgendwie logisch. Damit wollen wir sagen: es ist eher ‚Bubble-abhängig’, ob einem die Muggle-Umsetzung des Sports zusagt, oder eben nicht. Schließlich gibt es auch Menschen, die das Spiel einfach nur interessant finden und diejenigen Harry Potter-Fans, die sich nichts Besseres vorstellen können, als die Zaubereiwelt unserer etwas näher zu bringen.  

Die Kelpies, ein bunter Safespace 

Wie bunt das Team ist, hat sich beim Training in vielerlei Hinsicht gezeigt. So sind die Spieler*innen nicht nur hinsichtlich ihres Alters sehr verschieden – von etwa zwanzig bis vierzig Jahren ist alles dabei – sondern auch die Studiengänge sind bunt gemischt. Besonders toll ist diese Mischung laut den Kelpies, weil man so auch über den eignen Studiengang hinaus neue Leute aus völlig anderen Bereichen und Fächern kennenlernen kann und auch ein Austausch zwischen FH und CAU stattfindet. Aber gerade im Bezug auf Geschlechterdiversität ist Quidditch anders als so mancher Sport: Die Teams sind geschlechtergemischt. Es gibt sogar die Pflicht, dass die Anzahl der Geschlechter im Team bei den Turnieren ausgeglichen ist. Die Kieler Kelpies legen außerdem großen Wert darauf, dass man so kommen kann, wie man ist und dass das Team darüber hinaus auch ein ‚Safespace’ für queere Menschen darstellt. Deshalb haben sie auch ein ‚Social Awareness Team’, an das sich alle bei Problemen vertraulich wenden können. Denn das Wichtigste ist, dass die Spieler*innen Freude am Spiel und Spaß am Teamsport haben, nicht etwa, dass man ein riesiger Harry Potter Fan ist und alle Bücher und Filme mehrfach gelesen und gesehen hat. Dennoch finden sich natürlich auch bei den Kelpies waschechte Harry Potter Nerds. Das zeigte sich besonders, als die Frage aufkam, welchem Haus sich die Kelpies als Team denn nun selber zuordnen würden. Denn diesbezüglich schienen sie sich noch nicht geeinigt zu haben. Auf die Frage, welches Haus dem Team am ehesten entspricht, waren zumindest alle Häuser (mehr oder weniger laut) vertreten, wenn auch eine deutliche und vehemente Mehrheit der Hufflepuff-Anhänger spürbar gewesen ist.  

Die, deren Namen nicht genannt werden dürfen 

Auch wenn der gesamte Sport und auch die Kindheit von vielen auf ihren Büchern basiert, wird in dem Team und in der Quadball-Gemeinschaft nicht unkritisch mit ihr umgegangen. Sie, deren Name eigentlich nicht genannt werden soll, ist J.K. Rowling. Rowling leistete sich in den letzten Jahren mehrere Eigentore, um nur zwei von ihnen zu erwähnen: auf einen Post auf X (damals noch Twitter), auf dem „Trans Women are Women“ stand, antwortete sie „No.“ (17. Okt. 2023) Oder: „Sie haben gesagt, Vergewaltiger sollten in Frauengefängnisse verlegt werden, wenn sie sich selbst als Frauen identifizieren“ (10. Okt. 2023). „Sie“ meint hier die Labour-Schattenministerin L. Nandy, die sie wegen ihrer kritischen Statements zur Queeren-Community befragte. Rowling äußerte sich auch noch weiterhin kritisch und provozierend, aber eine Aufführung von ihrem ganzen Hass gegenüber Minderheiten das würde den Rahmen hier wirklich sprengen. 

Die Kelpies – und generell die Quadball-Gemeinschaft – sind sich diesem Problem bewusst. Sie versuchen, eine größtmögliche Distanz zwischen Spiel und Autorin zu bewahren, in dem sie zum Beispiel den Namen geändert haben: es heißt jetzt Quadball, nicht mehr Quidditch. Auch andere relevante Benennungen, wie Spieler oder die Bälle, wurden geändert. Bei unserem Besuch stellten wir zusammen mit den Kelpies fest: Harry Potters Community hat einen sehr hohen Anteil, der queer ist. Zumindest kann man behaupten, dass alle, die sich wirklich dazu zählen, mindestens Allies sind. Wahrscheinlich nicht ganz in Rowlings Sinne.  

Und wer spielt sowas freiwillig? 

Bei unserem Besuch bei den Kelpies haben wir schnell festgestellt, dass der Sport viel mehr ist, als die Vorurteile, die ihm entgegengebracht werden. Vielmehr ist es ein anspruchsvoller Mannschaftssport, bei dem alle Mitglieder wirklich Freude am Spiel haben und großen Einsatz zeigen, auch wenn sie sich dabei gegenseitig regelmäßig (und unabsichtlich) verletzen. Trotz der Verletzungen gehen die sympathischen Team-Mitglieder aber merklich gut und respektvoll miteinander um. Die bunte Truppe hält zusammen. 

Wir können allen, die nun neugierig geworden sind, vom Herzen empfehlen, einmal bei einem Training der Kelpies vorbeizuschauen, um eventuell später selbst Teil von diesem diversen Team zu werden. Aber auch für Zuschauer*innen kann das Training eine interessante, trotzdem gefährliche Sache sein, denn man muss sich vor ‚fliegenden’ Bällen in Acht nehmen.  

(Training: dienstags: 18-20 Uhr & sonntags ab 11 Uhr, schreibt bei Interesse am besten ihrem Instagram Kanal: @kielkelpies) 

Autor*in

Emma studiert Geschichte und Deutsch im Profil Fachergänzung. Sie ist seit November 2023 beim Albrecht dabei.

Autor*in
Ressortleitung Gesellschaft

Svea studiert Geschichte und Politikwissenschaft im Profil Fachergänzung. Sie ist seit November 2023 Teil des Albrechts und seit Januar 2024 übernimmt sie die Leitung für den Gesellschaftsteil.

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