„Wer, seit Shakespeare, hat so etwas schaffen können?“, fragt Klaus Groth 1882 in einem Artikel für die Kieler Zeitung. Die Antwort darauf ist für ihn klar: Niemand außer sein bereits zu diesem Zeitpunkt verstorbener Dichterkollege Friedrich Hebbel. Die beiden aus dem heutigen Schleswig-Holstein stammenden Schriftsteller lernen sich nie persönlich kennen. Auch unterscheidet sie vieles: Der eine, Groth ( (1819-1899), aus gutem Hause kommend, wird als großer Lyriker gefeiert, der mit seinem niederdeutschen Gedichtband Quickborn die plattdeutsche Sprache salonfähig gemacht hat. Der andere, Hebbel (1813-1863), ein schmächtiger Mann, der in Armut aufwuchs, ist hingegen für seine unbequemen Dramen mit psychologisch-existentieller Tiefe berühmt. Im Gegensatz zu Groth bleibt er seiner Heimat nicht treu; es zieht ihn nach Wien, wo er im Alter von gerade einmal 50 Jahren stirbt.

Was genau also treibt Groth dazu, öffentlich um Geld für die Errichtung eines Hebbel-Denkmals zu werben und dabei nicht davor zurückzuschrecken, ihn mit einem der bedeutendsten Dichter der Weltliteratur, mit keinem geringeren als Shakespeare, zu vergleichen? Was verbindet die beiden Dichter, auf wessen Initiative hin entsteht der sporadische Briefkontakt? Studierende des Masterstudiengangs Gegenwartsliteratur und Literaturvermittlung haben sich dieser und anderer Fragen zu dem Verhältnis zwischen Groth und Hebbel angenommen.

Wann und wo ist die Ausstellung zu sehen?

Das Ergebnis kann sich ab dem 28. April bis zum 20. Oktober in den jeweiligen Geburtsstätten der Dichter – im Klaus-Groth-Museum in Heide sowie im Hebbel-Museum in Wesselburen – sehen lassen: Groth & Hebbel. Eine ungewöhnliche Dichterfreundschaft lautet der Titel der literaturgeschichtlichen Ausstellung, die zehn Studierende unter der Leitung von Julia Ilgner und Dr. Hargen Thomsen konzipiert haben. Im Zuge der Kooperation mit den beiden Museen und der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek in Kiel konnten ideale Bedingungen für die jungen Kurator*innen geschaffen werden: Sie hatten nicht nur Zugriff auf die wohl weltweit am besten ausgestattete Hebbel-Bibliothek, sondern durften auch verschiedenstes Material zu Leben und Werk, darunter auch Porträts und persönliche Dokumente, unter die Lupe nehmen

Das von den Studierenden gewählte und sich immer noch in der Pilotphase befindende Projektmodul sah und sieht die weitestgehend eigenständige Konzipierung und Durchführung eines Projekts vor. Der entscheidende Unterschied zu herkömmlichen Modulen in der Germanistik ist dabei die praktische, teambasierte Arbeit, das hohe Maß an Eigenverantwortung sowie der Einblick in kulturelle Arbeitsfelder – der besonders von Geisteswissenschaftler*innen, die nicht als Lehrer*innen in Schulen wollen, geschätzt wird.

Unveröffentlichte Quellen erforscht

Anstatt also abermals in der Bibliothek der Sekundärliteratur zu frönen oder im Seminar wieder und wieder die Erzählsituation eines mäßig spannenden Romans zu analysieren, brachen die Studierenden im Zuge des Projektseminars im Wintersemester 2018/2019 aus dem theorielastigen Studienalltag aus: unleserliche Handschriften warteten darauf, entziffert zu werden, fragile Zeitungsseiten aus dem 19. Jahrhundert fielen auch bei behutsamer Sichtung beinahe auseinander, es konnte in alten, wertvollen Frühausgaben geblättert und bisher nicht publizierte Briefwechsel analysiert werden. Auf der Suche nach den Überresten des im Jahr 1887 errichteten Hebbel-Denkmals durfte der Autor dieses Artikels sogar einen von Mardern befallenen Dachboden besteigen; für einen Germanisten ein wahres Abenteuer.

Die Ausstellung würdigt anlässlich des 200. Geburtstags Groths die beiden Dichter im Rahmen einer Doppelausstellung im Klaus-Groth-Museum sowie im Hebbel-Museum. Das Einzigartige dabei ist die Perspektive, mit der die Studierenden auf das Leben des dithmarscher Lyrikers, der sogar zeitweilig Honorarprofessor an der Uni Kiel war, blicken: Denn obwohl sein Landsmann Hebbel, dessen Dramen auch international rezipiert werden, in der gleichen Region aufwuchs und beide anschließend einen verblüffend ähnlichen Lebensweg einschlugen, wurden sie bisher so gut wie nie im Zusammenhang betrachtet.

„Würdig muß das Denkmal werden!“

Mit diesem Aufruf endet der oben erwähnte Artikel von Groth. Auch die Studierenden haben mit der Ausstellung eine Art Denkmal geschaffen, das den beiden Dichtern und vor allem deren Verhältnis zueinander würdig ist. Alte Fotografien, Portraits und sonstige Abbildungen machen diese Sonderausstellung, welche in die jeweilige Dauerausstellung der Museen integriert ist, sogar für alle Lesefaulen interessant. Die Überreste des alten Hebbel-Denkmals ließen sich übrigens nicht auf dem Dachboden auffinden. Die gute Nachricht ist aber: Ein später errichtetes Denkmal lässt sich bis heute in Wesselburen bestaunen.

Autor*in

Lennard studiert seit dem Sommesemester 2018 Deutsch und Philosohie im Master. Er hat sich bewusst gegen ein Studium auf Lehramt entschieden. Seit Ende letztens Jahres ist er Mitglied der ALBRECHT-Redaktion. Zuvor absolvierte er ein Praktikum bei einer Lokalzeitung und arbeitete als Online-Redakteur.

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