Das magische Einhorn-Würstchen

Es wird einfach zu viel. Zwischen Augenkrebs und Wahnvorstellung hängen wir als verzweifelte Konsumenten und fragen uns, wann endlich auch die Produzenten und klugen Marketingmenschen verstehen, dass sie den Einhörnerwahn maßlos übertreiben.

Angebot bestimmt die Nachfrage, so heißt es. Im Falle der glitzernden, bunten Viecher kann ich mir das beim besten Willen aber nicht mehr vorstellen. Klar sind sie schrill, witzig und gerade voll in Mode, aber halt auch nicht für jedes Produkt geeignet. Kinderschampoo, okay. Hauspuschen mit Hörnern, niedlich. Pastellfarbene Liköre mit Glitzer, gewöhnungsbedürftig, genau wie bedrucktes Klopapier. Aber ist es wirklich nötig, Bratwürste rosa einzufärben, einen Regenbogen auf das Etikett zu malen und es Einhorn-Würstchen zu nennen, nur weil gerade zufällig Grillsaison ist? Der Tiefpunkt an Geschmacklosigkeit ist hiermit nicht nur metaphorisch erreicht. Aber klar, wer würde nicht versuchen, diesem Trend zu folgen, wenn es doch bedeutet, sämtliche damit verbundene Produkte teurer machen zu können?

Wenn es doch nur die Einhörner wären.

Ich erinnere mich an das letzte Mal, als ein anscheinend ‚niedliches‘ tierähnliches Wesen die Herzen im Sturm erobert hatte. Nicht nur die Herzen wohlgemerkt, sondern auch Trinkbecher, die Schmuckindustrie, Rucksäcke, Collegeblöcke und die Kuscheltierbranche. Die Rede ist natürlich von Eulen. In meiner Mittelstufenklasse waren sie damals überall. Auf Portemonnaies. Auf Vokabelheften. Auf Haarspangen. An Ohren und auf T-Shirts. Es wurde schon richtig gruselig, denn ständig glotzten einen von irgendwoher riesige aufgedruckte Augen an. Das konnte besonders irritierend werden, wenn sich diese Augen auf T-Shirts genau auf Brusthöhe befanden. Wenn die Farbe stimmte, führte dies von Weitem auch schon mal zu der peinlichen Annahme, der Gegenüber hätte den Klassenraum mit einem FKK-Strand verwechselt.

Der Trend, niedliche Wesen in höchste Sphären zu katapultieren ist also alles andere als neu. Interessant ist jedoch, in welchen Zielgruppen sie sich verbreiten. Wurden Eulen vornehmlich von Mädchen und Frauen geliebt (eine kleine Gruppe Damen in ihren Mittfünfzigern hat diese Liebe bis heute nicht abgelegt), infizierten Einhörner schlichtweg die gesamte Weltbevölkerung seit dieser verdammten #glittersport. Egal ob Mann, Frau oder etwas dazwischen, Kindergartenkind oder Senior, Punk oder Yuppie – jeder mag Einhörner. Harte Männer entdecken mit ihnen ihre verspielte Seite, Traumtänzer das Symbol ihrer Freiheit. Die gehörnten Pferde stehen für eine Welt voller Friede, Freude, Eierkuchen. Soziologen sprechen von Eskapismus und behaupten, dass die My Little Pony-Generation ein politisches Statement setzt – für eine bunte, pluralistische Gesellschaft.

No offence, liebe Fans.

Der Einhörner-Hype hat zwei Seiten. Neben der Glitzerfeierei kommen auch Sprüche wie „Wer keine Einhörner mag, findet auch Hundebabies eklig“. Für solche Aussagen sollte es eine eigene Kategorie geben. Neben Vegazi und Grammar Nazi bietet sich wohl ‚Unicazi’ an. Liebe Glitzerhorn-Verehrer, ich will damit niemandem auf den Schlips treten. Ja, ich finde die Teile auch ganz putzig. Aber das ist noch lange kein Grund dafür, sein Zimmer in Einhornramsch untergehen zu lassen oder sich fortan nur noch glitzernde Grillsaucen zu kaufen. Laut dem Soziologen und Trendforscher Sascha Szabo hat es sich aber bald ausge-einhornpupst. Der FAZ gegenüber vermutete er, dass die – in der Mythologie sehr rar auftretenden – Fabelwesen in einem Jahr wieder in ihren Feenwald verschwinden werden. Der Grund dafür dürfte für jeden klar erkennbar sein: Der Markt ist gesättigt, oder um es anders zu formulieren: Alle hassen rosa Bratwürstchen.

Autor*in

Johanna schreibt seit Anfang 2015 vornehmlich für das Ressort Gesellschaft. Seit Februar 2017 ist sie Chefredakteurin des ALBRECHT. Sie studiert seit dem Wintersemester 2014 Deutsch und Soziologie an der CAU.

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