Joschka Dunkel ist schwul und das ist auch gut so. Der 21-jährige biologisch-technische Assistent aus Pinneberg hat sich vor einiger Zeit „geoutet“ und lebt zurzeit in einer festen Beziehung. Er findet es schade, dass Homosexualität in unserer Gesellschaft immer noch nicht als „ganz normal“ angesehen wird.

DER ALBRECHT: Joschka, wann hast du gemerkt, dass du dich zu Männern hingezogen fühlst und nicht zu Frauen?

Joschka Dunkel: Ich wusste das eigentlich schon immer. Aber man weiß natürlich auch, dass es nicht „normal“ ist, beziehungsweise man befürchtet, dass es nicht „normal“ ist. Also unterdrückt man seine Gefühle und tut sie als „Phase“ ab. In der Pubertät wurde es dann allerdings richtig deutlich. Ich habe probiert mit einer Frau zusammen zu sein und hatte sogar eine achtmonatige Beziehung. Innerhalb dieser habe ich gemerkt, dass ich wirklich auf Männer stehe und definitiv nicht auf Frauen. Natürlich hatte ich große Angst, mich meinen Gefühlen zu stellen. Man selbst ist immer das größte Hindernis.

Das kann ich mir vorstellen. Wann hast du dann entschieden, dich zu „outen“ und wem hast du dich als erstes anvertraut?

Die ersten, denen ich es erzählt habe, waren meine allerbesten Freunde. Aber noch unter der Prämisse: Bitte keinem weiter erzählen! Das war mit Anfang 20. Als ich gedacht habe: Deine richtigen, echten Freunde werden dich so akzeptieren, wie du bist. Und so war es auch. Meine Freunde, mit denen ich heute noch befreundet bin, haben es super aufgenommen. Andere haben erst so getan als sei es völlig in Ordnung für sie, aber nach der Zeit hat man sich voneinander distanziert.

Wie hast du dich danach gefühlt?

Erleichtert! Mir ist ein riesen Stein vom Herzen gefallen. Besonders, weil meine Freunde so gut reagiert haben. Meistens sind es eben diese Situationen, in denen man merkt, wer die echten Freunde sind. Deswegen bin ich über meine Freunde, die ich bis jetzt habe, sehr glücklich.

Wie war es dann, als du dich entschieden hast deinen Eltern davon zu erzählen?

Ich hatte große Angst. Vielmehr noch als bei meinen Freunden. Ich dachte, ich würde meine Familie verlieren. Meine Eltern sind total tolerant und weltoffen und wir haben ein super Verhältnis, trotzdem war diese Angst einfach da.

Und wie kam es dann zu deinem Outing vor ihnen?

Das war eine Impulsentscheidung. Ich saß im Bus nach Hause und dachte: Ich mache es jetzt. Jetzt oder nie!

Wie lief das dann ab?

Meine Eltern saßen auf der Couch und haben Tee getrunken, wie immer. Ich habe mich zu ihnen gesetzt und gesagt: Mama, Papa: Ich bin schwul. Was folgte war ein völliges Gefühlschaos. Wir haben alle geweint und keiner wusste so richtig mit der Situation umzugehen.

Warst du danach auch so erleichtert, wie nach dem Outing vor deinen Freunden?

Komischerweise hatte ich nach der ersten Konfrontation mit meinen Eltern nicht dieses Gefühl der Erleichterung. Ich hatte das Gefühl, dass vieles noch unausgesprochen geblieben ist. Und so war es auch. Am nächsten Tag hatten wir dann nochmal ein richtiges, klärendes Gespräch und da sind dann auch die Fetzen geflogen. Wir haben uns gestritten und uns angeschrien. Das war aber vielleicht auch wichtig, denn so wurde alles gesagt, was gesagt werden musste.

Nach dem Streit kommt ja glücklicher Weise meistens wieder die Versöhnung…

…genau. Nach unserem Streitgespräch haben wir uns wieder vertragen. Natürlich war es gerade für meinen Vater schwierig, mit der Situation umzugehen, weil er dachte, dass er daran „Schuld“ hätte. Aber so sind nun mal meine Gefühle und ich bin glücklich damit. Niemand trägt dafür irgendeine „Schuld“.

Dann hattest du dich in allen Bereichen deines Lebens geoutet: Wie ging es dann weiter?

