So schnell kann die Schuldenfalle im Studium zuschnappen

Es ist Juni 2022 und ich lese den Brief des Kreditinstituts KFW in meinen Händen zum dritten Mal durch. Irgendwas über Mahnungen und die Rückzahlung meines Bildungskredites, Zinsen und Auszahlungsstopps. Ich verstehe nicht genau, was das alles bedeutet. Nur, dass es nichts Gutes sein kann. Aber bis jetzt hat sich sowas noch immer klären lassen und ein kleiner Brief wird nicht das sein, was alles kaputt macht. Ein Blick in das Portal meines Bankkontos wird alles klären. Vielleicht ist ja nur irgendeine Überweisung nicht durchgegangen oder so.  

Alle Überweisungen sind korrekt, auf jedem meiner Konten. Drei verschiedene Konten bei drei verschiedenen Banken zu haben, plus dazugehörige Kreditkarten, ist wirklich etwas unübersichtlich. Aber mein System funktioniert! Oder? 
 

Eine Frage des Lebensstils 

Wie auch viele andere Studierende bin ich im Laufe meines Studiums in die Kreditfalle getappt. Etwa zwei Jahre hatte es gedauert, bis die anfängliche Romantik des Studierendenlebens am Existenzminimum sich in Frustration über Sparmenüs und Verzicht verwandelte. Trotz Minijobs und Unterstützung der Familie reichte das Geld nie bis zum Ende des Monats, ganz zu schweigen von dem einen oder anderen Luxusgut. Zu stolz, um bei den Eltern betteln zu gehen, gibt es eine andere schnelle Lösung: Der Bildungskredit der KFW verspricht geringe Zinsen und flexible Rückzahlungen. Und mit einigen wenigen Unterschriften finden sich plötzlich jeden Monat zusätzliche 300 Euro auf dem Konto.  

Sparen ist von diesem Moment an keine Sorge mehr. Wenn die Lieblingsband ein Konzert gibt, wird die Karte gekauft, ohne darüber nachdenken zu müssen. Wenn die Freund*innen einen Kurztrip planen, wird die eigene Kreditkarte zum Buchen zur Verfügung gestellt. Und wenn der Instagram-Algorithmus genau das unnötige Luxusgut, welches plötzlich absolut lebensnotwendig geworden ist, wieder und wieder im Feed zeigt, dann gibt es Möglichkeiten, sich selbst nach dem finanziellen Monatsende diesen neuen Traum zu erfüllen. Das ‚Kaufe jetzt—bezahle später’-Modell des Zahlungsanbieters Klarna ist dabei der wahr gewordene pink-plüschige, feuchte Traum aller Online-Shoppenden und kommt zudem mit einer eigenen Kreditkarte. Natürlich auch in Pink. Da merkt man kaum, wie die Schulden wachsen und wie, trotz des extra Taschengeldes von der KFW, am Ende jedes Monats weniger und weniger übrigbleibt.  
 

Die Falle schnappt zu 

Und dann sind plötzlich zwei Jahre um. Der Bildungskredit geht nun in die Karenzphase über und die KFW schlägt als nächsten Schritt den Studienkredit vor. Etwas höhere Zinsen als der Bildungskredit, dafür aber eine weitaus höhere Auszahlungssumme. Nach nur einer Handvoll Papierkram und einem kurzen Termin bei dem KFW-Partner Sparkasse erhalten Kreditnehmer*innen jeden Monat bis zu 650 Euro zusätzlich. Diese Summe wird dann von Monat zu Monat etwas kleiner, Zinsen müssen schließlich schon ab der zweiten Auszahlung beglichen werden, aber viele wissen nicht ganz genau warum, wieviel und wie lange. Das Geld kommt ja trotzdem rein. 

18 Monate später klopft dann ein alter Bekannter namens Bildungskredit an, um zu verkünden, dass es Zeit ist, mit der Rückzahlung zu beginnen. Plötzlich fühlen sich die bis zu 650 Euro des Studienkredites gar nicht mehr nach so viel an. Besonders dann nicht, wenn die Banken vorschlagen, einen Dispositionskredit, also eine bewusste Überziehung des Kontostandes mit monatlichen Zinsen, zu eröffnen. Und auch dann nicht, wenn das KlarnaKonto schon seit einigen Monaten nicht mehr ausgeglichen wurde.  

Überall sind die Zahlen rot und der Blick auf die Konten löst nichts als Panik aus. Am schlimmsten sollte die fünfstellige Kreditsumme des Studienkredites sein. Doch zu diesem Zeitpunkt kann das Gehirn gar nicht begreifen, dass diese zu einem nicht allzu entfernten Zeitpunkt zurückgezahlt werden muss. Viel wichtiger erscheinen die unmittelbaren Probleme der Dispos, Kreditkarten und sofort notwendigen Rückzahlungen. 
 

Eine Frage des Geldes 

Ich hatte Glück und das in mehr als einer Hinsicht. Zum einen hatte ich etwas, was viele andere in meiner Situation nicht haben. Meine Familie, die ich rückblickend von Anfang an hätte helfen lassen sollen, war in der unglaublich glücklichen Lage, die meisten meiner Probleme verschwinden zu lassen. Über den Sommer hinweg wurden Rückzahlungspläne und Haushaltsbudgets besprochen, Kreditkarten gekündigt, Dispos beglichen und der Studienkredit abgelöst. Ich verpflichtete mich dazu, regelmäßige Updates über meine Ausgaben abzuliefern und all meine Energie in meinen Studienabschluss zu stecken. Über das Geld solle ich mir jetzt noch keine Gedanken machen. Sobald ich mein Leben zusammenbekommen habe, könne ich mit der Rückzahlung an meine Eltern beginnen.  

Zum anderen habe ich es geschafft, die Reißleine im letztmöglichen Moment zu ziehen. Nur wenige Wochen nachdem ich mich von meinem Studienkredit getrennt hatte und alle Schulden bei der KFW beglichen wurden, begannen die Zinsen zu steigen. Inzwischen liegen sie bei fast dem Dreifachen von dem Zinssatz, mit dem ich damals gestartet bin. Ich bin nicht gut in Mathe und werde Zinsen wohl nie ganz verstehen. Doch selbst ich weiß, dass die Rechnung hier nicht aufgeht. Wie sollen derzeitige und zukünftige Studierende jemals aus dem Schuldenberg auftauchen, der sie begräbt? Welche Alternativen gibt es für die, die weder auf die Hilfe ihrer Familien noch auf BAföG zurückgreifen können? Denn selbst für solche mit einem besseren Verständnis von Finanzen, als ich es hatte, ist der Studienkredit der KFW einfach keine valide Option für Studierende mehr. Wenn er es denn je war.  

Autor*in

Hier schreiben mehrere Autor:innen der ALBRECHT-Redaktion oder Personen, die ihren Text anonym veröffentlichen wollen.

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