Toll war vor allem, dass ich endlich so sein konnte wie ich bin. Zum Beispiel konnte ich endlich laut Kelly Clarkson hören (grinst). Ich konnte richtig shoppen gehen und auch mal anmerken, wenn ich den ein oder anderen hübschen Mann gesehen habe. Anfangs habe ich all die Klischees, die es über Schwule eben so gibt, total ausgelebt.

Lebst du denn jetzt in einer festen Beziehung?

Ja, und ich bin sehr glücklich! Wir haben uns auf dem letzten CSD in Hamburg kennen und lieben gelernt. Meine Eltern kennen ihn und seine Eltern kennen mich. Es ist alles ganz normal, wie in einer Heterobeziehung eben.

Gibt es auch Situationen, in denen du dich wegen deiner Sexualität diskriminiert fühlst?

Naja, was heißt diskriminiert. Auf jeden Fall oft nicht akzeptiert. Das kommt leider immer noch häufiger vor als man vielleicht denkt. Oft höre ich das Wort „Schwuchtel“, das immer noch oft als Schimpfwort benutzt wird oder auch einfach nur das Wort „schwul“, welches oft mit negativen Dingen in Verbindung gebracht wird. Das ist teilweise sehr verletzend. Außerdem, wenn mein Freund und ich so durch die Straßen gehen, überlegen wir uns ganz genau, ob wir uns an den Händen halten. Denn wir werden immer noch schief angeguckt. Ich finde es auch schade, dass ich nicht heiraten kann, denn ich habe schon die Vorstellung von einer Familie. Nur eben nicht mit einer Frau, sondern mit einem Mann. Dazu gehört für mich auch ein Kind. Aber homosexuelle Paare dürfen immer noch nicht adoptieren. Ach ja, und es gab eine Situation, in der ich mich persönlich sehr diskriminiert gefühlt habe – beim Blutspenden.

Was ist passiert?

Ich wollte, wie immer, Blutspenden. Ich habe das bereits vier bis sechsmal gemacht. Ich habe den Fragebogen ausgefüllt, nur dass ich dieses Mal angegeben habe, dass ich schwul bin und auch sexuellen Kontakt mit einem Mann habe, das nennt sich in dem Fragebogen MSM (Männer, die mit Männern schlafen). Zuvor hatte ich das nie angekreuzt, weil ich mich noch nicht geoutet hatte. Bei dem Gespräch vor der Blutabnahme meinte die Frau zu mir, ich hätte den Fragebogen „falsch“ ausgefüllt. Ich sagte ihr, dass alles seine Richtigkeit habe. Daraufhin meinte Sie, dann sollte ich bitte gehen, denn ich dürfte nicht spenden, wenn ich Kontakt mit anderen Männern hätte. Warum, habe ich sie gefragt. Sie sagte, ich gehöre zu einer der Risikogruppen. Prostituierte, Drogenabhängige und Personen, die häufig ihren Sexualpartner wechseln gehörten ebenfalls dazu.

Wie war das für dich?

Das war ein furchtbares Gefühl. Danach habe ich mich so schlecht gefühlt, wie schon lange nicht mehr. Jetzt darf ich nie wieder Blutspenden. Es sei denn das Gesetz wird geändert. Da es einen Mangel an Spendern gibt kann ich das wirklich nicht nachvollziehen, schließlich kann man anderen Menschen mit seinem Blut das Leben retten.

In Anbetracht dessen, würdest du sagen, dass Homosexdualität in unserer Gesellschaft als „normal“ anerkannt wird?

Oberflächlich auf jeden Fall. Aber in Bezug auf die rechtlichen Dinge, wie Heirat, Adoption und Blutspenden nein, noch nicht. Und ich sage noch nicht, weil ich die Hoffnung habe, dass sich das auch noch ändern wird. Im Moment fühle ich mich noch als anders, weil ich noch anders behandelt werde.

Was würdest du gerne den Menschen sagen, die homosexuell sind und sich noch nicht getraut haben sich zu outen?

Erstens: Bleibt euch selbst treu. Und: Man selbst ist immer die schwierigste Hürde: Man muss sich selbst eingestehen, dass man homosexuell ist und man muss mit sich im Reinen sein. Manchmal können einem andere aber auch helfen. Für mich war es unheimlich wichtig, dass meine Freunde mir den Rücken gestärkt haben. Man denkt, die ganze Welt ist gegen einen. In Wahrheit ist es andersrum: 90 Prozent der Menschen geben dir ein positives Feedback und nur zehn Prozent ein negatives. Und diese zehn Prozent können einem dann auch egal sein.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Gespräch führte Alexa Magsaam.

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